Die Tiroler ÖVP-SPÖ-Koalition will kein flächendeckendes Angebot von Abtreibungen in Spitälern und setzt auf den niedergelassenen Bereich. Das ist gerade für Frauen auf dem Land oft schwierig.

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Der politische Kurs in Tirol bei der Versorgung von ungewollt schwangeren Frauen ist nur eines: ideologiegetrieben. Und man macht sich nicht einmal die Mühe, das halbwegs mit nachvollziehbaren Argumenten zu garnieren.

Dabei schien sich noch kurz nach der Landtagswahl im Herbst etwas im Sinne der Frauen zu bewegen: Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) kündigte als ihr Ziel an, dass Schwangerschaftsabbrüche in Tirol künftig flächendeckend an allen öffentlichen Krankenhäusern kostenlos angeboten werden sollen. Das wäre auch ein längst überfälliges Vorhaben, denn gerade in Tirol gibt es Handlungsbedarf bei dem katastrophal schlechten Zugang zu Abtreibungen.

Doch dieses Vorhaben wurde Pawlata nun von der ÖVP und erstaunlicherweise auch von der eigenen Partei weggeräumt. Zur Erinnerung: Die SPÖ war in den 1970er-Jahren die treibende politische Kraft bei der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, und zahlreiche SPÖ-Politikerinnen fordern bis heute den Ausbau der notwendigen Strukturen, damit umfassende reproduktive Rechte für Frauen auch Alltag sind und nicht nur bloße Theorie.

Dafür sollen Frauen bitte zahlen

Doch die Tiroler SPÖ-Klubobfrau Elisabeth Fleischanderl folgt nun der widersinnigen Linie der ÖVP und springt ihrer Parteikollegin keinen Millimeter zur Seite. Es solle ein bedarfsgerechter, niederschwelliger und medizinisch qualitätsvoller Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen sichergestellt werden, das stehe ohnehin im Koalitionsübereinkommen, erklärten Fleischanderl und ÖVP-Klubobmann Jakob Wolf.

Doch genau das wäre erst dann der Fall, wenn Schwangerschaftsabbrüche in öffentlichen Spitälern kostenlos angeboten würden, so wie andere medizinische Leistungen auch. Doch die ÖVP-SPÖ-Koalition verkauft den Tirolerinnen, dass ein niederschwelliger Zugang allein durch den "niedergelassenen Bereich oder angekoppelt an eine ausgewählte öffentliche Einrichtung" möglich wäre.

Keine Rede auch von kostenfrei. Hinzu kommt, dass die Kosten gerade im niedergelassenen Bereich oft nicht transparent sind. Und "angekoppelt" ist insofern nicht niederschwellig, als bei eigenen Ambulanzen Frauen oft Sorge haben, dass sie dabei jemand sehen könnte. Sie haben noch immer Angst vor Verurteilungen.

Das ist wohl auch der Grund, warum in Tirol nur ein niedergelassener Arzt öffentlich angibt, Abtreibungen durchzuführen – und der steht kurz vor seiner Pensionierung. Vielleicht gibt es mehr, die Frauen wissen allerdings nichts von der Möglichkeit und müssen sich durchfragen – was wiederum bei fehlender Anonymität auf dem Land eine Zumutung ist. Es funktioniert also alles andere als gut mit dem Zugang zu Abtreibungen im niedergelassenen Bereich – trotzdem setzt die Tiroler Koalition darauf.

Niederschwelligkeit bringt Zwang?

Warum Frauen noch immer Angst vor Verurteilungen haben? Diese Frage beantwortet ÖVP-Klubobmann Wolf, der zwar zugibt, dass es "von der Struktur her Defizite" gebe. Gleichzeitig sagt er aber, dass "das Leben für uns einen hohen Stellenwert hat" und "keine Frau gezwungen sein soll, aus Existenzängsten eine Abtreibung vorzunehmen".

Das ist nicht nur moralisch-verurteilend und widersprüchlich, sondern auch völlig uninformiert. Die Motive für Abtreibungen sind vielfältig und haben längst nicht immer mit finanziellen Gründen zu tun. Und was hat ein Angebot mit Zwang zu tun? Versteckt sich dahinter die Annahme, man könne es Frauen nicht überlassen, selbst zu entscheiden? Dass sie allein durch ein Angebot "verführt" würden?

Schäbig ist auch die unter Abtreibungsgegner:innen verbreitete Unterstellung, Frauen, die abtreiben – sehr viele von ihnen haben bereits mehr als ein Kind –, würden "dem Leben keinen Stellenwert" einräumen. Welchen Stellenwert räumt die Tiroler Koalition dem Leben von Frauen ein, wenn man ihnen die Selbstbestimmung über ihr Leben weiterhin erschwert?

Es gibt keinerlei Logik im aktuellen politischen Kurs bezüglich Abtreibungen in Tirol – nur eine scheinheilige Moral. (Beate Hausbichler, 14.12.2022)