Zu sehen sind hier die verschiedenen Arten von Elektroschrott, die bei den Forschungsarbeiten an der IMC FH Krems zur Anwendung kommen.

Foto: Wadith Rassy

Sie finden sich in Smartphones, Computern oder Energiesparlampen: Seltene Erden sind besondere Metalle, die für die Herstellung elektronischer Geräte benötigt werden. Sie sind auch ein wichtiger Bestandteil von Elektromotoren. Ihre Bezeichnung ist insofern missverständlich, als dass sie gar nicht so selten sind – sie kommen allerdings nur in kleinen Mengen vor, und größere, wirtschaftlich rentable Lagerstätten sind spärlich gesät. Zudem ist ihre Gewinnung aufwendig, und aktuell dominiert China die weltweite Produktion.

Weil mit dem technologischen Fortschritt jedoch der Bedarf rasant steigt, will die Europäische Union, um Engpässe zu vermeiden, die heimische Produktion in Gang bringen. Aber auch die Frage des Recyclings wird immer drängender. Das wird in geringem Ausmaß auch schon durchgeführt, ist jedoch teuer und es kommen dabei giftige Chemikalien zum Einsatz.

Jahrelange Forschung

Wie es gelingen kann, seltene Erden auf umweltschonende Art und Weise zu recyceln, damit beschäftigen sich seit einiger Zeit Forschende der Fachhochschule Krems. Für das Recycling setzen sie Mikroorganismen wie Bakterien und Algen ein. Unter bestimmten Bedingungen können diese nämlich seltene Erden in ihre Zellen aufnehmen.

"Bevor wir damit vor acht oder neun Jahren begonnen haben, war das bloß eine Notiz am Rande wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Ein paar Kolleginnen und Kollegen war aufgefallen, dass es passiert, aber keiner hat spezifiziert, was da genau passiert", erklärt Dominik Schild, Professor am Institut Biotechnologie der IMC FH Krems. Eine Zeitlang habe zudem Unsicherheit hinsichtlich der Frage bestanden, ob die Metalle wirklich aufgenommen werden oder "nur an der Oberfläche haften".

In einem vierjährigen Projekt namens REEgain, das im Juni abgeschlossen wurde, konnten die Forschenden schließlich demonstrieren, dass das Verfahren tatsächlich funktioniert. Kooperationspartner bei dem Projekt waren die Tschechische Akademie der Wissenschaften, die Donau-Universität Krems und die Karl-Landsteiner-Privatuniversität. Der Großteil der Fördergelder kam von der EU.

Zerkleinerte Elektroteile

Das Recycling funktioniert so: Der Elektroschrott kommt grob zerkleinert zu den Forschenden. "Er sieht aus wie eine Mischung aus grobem hellem und dunklem Sand. Der helle Teil ist Keramik, mit dem können wir nicht viel anfangen. Der schwarze Teil jedoch enthält die gesamten Metalle und ist auch magnetisch. Es ist für uns relativ leicht, sie mithilfe von Magneten abzutrennen. Damit arbeiten wir dann."

Zunächst wird der schwarze Sand in Salpetersäure aufgelöst. Diese sei grundsätzlich zwar nicht gerade umweltfreundlich – es werde jedoch nicht viel benötigt, und am Ende des Prozesses bleibe nichts mehr davon übrig. Die Säure geben die Forschenden dann in eine Lösung, in der auch die jeweiligen Organismen enthalten sind, also zum Beispiel Algen, Pilze oder Kolibakterien.

Die Fermentation dauert je nach Organismus zwischen rund zwei Tagen und drei Wochen. Das Ergebnis ist die Biomasse eines Organismus, in dem die seltenen Erden konzentriert enthalten sind. Um sie schließlich wieder aus den Organismen herauszulösen, werden die Zellen mechanisch aufgebrochen. Bei der abschließenden Fraktionierung der unterschiedlichen Bestandteile erhalten die Forschenden die gefragten Metalle.

Andere Metalle

Ein Problem seien derzeit noch die anderen Metalle, die in dem zerkleinerten Elektronikschrott enthalten sind. "Vor allem Kupfer und Eisen stören den Prozess", meint Schild. "Wir sind dabei, uns zu überlegen, wie man sie loswird." Ein Lösungsansatz, den das Kremser Team gerade gemeinsam mit dem Institute for Science and Technology verfolgt, ist, die Organismen gegen diese Metalle resilienter zu machen. "Wenn ich Organismen daran gewöhnen kann, dass es hohe Kupferkonzentrationen gibt, dann sind sie nicht so empfindlich, wenn sie in dieser Suppe arbeiten müssen", sagt Schild.

Seltene Erden auf umweltfreundliche Art und Weise recyceln: Daran arbeitet der Biotechnologe Dominik Schild (links) gemeinsam mit anderen Forschenden.
Foto: FH IMC Krems

Ein anderer Lösungsansatz wäre womöglich das "Bioleaching", durch das die ungewollten Metalle mittels Mikroorganismen abgelöst werden könnten. Daran wird gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur Wien gearbeitet.

Co-Kultivierung

Um das Verfahren weiter zu verbessern, forscht das Team auch an der sogenannten Co-Kultivierung. Dabei geht es darum, unterschiedliche Organismen, die sich symbiotisch verhalten, zusammenzubringen. Konkret sollen photoautotrophe Organismen gemeinsam mit heterotrophen Organismen kultiviert werden. Photoautotrophe Organismen, etwa Algen, nehmen Kohlendioxid aus der Luft auf und wandeln es mithilfe von Licht in andere Produkte um. Davon können dann heterotrophe Organismen wie zum Beispiel Kolibakterien leben und wachsen.

Derzeit sei es für Unternehmen noch nicht rentabel, die seltenen Erden zu recyceln, wie der Biotechnologe erklärt: "Die Menge, die sie aus einer Tonne Elektronikschrott, die sie verarbeiten müssten, herausbekommen, ist einfach viel zu gering." Das könnte sich aber in Zukunft ändern, vermutet er. Würden die seltenen Erden in größerem Stil durch die Mikroorganismen konzentriert und aus diesen alle paar Monate entnommen, "hätte man eine Rückgewinnungsmöglichkeit".

Im Labor, im kleinen Maßstab, sei nun jedenfalls gezeigt worden, dass das Prinzip funktioniert. Zu klären sei nun: In welchem Zustand ist der Elektroschrott? Wie verunreinigt ist er? Wie viele Schritte braucht man zur Reinigung und zur Reduktion? Aber auch: Wie effizient lässt sich der Prozess gestalten? Und wie stark müssen die Mikroorganismen aufeinander abgestimmt werden? "Das sind die Fragen, die wir uns aktuell stellen", sagt Schild. Etwas, das ganz typisch für seine Forschung sei: Wenn eine Frage geklärt sei, tauchten gleich mehrere neue auf. (Lisa Breit, 16.12.2022)