Alexis Nasard, seit Juli neuer Chef des Tiroler Kristallkonzerns Swarovski, hat seine in deutscher Sprache vorgetragenen Begrüßungsworte gut einstudiert. Obwohl seine Partnerin aus Kärnten komme, seien seine Deutschkenntnisse nicht ausreichend, um die neue Unternehmensstrategie vor den Journalisten in Wien zu präsentieren, sagt der 56-jährige gebürtige Libanese entschuldigend. Nasard ist der erste Chef, der nicht aus der Swarovski-Gründerfamilie kommt.

Aus gutem Grund: Auf Familienebene ist viel Kristall zerschlagen worden. Die vor knapp zwei Jahren von Ex-CEO Robert Buchbauer eingeleitete Strukturreform im Tiroler Konzern befand ein Schiedsgericht im September für rechtswidrig. Die Klage hatte eine Gruppe "oppositioneller" Familienmitglieder rund um den Tiroler IV-Präsidenten Christoph Swarovski und die Familie Manfred angestrengt, die rund 20 Prozent der Gesellschafter umfasst. Es ging um Streitigkeiten rund um den Standort Wattens, strategische Entscheidungen, rechtliche Strukturen. Nasard betont, dennoch arbeiten zu können. Die Mehrheit der Gesellschafter hat er hinter sich. Der Vorstand sei ebenfalls mit keinem einzigen Familienmitglied besetzt.

Alexis Nasard soll den Konzern zurück in die Gewinnzone führen.
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Die Transformation Richtung mehr Wettbewerbsfähigkeit und Professionalität sei im Interesse aller Beteiligten, so Nasard. Er soll den Kristallkonzern wieder zum Glänzen bringen, das bedeutet zuallererst zurück zur Profitabilität. Das peilt er in den "nächsten 18 Monaten an", sagt der Vorstandschef, der seit 4. Juli im Amt ist. Ab 2023 soll der Konzern, der weltweit 18.500 Mitarbeiter beschäftigt, wieder Gewinne abwerfen.

Auch Wattens betroffen

Wattens soll das Herzstück bleiben. Gut 3000 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Bleibt es dabei? Mitarbeiterabbau sei nicht im Plan, aber es könne sein, dass es dazu komme. Auch in Wattens. "Die Transformation trifft alle." Das schwierigste habe man bereits überstanden, ist Nasard überzeugt. Für gröbere Umbrüche hinsichtlich der Märkte hat die Pandemie gesorgt. China sei im Jahresvergleich um 28 Prozent geschrumpft, der US-Markt nimmt mittlerweile Platz eins ein und mache rund 20 Prozent des Gesamtgeschäfts aus.

Zurück zum Wachstum

Das heurige Jahr werde man mit einem Wachstum von zehn Prozent abschließen – das größte Plus seit 2015. Der Umsatz liege heuer bei 1,9 Milliarden Euro, "beim Gewinn sind wir noch nicht dort, wo wir hinmüssen", sagt der Manager, der im Lauf seiner Karriere beim Marktforscher Kantar, beim Schweizer Schuhhersteller Bata und beim Bierbrauer Heineken werkte. Lange Jahre bekleidete er zudem verschiedene Marketing- und Managementpositionen bei Procter & Gamble.

Weihnachtsbäume mit Swarovski-Glitzerschmuck gibt es nicht nur in Mailand: Hier einer im Rockefeller Center in New York.
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Mit Marketing kennt Nasard sich unverkennbar aus. Die Zielgruppe umreißt er unter anderem mit den Jessicas dieser Welt, die doppelt so viel Geld für schmückendes Beiwerk ausgeben wie Normalos, unabhängig vom Alter. Den Christbaum, geschmückt mit Swarovski-Glitzerwerk, in Mailand nennt er einen großen Brand-Moment. Neue Store-Konzepte, neue Produkte, neues Branding, all das mit stärkerem Fokus auf Luxus schwebt Nasard vor. Wobei er dabei an "Tradition, Kreativität, handwerkliches Können, Qualität und ein gewisses Maß an Seltenheit denkt. Zwei neue Flagshipstores werden 2023 eröffnet, 5000 Verkaufsstellen wurden zuletzt geschlossen.

Eskapaden der Familie im Vordergrund

Dass all das reichen wird, denkt Klaus-Dieter Koch von Brandtrust nicht und erinnert an vergangene Vorstöße Richtung mehr Luxus. Swarovski habe es geschafft, geschliffenes Glas zu Kristall zu erklären. "Aber Glitzern alleine reicht nicht", ist der Markenexperte überzeugt. Swarovski sei "eine Aufsteigermarke für Menschen, die ihren Aufstieg zeigen wollen". Eine Luxusmarke brauche ikonische Designs, technologische Spitzenleistungen. All das fehle. Das Hauptproblem verortet er darin, "dass die hundertprozentige Kontrolle der Marke fehlt und die Eskapaden der Familie im Vordergrund stehen".

Zudem setze man zu sehr auf Kooperationen, urteilt Koch: "Luxus bedeutet auch Nein zu sagen. Swarovski sagt zu allem ja, weil Kooperationen eben auch nicht viel kosten." (Regina Bruckner, 15.12.2022)