Eine Visualisierung des Konzepts der quantenphysikalischen Verschränkung: Auch entfernte Objekte können so miteinander verbunden bleiben.
Bild: ÖAW/Harald Ritsch

Von La Palma nach Teneriffa, von Wien nach China wurden bereits Quantenübertragungen realisiert. Federführend war dabei oft der frischgekürte Nobelpreisträger Anton Zeilinger. Dagegen klingt die Quantenleitung zwischen St. Pölten und Bratislava beinahe wie eine Regionalstrecke. Dennoch handelt es sich um einen Weltrekord, der zu Recht als Meilenstein gefeiert wird.

Auch bei dem neuen Experiment ist der Name Zeilinger nicht weit. Die Experimente gehen auf das Konto von Forschenden des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, das Zeilinger 2003 gründete.

Ziel war nicht allein der Distanzrekord, sondern die Erstellung eines Knoten in einem Quanten-Datennetzwerk namens Quapital, das einmal Zentraleuropa mit Quantenleitungen verbinden soll. Die Ergebnisse des erfolgreichen Experiments wurden nun in den Fachjournalen "Nature Communications" und "Quantum" publiziert.

Ein zentraler Sender in Wien schickte dabei über mehrere Tage stabil verschränkte Lichtteilchen nach St. Pölten und Bratislava. An den Destinationen wurden diese registriert und so geprüft, ob sie nach wie vor verschränkt waren. Eine Übertragungsrate von neun verschränkten Teilchen pro Sekunde konnte über einen Zeitraum von 110 Stunden aufrechterhalten werden.

Die Schwierigkeit bei solchen Datenübertragungen liegt darin, dass die Informationen nicht wie bei konventionellen Datenleitungen einfach ausgelesen und verstärkt werden können, wie Sebastian Neumann, der Erstautor der Publikation, erklärt: "Im Unterschied zum 'normalen' Internetsignal können Quantenzustände nicht auf dem Weg ausgelesen und verstärkt werden. Dadurch werden die Leitungsverluste zu einem Problem, weil nur etwa jedes hundertmillionste weggeschickte Photonenpaar auch tatsächlich an den Detektoren ankommt." Die Unmöglichkeit des Auslesens und Kopierens von Quantenzuständen lässt sich übrigens mittels eines eigenen "No Cloning"-Theorems theoretisch beweisen.

Störungsempfindlich und abhörsicher

Diese Schwierigkeit macht allerdings gerade den Reiz der Quantenleitungen aus. Ein weitgehend ausgereiftes Konzept ist die abhörsichere Übertragung von Daten mit Quantenzuständen. Daten, die nicht einfach abgehört und irgendwo abgelegt werden können, sind für Bereiche, in denen Sicherheit wichtig ist, interessant.

Der Grund für die Schwierigkeit liegt in der besonderen Natur der Quantenphysik, die der Beobachtung eines Zustandes große Bedeutung beimisst. Eine Beobachtung, etwa das Abhören, kann nie einfach vernachlässigt werden, sondern hat merkbare Folgen – merkbar für Empfänger und Sender sensibler Nachrichten. Konkret sollen mit Quantenleitungen künftig Schlüssel übertragen werden. Im Fall einer ungestörten Übertragung kann der Schlüssel gefahrlos für konventionelle Verschlüsselung verwendet werden, weil seine Vertraulichkeit garantiert ist.

Eine Illustration des Konzepts der Quantenverschlüsselung.
Foto: APA

Das Verfahren macht Gebrauch von "verschränkten" Teilchen, die trotz der räumlichen Trennung von fast 250 Kilometern miteinander verbunden bleiben – ein Zustand, den Einstein einst als "spukhafte Fernwirkung" bezeichnete, der aber später von den beiden Nobelpreisträgern Clauser und Aspect, mit denen Zeilinger seinen Preis teilte, tatsächlich nachgewiesen werden konnte.

"Quantenverschränkung ermöglicht es, sogenannten korrelierten Zufall zu erzeugen", erklärt Rupert Ursin, der wissenschaftliche Leiter des Projekts. "Das ist, als ob zwei Münzen, die an verschiedenen Orten – in unserem Fall St. Pölten und Bratislava – geworfen werden, stets auf dieselbe Seite fallen." Eine so gewonnene abhörsichere Zufallszahl ist ideal für die Verwendung als Schlüssel.

Glasfasern als Leitungen

Entscheidend ist, dass für die Übertragung normale Glasfaserleitungen verwendet wurden, wie sie auf der ganzen Welt für superschnelle Datenübertragungen etabliert sind. Quantensysteme sind enorm sensibel für Störungen, weshalb es normalerweise Spezialequipment braucht.

Die physikalische Logik hinter dieser Sensibilität: Jede Interaktion mit der Umgebung erlaubt es, etwas über das Quantensystem zu erfahren und ist damit gleichbedeutend mit einer Messung, die das System verändert und Verschränkung zerstört. Nur besonders gut abgeschirmte Lichtteilchen können auch über große Distanzen verschränkt bleiben. Eine Glasfaserleitung ist in der Lage, die Abschirmung, die in Laboren oft durch Vakuumkammern realisiert wird, in der Praxis ausreichend zu gewährleisten.

Mit der neuen Rekordübertragung rückt so auch die Idee eines abhörsicheren Quanteninternets einen Schritt näher. (Reinhard Kleindl, 16.12.2022)