Das Jahr neigt sich dem Ende zu – und möglicherweise auch die Geschicke des E-Scooter-Leihanbieters Bird. Dieser machte vor einigen Wochen mit finanziellen Turbulenzen Schlagzeilen. Ein allgemein schwieriges Marktumfeld, aber auch jahrelang fehlerhafte Bilanzen durch Falschberechnung von Fahrten mit Prepaid-Guthaben veranlassten die Firma dazu, eine Warnung zu veröffentlichen. Das einst von Investoren gehypte Unternehmen könnte bald vor dem Aus stehen.

Bird rechnet aber auch damit, dass andere Verleiher bald in ähnlichen Problemen stecken könnten. Und ganz allgemein rechnen Analysten damit, dass sich der Markt schon in den kommenden Monaten konsolidieren könnte. Das und die Inflation verheißen nichts Gutes für die ohnehin seit Jahren stark gestiegenen Preise für Entsperrung und Fahrzeit, was die Anschaffung eines eigenen E-Scooters zu einer attraktiveren Option macht.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Eine solche liefert auch der chinesische Anbieter Eleglide mit dem Modell Coozy. Es verspricht ordentliche Leistungswerte, hohen Fahrkomfort und umfangreiche Feature-Bestückung mit starkem Preis-Leistungs-Verhältnis. Online ist er für 550 bis 600 Euro zu haben. DER STANDARD hat den Roller getestet und dabei auch eine interessante Rechtsauskunft erhalten.

Ausstattung

Die Spezifikationen des Eleglide Coozy sehen auf dem Papier durchaus überzeugend aus. Der Roller bietet eine nominelle Motorleistung von 350 Watt, die Höchstleistung wird mit 540 Watt beziffert. Gepaart mit dem 450-Wh-Akku soll sich daraus eine Reichweite von bis zu 50 Kilometern ergeben. Dazu kommen großes Trittbrett, 10-Zoll-Luftreifen und ein mechanisches Dämpfsystem über dem Vorderrad, die hohen Fahrkomfort garantieren sollen. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 25 km/h – zumindest ab Werk. Doch dazu später mehr.

Neben dem obligatorischen Front- und Rücklicht nebst Reflektoren gibt es bei diesem Scooter auch in den Lenker integrierte Seitenblinker. Die Scheibenbremse am Hinterrad wird von einer automatischen elektronischen Bremse ergänzt. Die maximale Nennlast wird mit durchaus üppigen 120 Kilogramm beziffert.

Aufbau und Basics

Praktisch macht der Scooter schon beim Zusammenbau einen robusten Eindruck. Um ihn startklar zu machen, reicht es, den Lenker mittels vier Schrauben an der Lenkstange zu fixieren. Im Lieferumfang sind neben dem passenden Inbusschlüssel auch noch vier Ersatzschrauben und ein Pumpenadapter.

Eleglide hat bei der Umsetzung des Scooters auf freiliegende Kabel verzichtet, wie man sie sonst oft am unteren Ende der Lenkstange sieht. Die einzige Ausnahme bilden die Enden des Bremsstranges. Der Rest läuft durch den Lenker in einem Strang, der an der Beuge, in der er unter das Trittbrett verläuft, von einer Metallummantelung geschützt wird. Zu sehen ist diese freilich nur, wenn man die Lenkstange für einfachen Transport umklappt.

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Der dazu genutzte Mechanismus ist simpel und zuverlässig gehalten: Man drückt einen Entsicherungsknopf und legt dann einen Hebel um, mit dem die Sicherung der Lenkstange gelöst wird. Diese kann dann – leicht seitlich versetzt – am Spritzschutz des Hinterrads eingehängt werden. Der manuelle Transport des Coozy verlangt dem Nutzer allerdings eine gewisse Sportlichkeit ab, denn der im aufgeklappten Zustand 113 Zentimeter lange, 121 Zentimeter hohe und 54 Zentimeter breite (Lenkstange) Roller wiegt fast 19 Kilogramm. Abgestellt werden kann er mithilfe eines ins Trittbrett integrierten, allerdings etwas schmal geratenen Ständers.

Das recht hohe Gewicht ergibt sich nicht nur aus dem Akku und der stabilen Verarbeitung, sondern durch das angenehm große, gummierte Trittbrett. Direkt darüber findet man den mittels "Pfropfen" verdeckten Ladeanschluss. Das ermöglicht bequemeres Einstecken, zumal die meisten Scooter diesen Anschluss seitlich unterhalb des Trittbretts platzieren. Der Roller ist nach IPX4-Standard zertifiziert, ist also geschützt gegen Staub und Spritzwasser – und somit regentauglich.

Auch der Lenker macht einen unverwüstlichen Eindruck und sitzt auch völlig wackelfrei am Rest des elektrischen Zweirads. Auf der rechten Seite befindet sich unterhalb des gummierten Griffs der Gashebel, auf der linken Seite findet man einen Schalter mit drei Positionen (links, aus, rechts) für den Blinker, den Bremshebel sowie die Klingel. In der Mitte ist ein recht großes, beleuchtetes LED-Display zu finden. Die Steuerung der Basisfunktionen – Geschwindigkeitsmodus und Licht – erfolgt über einen einzelnen Knopf.

