Die Ökonomin Carmen Treml und ihr Kollege Jan Kluge, beide vom liberalen Thinktank Agenda Austria, schreiben in ihrem Gastkommentar über die Sinnhaftigkeit des G7-Klimaklubs.
Niemand mag Ökonominnen und Ökonomen. Verständlich. Schließlich sind sie es, die jeden Tag die luftigen Versprechungen von Politikern und Kammerfunktionären in ihre Taschenrechner hämmern und dabei fast immer rote Zahlen herausbekommen. Außerdem befassen sich Ökonominnen und Ökonomen mit der Wirtschaft, und die Wirtschaft ruiniert bekanntermaßen das Klima. Ökonomie und Ökologie sind ein unüberbrückbarer Widerspruch. Das weiß nun wirklich jedes Kind.
Doch wer dem Kindesalter entwachsen ist, der könnte feststellen, dass diese simple Weltsicht zum Glück grundfalsch ist. Ökonominnen und Ökonomen haben sich schon mit der Umwelt beschäftigt, als es noch nicht cool war. Schon in den 1960ern arbeitete Ronald Coase an den Grundlagen für den heutigen Emissionszertifikatehandel und bekam dafür 1991 den Wirtschaftsnobelpreis. William Nordhaus – ein weiterer Nobelpreisträger – befasste sich ebenfalls schon lange vor Kioto mit dem Klima. Auf ihn geht auch die Idee eines Klimaklubs zurück. Einen solchen will die G7 nun gegründet haben. Doch hat sie das wirklich?
Nur zwei Möglichkeiten
Das Konzept ist eigentlich ganz simpel: Eine Gruppe von Ländern verpflichtet sich zu scharfen Klimaschutzmaßnahmen und gründet dafür einen Klub. Innerhalb des Klubs gibt es zum Beispiel CO2-Steuern oder Emissionszertifikate, die die Produktion teurer machen. Um die dadurch entstehenden Wettbewerbsnachteile zumindest auszugleichen, werden Drittstaaten im Gegenzug empfindliche Handelssanktionen auferlegt. Jedes Land der Welt hat nun zwei Möglichkeiten: in Kauf nehmen, dass die Sanktionen die eigenen Produkte für Konsumenten im Klimaklub verteuern, oder sich ebenfalls zu Klimaschutzmaßnahmen verpflichten und dem Klub beitreten. Wer das Versprochene nicht einhält, fliegt raus.
Doch auf den entscheidenden letzten Teil wurde leider vergessen. Der diesjährige G7-Gastgeber, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, versteht den Klub eher als "inklusiv". Auch China sei herzlich eingeladen. "Zollkriege" wolle man aber lieber nicht. Wenn Sozialdemokraten doch nur immer solche Freihandelsfans wären! Es ist wirklich zum Haareraufen: Da schlagen Ökonominnen und Ökonomen ein Mal Zölle vor, und dann will sie keiner.
Handelssanktionen sind aber das Herz eines Klimaklubs. Jede Art von Klub kann nur funktionieren, wenn der Zutritt an strenge Bedingungen geknüpft ist, eine Mitgliedschaft aber deutliche Vorteile bringt. Die Aufnahmekandidaten müssen von außen neidisch die Nasen an die Scheiben drücken und nichts lieber wollen, als die Kriterien zu erfüllen. China würde dann nichts anderes übrigbleiben, als bald beizutreten oder – und auch das wäre im Sinne des Weltklimas völlig in Ordnung – einen eigenen Klimaklub zu gründen. Über die herzliche Einladung der G7 dürfte man in Peking aber nur müde gelacht haben.
Was da gerade entstehen soll, ist also leider nur ein weiteres Format, in dem viel versprochen, aber wenig gehalten wird. Ein Auffangbecken für abgehalfterte Spitzenpolitiker, die ihren Lebensabend damit verbringen können, ihre besorgten Gesichter in Kameras zu halten und abgedroschene Phrasen vom Stapel zu lassen. Das Projekt ist fehlkonstruiert und wird sich am eigenen Misserfolg genauso abnutzen wie die Weltklimakonferenzen.
Doch Olaf Scholz ist nicht der Einzige, der in seiner Rolle als Gastgeber noch vor Jahresende etwas Zählbares für die Medien braucht. Auch die tschechische EU-Ratspräsidentschaft muss vor Weihnachten noch etwas abliefern.
Und so kam es, dass diese Woche gleich noch ein zweites ökonomisches Herzensprojekt ins Leben gerufen wurde: In der EU soll es in Zukunft einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus geben. Güter aus Drittstaaten sollen künftig virtuell in den europäischen Zertifikatehandel eingebunden werden und verteuern sich damit entsprechend. Das ist genau der Mechanismus, der beim Klimaklub der G7 fehlt. Bis zur tatsächlichen Einführung sind allerdings noch dicke Bretter zu bohren. Welche Güter sollen am Ende von dem Mechanismus umfasst sein? Wie muss der europäische Zertifikatehandel angepasst werden? Auch die WTO hat noch Fragen.
Haarsträubende Aussicht
Bei aller Kritik: Die beiden Projekte zeigen, dass man spätestens nach dem neuerlichen Fiasko bei der gerade in Sharm el-Sheikh abgehaltenen Weltklimakonferenz gelernt hat, dass die Zeit für freiwillige Einsparziele längst vorbei ist. Insbesondere die Schwellenländer – allen voran China – wird man über Verhandlungen nicht mehr an Bord holen können. Auch weil der Westen zu oft hinter seinen eigenen Versprechungen zurückbleibt. Nun braucht es etwas Handfesteres. Ein echter Klimaklub, für den die G7 ja durchaus das richtige Format wäre, würde auch China zwingen, Maßnahmen für den Klimaschutz zu setzen. Der Grenzausgleichsmechanismus geht immerhin in diese Richtung.
Auch Österreich könnte sich dann übrigens nicht länger darauf hinausreden, dass man ja nur für 0,2 Prozent der Weltemissionen verantwortlich sei. Wie alle europäischen Länder würden wir dem Klub sofort beitreten wollen und wohl auch dürfen. Dann wieder hinauszufliegen wäre für die heimische Industrie eine haarsträubende Aussicht. (Jan Kluge, Carmen Treml, 16.12.2022)