2,7 Kilo Pute isst ein Österreicher im Schnitt im Jahr. 2009 waren es noch 3,5 Kilo.

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Wien – Der Skandal rund um einen steirischen Geflügelmäster, der seine Hühner im Stall brutal überfuhr, dürfte nicht der einzige bleiben. Der Verein gegen Tierfabriken hat gegen weitere zwei Betriebe in der Region Anzeigen wegen Tierquälerei erstattet. Anfang der Woche ans Licht gekommene Missstände führten dazu, dass der davon betroffene Betrieb vorerst behördlich gesperrt ist. Vom Gütesiegelprogramm der Agrarmarkt Austria (AMA) wurde er umgehend ausgeschlossen.

Die AMA stellte in einer Kontrolle keine erhöhte Mortalitätsrate der aktuell gemästeten Küken fest. Sie sieht aber Luft nach oben bei täglichen Kontrollgängen durch Stallungen und im Bereich der Ruhephasen. Als direkte Konsequenz auf verstörende Einblicke in die Geflügelmast verspricht AMA-Marketing-Chef Michael Blass Schwerpunktaktionen und sogenannte Spot-Audits zu ungewöhnlichen Zeiten.

Auch müssten die engmaschigen Kontrollen verschiedener Stellen besser vernetzt werden. Zudem regt Blass eine breite Diskussion an, wie man mit Ansprüchen an Landwirte umgehen solle, ohne die Geflügelhaltung in Österreich zu gefährden. Trotz aller Betroffenheit dürften Betriebe nicht unter Generalverdacht gestellt werden.

Putenmäster schlagen Alarm

In der Bredouille sieht sich derzeit auch die österreichische Putenwirtschaft. Der Auslöser dafür ist jedoch ein anderer. Sie hat sich zu deutlich höheren Standards verpflichtet, als die EU sie vorgibt. Statt 70 Kilo Pute auf einem Quadratmeter sind hierzulande nur 40 Kilo erlaubt, bei Bio 21. Gefüttert wird ohne Gentechnik, der Einsatz von Antibiotika hat sich seit 2014 um 65 Prozent reduziert.

Strengere Vorgaben schlagen sich naturgemäß auf die Kosten nieder. Ein Kilo Putenbrust kostet folglich in Österreichs Handel aktuell gut 16 Euro und damit um sechs Euro mehr als importiertes Fleisch. Angesichts der starken Inflation üben sich Konsumenten in Kaufzurückhaltung.

Der Lebensmittelhandel sortiert heimische Puten daher zusehends aus und ersetzt sie durch internationale Ware, klagt Georg Strasser, Präsident des Bauernbundes.

Noch düsterer sieht es für Putenmäster in der Gastronomie aus. 92 Prozent des Fleisches ihrer Tiere im Großhandel stammt nicht aus Österreich. Bei verarbeiteten Produkten macht der Österreich-Anteil nur sechs Prozent aus, zieht Markus Lukas, Obmann der Geflügelbranche, nach einem Regionalitäts-Check Bilanz. Mäster seien daher gezwungen, nach Polen zu exportieren und stellten in ihren Ställen ein Fünftel weniger Puten ein. "Wir riskieren, Betriebe zu verlieren." (Verena Kainrath, 16.12.2022)