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Fährt man aus Vorsicht mit der Hand am Bremshebel angelegt, sind Klingel und Blinker recht unkomfortabel zu erreichen. Hier ist etwas Übung nötig, um den Blinker ohne Hinsehen korrekt auszulösen, auch weil sich der Regler sehr leicht betätigen lässt. Aber immerhin: Diese Funktion erspart händische Abbiegezeichen, mit denen sich einige Scooterfahrer schwertun.

Fahrgefühl

Gefahren wird der Scooter wie gehabt: Man schaltet ihn ein, taucht an und betätigt den Beschleunigungsregler nach Bedarf. Vier Geschwindigkeitsmodi gibt es: einen Schiebenmodus mit 6 km/h, einen Energiesparmodus mit 10 km/h Höchstgeschwindigkeit, den Standardmodus mit 20 km/h sowie den Sportmodus, der auf 25 km/h limitiert ist. Für diesen Test wurde vorwiegend in den beiden schnelleren Modi verkehrt.

Das Fahrgefühl ist angenehm. Der Roller beschleunigt relativ flott auf etwa 20 km/h, benötigt aber (bei ebener, gerader Fahrbahn) letztlich zehn Sekunden, um 25 km/h zu erreichen. Wer möchte, kann per App auch den Cruise-Control-Modus zuschalten, mit dem der Scooter bis zum nächsten Bremsvorgang nach einigen Sekunden in konstanter Geschwindigkeit versucht, diese zu halten. Ebenso lässt sich die Option "Zero Start" aktivieren, mit der der Start des Motors auch ohne vorheriges Antauchen möglich ist.

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Lenken lässt sich der Coozy sehr präzise, man bekommt auch schnell ein Gefühl für Momentum und Wendekreis. Dass die Reifen nicht nur einen großen Durchmesser haben, sondern mit 5,7 Zentimetern (2,25 Zoll) auch recht breit sind, sorgt für gute Bodenhaftung und Stabilität. Der Roller ist insgesamt auch gut ausbalanciert, weswegen selbst bei abrupten Bremsmanövern bei schnellerer Geschwindigkeit das Trittbrett nur geringfügig ausbricht.

Der Bremsweg ist vertretbar. Getestet wurde aufgrund der Wetterlage während des Tests auf kaltem, feuchtem Asphaltuntergrund. Bei 20 km/h benötigt das Gerät etwa vier bis fünf Meter, um zum Stehen zu kommen. Bei 25 km/h sind es rund sechs Meter.

Die Dämpfung über die großen Reifen klappt sehr gut. Von allen an dieser Stelle bisher getesteten Scootern machte er Fahrten über Kopfsteinpflaster oder verflachte Gehsteigkanten bisher am angenehmsten, was wohl nicht zuletzt den eigenen Kniegelenken zugutekommt.

Die gefühlte Leistung entspricht nicht ganz dem wuchtigen Äußeren, ist aber absolut stadttauglich. Der Scooter soll Steigungen bis 15 Grad bewältigen können. Im Test konnte er bis 3 Grad noch weiter beschleunigen und bis etwa 5 Grad die letzte Höchstgeschwindigkeit auch halten. Darüber hinaus reduziert sich das Fortkommen schnell auf unter 20 km/h beziehungsweise auf 10 bis 15 km/h bei Abschnitten von geschätzt mehr als 7 bis 8 Prozent. Die maximale Steigung dürfte allerdings nur mit "Durchschnittsgewicht" von 75 Kilogramm oder weniger noch irgendwie befahrbar sein.

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Reichweite und Aufladung

Das ist gleichzeitig ein hervorragender Punkt, um zur Reichweite überzugehen. Denn die "Bis zu 50 Kilometer"-Angabe bezieht sich auf ebenjenes Gewicht und zudem ebenes Gelände bei einer günstigen Temperatur von 20 Grad. Nicht nur überschritt der Fahrer in diesem Test besagtes Nenngewicht um gut 15 Kilogramm, sondern auch die Außentemperaturen lagen zwischen höheren einstelligen Temperaturen und leichten Minusgraden, was sich negativ auf die Laufzeit auswirkt. Und wenngleich Wien nicht gerade ein bergiges Pflaster ist, gibt es auch hier die eine oder andere Steigung, die der Roller bewältigen musste.

Unter den genannten Bedingungen und hauptsächlichem Einsatz des Sportmodus ließen sich Reichweiten von um die 25 Kilometer erzielen. Bei wärmerem Wetter und wenn man sich mit niedrigerer Maximalgeschwindigkeit zufriedengibt, ist eine Reisedistanz von über 30 Kilometern mit einer Ladung realistisch. Leichtere Fahrerinnen und Fahrer könnten auch deutlich mehr erzielen. Die 50 Kilometer sind als reiner Laborwert zu betrachten, 40 Kilometer scheinen aber zumindest in manchen Fällen in Schlagdistanz zu sein.

