Die Linzer Malerin und Keramikkünstlerin Waltraud Goffitzer-Thalhammer wohnt in einem Setzkasten ihres eigenen Lebens. Obwohl sie klein ist, wie sie selbst sagt, hat sie ein großes Ausdehnungsbedürfnis. In wenigen Tagen wird sie 80.
"Glauben Sie mir, ich könnte untergehen in Büchern, aber das ist zum Glück nicht der Fall. Denn wann auch immer man übersiedelt, weiß man, dass man weise sein und aussortieren muss, und dann schmeißt man Bücher weg oder schenkt sie her, und dann weint man. Und irgendwann einmal, Jahre später, kommt der Zeitpunkt, da sucht man ein ganz bestimmtes Buch, und dann erinnert man sich, dass man es damals aussortiert und dabei geweint hat, und dann weint man wieder. Ein Teufelskreis! Aber es hilft nichts, es muss sein.
Da bin ich also mit dem mittlerweile recht kompakten, zusammengeschrumpften Bücherschatz, runterreduziert auf die wirklich wichtigsten Bücher, die mich prägen und begleiten. Und wo noch Platz ist, da ist Platz für Kunst – für wunderschöne Sachen aus aller Welt, für Vasen, Figuren, Keramik, Katzen, Muscheln, Steine, Stoffkamele, getrocknete Artischocken, ehemalige Lieblingsschuhe und chinesische Holzschnitzereien von diversen Reisen. Wenn ich davorstehe und in die Regalfächer hineinschaue, ist es, als würde ich mein Leben noch mal Revue passieren lassen. Ich liebe dieses Bücher- und Kunstregal, es ist ein Setzkasten meines Lebens.
Ich bin schon so oft umgezogen! So viele Wohnungen, so viele Lebensabschnitte! Und so unterschiedlich meine Männer und Lebensgefährten waren, so unterschiedlich waren auch die Möbel, Häuser, Wohnungen. Zu den sicherlich wichtigsten Partnern meines Lebens gehören Günter Praschak, der Keramiker, Friedrich Goffitzer, der Architekt, und zuletzt Sebastian Wagner, der Fotograf. Sie können sich vorstellen, dass diese Männer und ihre Talente und Interessen Spuren hinterlassen haben! In gewisser Weise, glaube ich, haben sie mich alle geprägt. Das sieht man in der Wohnung, im Atelier und – wer weiß – vielleicht auch in meiner eigenen Kunst.
Nach dem Tod vom Wagner dachte ich mir: Jetzt ist Zeit für Veränderung. Durch Zufall – auf einer Reise nach Venedig – habe ich zwei Architekten kennengelernt, den Gunar Wilhelm und die Sandra Gnigler, die mir erzählt haben, dass sie soeben ein altes, denkmalgeschütztes Haus aus dem 16. Jahrhundert gekauft haben und es nun sanieren und aufstocken wollen, und das mitten in Linz. Da bin ich hellhörig geworden!
Also habe ich beschlossen, mein Haus am Pöstlingberg zu verkaufen, aber ja nicht an einen dieser gierigen Investoren und Immobilienentwickler, die nur in Abriss und Quadratmetern denken! Das wollte ich dem Goffitzer nicht antun. Dem hätte sich vor Wut noch die Asche in der Urne umgedreht!
So bin ich also zu dieser Wohnung hier gekommen. Sandra und Gunar sind großartige Architekten, sie beherrschen Raumkompositionen und materielle Details, nur in die Farben habe ich mich selbst eingebracht. Und in den Möbeln, denn bei mir muss alles ein bissl kleiner, niedriger sein. Ich bin ja nur 1,50 groß, wenn man mich an beiden Enden auseinanderzieht, und mit jedem Jahr schrumpft man um ein paar Millimeter.
Auch ein paar alte Möbel vom Goffitzer hab ich noch, die er selbst entworfen hat. Das waren noch Möbel! Robust und zugleich poetisch, langlebig, bequem, nicht umzubringen im Design.
Meine Wohnung hat 90 Quadratmeter, daneben befindet sich ein Atelier mit weiteren 80 Quadratmetern. Ich bin zwar eine winzig kleine Person, habe aber ein ausgeprägtes Ausdehnungsbedürfnis. Und ich habe überdurchschnittlich viele Dinge. Es geht um Ästhetik, um Freude an der Schönheit, Erinnerungen an Reisen, Menschen, Erlebnisse. Eine Sache, die betrachtet wird, gibt dem Betrachter auch etwas zurück.
Aber man kann ja das ganze Zeug nicht ins Grab mitnehmen, also habe ich begonnen, ein paar Sachen meiner Familie und ganz lieben Freunden zu schenken. Mein Wunsch für die Zukunft: Ich will fit bleiben und weiterarbeiten und eines Tages gesund sterben. Denn eines habe ich in den letzten 80 Jahren gelernt: Je älter man wird, desto lieber lebt man." (PROTOKOLL: Wojciech Czaja, 19.12.2022)