Bücher gehören zu den beliebtesten Geschenken. Ein gutes Weihnachtsgeschäft kann ein Jahr ins Plus drehen.

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An zwei Sätzen erkennt man dieser Tage einen Verleger. Der eine lautet, bis Weihnachten seien es noch "entscheidende eineinhalb Wochen", der andere beschwört, dass Bücher "immer noch beliebte und günstige Geschenke" seien. Beide repräsentieren die Hoffnungen der Branche auf ihre wichtigste Saison. Besonders in einem Jahr, das von Kostensteigerungen und zum Sparen angehaltenen Konsumenten geprägt ist. Ein Fünftel des Jahresumsatzes wird üblicherweise im Dezember gemacht. Wirtschaftlich schwere Zeiten können weihnachtliche Buchgeschenke sogar befeuern, weil Bücher billiger als Schmuck und Elektronik sind.

"Wenn es gelingt, die Verkäufe zu pushen, könnte es ein durchschnittlich erfolgreiches Jahr werden", sagt Gustav Soucek vom Hauptverband des österreichischen Buchhandels. Positiv stimmt ihn: Bis Anfang Dezember lag der heimische Buchmarkt sogar etwas über dem Vergleichszeitraum des Vorkrisenjahrs 2019. Damit geht es ihm besser als dem deutschen. Allerdings geht das vorläufige Plus von 2,5 Prozent auf eine leichte Preissteigerung zurück: Durchschnittlich 15,10 Euro kostet nun ein in Österreich verkauftes Buch. Die Zahl abgesetzter Exemplare ist hingegen rückläufig. Zudem mag der Preisanstieg im Umsatz geringere Stückzahlen aufwiegen – die Inflation und gestiegenen Produktionskosten kompensiert er nicht.

Wie also steht der Buchmarkt da? Ein Blick auf saisonale, krisenbedingte und strukturelle Baustellen.

Kurzfristigkeit Der Leykam-Verlag hat heuer mit dem Debütpreis des Österreichischen Buchpreises für Luftpolster von Lena-Marie Biertimpel einen schönen Erfolg eingefahren. "Papierpreise, Druckereipreise, Versandmaterialien, Lieferkosten", zählt seine Programmleiterin Tanja Raich die Kostensteigerungen auf. Dazu kommt noch die Anpassung der Gehälter. Nicht einfacher macht die Kalkulation, dass sich das Weihnachtsgeschäft immer mehr hin zum Fest verlagere. Sei ein Titel nicht mehr lieferbar, könne man als Verlag irgendwann nicht mehr nachliefern. "Wir haben deshalb von Haus aus mehr gedruckt", sagt Raich. Das steigert andererseits das Risiko, auf Titeln sitzenzubleiben.

Eines, das man aber eingehen muss. Denn Umsatz, der vor Weihnachten nicht gemacht wird, ist verloren. Und was nicht bis zum Ende der Weihnachtsferien, wenn noch Gutscheine eingelöst werden, verfügbar ist, liegt danach wie Blei in den Regalen angesichts der nachdrängenden Jänner-Erscheinungen.

Zuspitzung Es hilft aber nicht, wenn Bücher nur rechtzeitig im Regal stehen. Schon lange zeigt sich eine Zuspitzung am Markt. Bücher, die verschenkt würden, müssten topaktuell sein und sollten auf Bestseller- oder Empfehlungslisten vorkommen, sagt Soucek. Weil aber nicht nur die Kunden später kaufen, sondern auch Verlage ihre Herbstspitzentitel kürzer vor Weihnachten herausbringen, sei es momentan ein sehr kurzlebiges Bestsellergeschäft.

Zurückhaltung Engpässe bei Geld und Muße der Kunden lassen weniger Bestseller zu. Beim Verlag Zsolnay, der jedes Jahr einige Hits zählt, soll sich heuer nur "entweder eine rote oder schwarze Null" ausgehen, sagt Verleger Herbert Ohrlinger. "Es ist nicht die Zeit für anspruchsvolle Bücher." Selbst die Bestseller des Verlags hätten gegenüber denen aus den Vorjahren an Umsatz verloren. Sechsstellige Verkaufszahlen zu erreichen sei schwieriger geworden. Kaufzurückhaltung bemerkt er in breiten Gesellschaftsschichten. Da nimmt sich schon die Ankündigung eines neuen Daniel-Glattauer-Romans wie ein Weihnachtsgeschenk für den Verlag aus und wird auch Händler freuen.

Buchhandlungen Lange will sich nämlich keiner mit Blei plagen. Deshalb liegen Bücher immer kürzer in Läden auf. "Verschwinden Bücher aber nach vier Monaten aus den Regalen, haben sie keine Chance mehr", fasst Picus-Verleger Alexander Potyka die Beschleunigung der Branche zusammen. Als Präsident des österreichischen Verlegerverbands weiß er zudem, dass alle Verlage darunter leiden, dass Buchhändler "verhaltener einkaufen als früher". Das heißt, dass bestimmte Titel nicht mehr oder in kleineren Mengen eingekauft werden. So sieht er mittlerweile Vorteile im Onlinehandel, wo einige Jahre alte Bücher neben neuen Treffern stünden.

Vielfalt Dieses Problem haben Graphic Novels mit ihren längeren Verwertungszyklen nicht, kann sich Rudi Gradnitzer von Bahoe Books freuen. Sein Problem: Höhere Startkosten bei den aufwendigen Produkten und gestiegene Transportpreise würden Verlage in größere Auflagen drängen. Nur 300 Stück eines Titels zu drucken? Geht sich dann nicht aus. "Wenn man Comics unter eine Auflage von tausend Stück gar nicht mehr machen kann, schadet das der Vielfalt", sagt Gradnitzer. Bahoe Books wird 2023 notgedrungen weniger Titel führen, um ein paar größere Auflagen und deren höhere Lagerkosten zu finanzieren.

Konkurrenz Zu den Verlierern des Jahres gehören Sachbücher. Einst galten sie als langfristige Umsatzbringer, auch Titel früherer Jahrgänge waren noch gut fürs Geschäft. "Diese Umsätze brechen nun ein", sagt Waltraud Moritz vom Traditionshaus Böhlau. "Wir haben eine Backlist zu österreichischer Geschichte und Kunstgeschichte, auf die wir uns jahrelang verlassen konnten", das sei vorbei. Als Reaktion will sie sich auf wenige Neuerscheinungen fokussieren.

Stefan Schlögl, bei Molden fürs Sachbuch verantwortlich, sieht das Problem darin, dass heute zu vielen Themen viel mehr erscheine als früher. Zudem beackern Streamingdienste und Podcasts einst klassische Sachbuchthemen. Was tun angesichts der Konkurrenz? Kompakter und unterhaltender werden! "Leser müssen alles Wissen bekommen, aber so portioniert, dass man es in Zeiten des Informationsüberflusses leichter erfassen kann." Zugleich könnte man Bücher "digital weitererzählen" – mit Websites, auf denen man etwa Bildmaterial versammle. "Es kann vieles nicht mehr so weitergehen wie bisher", sagt er. (Michael Wurmitzer, 15.12.2022)