In manchen US-Bundesstaaten sind Abtreibungspillen in der Drogerie erhältlich. Anderswo steht ihre Weitergabe unter strenger Strafe. Diese Gesetze wollen Republikaner nun verstärkt umsetzen.

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Gerade noch war es eines der großen Themen bei den US-Midterm-Wahlen: die Abtreibung in den USA und das Supreme-Court-Urteil im Fall "Dobbs v. Jackson Women's Health Organization" – jenes Urteil also, das die Entscheidung im Fall "Roe v. Wade" aus dem Jahr 1973 aufhob und damit das Recht auf Abtreibung in den USA aushebelte. Bundesstaaten dürfen seither Schwangerschaftsabbrüche wieder verbieten, rund ein Dutzend – vor allem im Süden des Landes – hat das auf Basis neuer oder bereits bestehender Gesetze schon getan, mehrere weitere wollen folgen.

Politisch hat das den Republikanern, die sich radikal gegen Abtreibungen einsetzen, geschadet. Rund sechs von zehn Wählerinnen und Wählern äußerten laut Exit-Polls "Unzufriedenheit oder Wut" über das Urteil des Höchstgerichts, viele gaben es als Grund an, überhaupt zu den Urnen gegangen zu sein. In mehreren – auch konservativen – Bundesstaaten nahm eine Mehrheit Referenden an, in denen das Recht auf Abtreibung geschützt werden sollte.

Spuren im Abwasser

Jetzt, wo die Wahlen vorbei sind, wollen erzkonservative Gruppen dennoch weitere Verschärfungen durchsetzen. Wie die "Washington Post" berichtet, hat sich eine Organisation namens Students for Life in America mit neuen Forderungen zu Wort gemeldet. Die 1988 gegründete Gruppe besteht nach eigenen Angaben aus rund 2.000 Schülerinnen und Schülern im ganzen Land, die sich gegen Schwangerschaftsabbrüche einsetzen.

Tatsächlich ist allerdings unsicher, wie sehr die Gruppe noch von Jugendlichen getragen wird: Der Vorwurf, es handle sich um eine sogenannte Astroturfing-Gruppe, steht im Raum. Astroturfing bezeichnet unter Verweis auf einen Markennamen von Plastik-Kunstgras falschen Graswurzel-Aktivismus, also solche Gruppen, die professionell geführt werden, aber so tun, als würden sie aus dem Volk entspringen.

Sie will bei ihrem Kampf gegen die Abtreibung nun auf einen Aspekt der US-Gesetzgebung setzen, der für amerikanische Konservative sonst eine eher untergeordnete Rolle spielt: die Umweltgesetzgebung. Ihr Argument: Abtreibungspillen, die auch in Staaten mit formellen Verboten weiter – illegal – eingesetzt werden, würden das Abwasser belasten und so zu möglichen Problemen im Wasserkreislauf und der Trinkwasserversorgung führen. Das Argument wird von der Wissenschaft zurückgewiesen. Forschende stimmen zwar zu, dass Medikamentenbelastung im Abwasser ein tatsächliches Problem sei, messen den Abtreibungspillen dabei aber gegenüber anderen Medikamenten keine außergewöhnlich große Rolle zu.

Wenig Chancen, schwerwiegende Folgen

Den von der Gruppe angestrengten Prozessen werden aus diesem Grund, wie das Portal "Politico" berichtet, keine großen Chancen gegeben. Allerdings könnte der Fokus auf das Thema die öffentliche Meinung beeinflussen. Students for Life in America will es jedenfalls am Köcheln halten – und plant dafür nun auch Labore zu engagieren, um die gewünschten Daten zu erhalten. Sollte die Gruppe doch vor Gericht Erfolg haben, würde das große Folgen für die Verfügbarkeit von Abtreibungspillen in den gesamten USA haben.

Gegen die Versendung von Abtreibungspillen wollen unterdessen mehrere republikanisch geführte Bundesstaaten nun Ernst machen. In Texas wollen konservative Abgeordnete Netzsperren für Internetseiten erreichen, auf denen die Medikamente bisher bestellt werden können – und auch für solche, auf denen Informationen über die Medikamente angeboten werden. Vorbild sollen schon bestehende Netzsperren für Seiten sein, die kinderpornografisches Material anbieten.

Hoffen auf den Präsidenten

Außerdem soll juristisch härter gegen jene vorgegangen werden, die Frauen bei Abtreibungen helfen – ihnen also etwa Zugang zu Medikamenten ermöglichen. Diesen drohen, anders als den direkt betroffenen Frauen, gesetzlich schon bisher mehrjährige Haftstrafen. Bis dato hat es in dieser Angelegenheit allerdings noch kaum Verurteilungen gegeben, auch deshalb, weil sich die Hilfsangebote für die Behörden nur schwer hinreichend rückverfolgen lassen.

In dem Fall, dass ein republikanischer Kandidat 2024 die Präsidentenwahl gewinnt, erwarten sich die Abtreibungsgegner aber auch in dieser Angelegenheit Hilfe. So könnte ein konservativer Präsident etwa die von der Bundesregierung kontrollierte Post anweisen, genauer hinzusehen. (mesc, 15.12.2022)