Geladen wird der Akku mit dem beigelegten Netzteil mit einer Leistung von bis zu 48 Watt. Eine volle Aufladung dauert laut Spezifikationszettel sieben Stunden, tatsächlich wurde der Akku aber im Test sogar etwas flotter voller. Eine LED am Netzteil informiert darüber, ob der Coozy noch geladen wird oder nicht, denn der Roller kann während des Auftankens nicht eingeschaltet werden. Eine etwas mühsame Eigenschaft, die er sich mit dem zuletzt getesteten A-TO Ultron Air teilt.

"Green Drive"

Bleibt noch ein Blick auf die App. Zum Einsatz kommt das nicht von Eleglide selbst entwickelte Tool "Green Drive", das nach der Installation aus unerfindlichen Gründen auf einmal "Slidefox" heißt. Das lässt vermuten, dass es auch von einem anderen Hersteller gleichen Namens eingesetzt wird.

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Generell unterstützt die App eine Vielzahl an E-Scootern, Hoverboards und anderen elektrischen Fahrgerätschaften. Allerdings ist keine Einrichtung eines Online-Accounts erforderlich. Das Programm kann auch unter Verwendung einer Handyhalterung als digitaler Tacho eingesetzt werden. Per Tastendruck lässt sich hier der Geschwindigkeitsmodus wechseln, Cruise Control aktivieren oder das Licht einschalten. Allerdings aktiviert die App nur das Frontlicht, nicht aber die Rückleuchte. Diese geht nur an, wenn man das Licht mittels des Steuerknopfes am Scooter selbst aktiviert.

Ebenso kann man über die App Firmwareupdates beziehen, den Motor zwecks Diebstahlerschwerung deaktivieren und den Scooter piepsen lassen, um ihn zu finden. Das Alarmgeräusch wird aber derart leise wiedergegeben, dass dieses Feature eher sinnlos ist.

Geschwindigkeitslimit per App aufhebbar

Und dann wird es heikel. Denn eine Einstellung in der App erlaubt es, mit zwei Klicks das Geschwindigkeitslimit herauf- oder herabzusetzen. Damit kann der E-Scooter auf bis zu 10 km/h gedrosselt werden, die Grenze für die automatische Einbremsung aber auch auf 50 km/h angehoben werden.

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Die Erhöhung des Limits funktioniert. Sie hat keine Auswirkung auf die Leistung des Motors selbst, ermöglicht aber die Nutzung seines ganzen Potenzials. 27 bis 28 km/h lassen sich dann relativ einfach erreichen, bei länger ebener oder leicht abschüssiger Strecke waren unter den Testbedingungen auch 30 km/h möglich. Derlei Experimente sollte man aber nicht auf öffentlichen Straßen vornehmen, denn dort dürfen elektrische Roller in Österreich mit maximal 25 km/h (20 km/h in Deutschland) verkehren.

Belässt man die 25 km/h-Voreinstellung, erfüllt man dieses Kriterium zwar. Das muss aber nicht unbedingt heißen, dass dies dem gesetzlichen Rahmen entspricht. DER STANDARD bat daher beim Verkehrsministerium um eine Einschätzung. Und diese lautet: "Wenn die Lenker:innen bzw. Besitzer:innen die Geschwindigkeit selbst festlegen können, entspricht die höchste Geschwindigkeit, die eingestellt werden kann, der Bauartgeschwindigkeit. Wenn die Geschwindigkeitsgrenze selbst festgelegt werden kann, wäre die Bauartgeschwindigkeit im geschilderten Beispiel 50 km/h – unabhängig davon, auf welche Höchstgeschwindigkeit der Scooter im Moment per App begrenzt ist."

Weiters erläuterte man, dass die ab Werk eingestellte Begrenzung nur dann als Bauartgeschwindigkeit gelten kann, wenn sich diese nicht leicht ändern kann. Der Hersteller habe "einen Schutz vor Manipulation zu gewährleisten". Kurz gesagt darf der Coozy im aktuellen Zustand auch mit 25 km/h-Einstellung nicht auf öffentlichen Straßen fahren.

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Fazit

Für rund 600 Euro liefert Eleglide mit dem Coozy einen absolut konkurrenzfähigen Roller. Er bietet gute Verarbeitung, solide Leistung sowie Funktionsumfang und ist insbesondere einer von noch wenigen Scootern mit integrierten Blinkern. Das weitestgehend kabellose Äußere ist ebenso ein Argument für das Gerät, wie das gut ablesbare, beleuchtete Display sowie der gut erreichbar platzierte Ladeanschluss.

Auch beim Fahrgefühl gibt es nichts auszusetzen. Die breiten 10-Zoll-Reifen sorgen – im Rahmen der Möglichkeiten eines urbanen Transportmittels – für gute Haftung, der Roller ist gut ausbalanciert. Die Reichweite liegt noch im Rahmen des unter den Testbedingungen Erwartbaren, wenn auch klar unter dem angegebenen Maximum von 50 Kilometern.

Der Knackpunkt ist die App. Die funktioniert an sich ganz gut, bloß die Lichteinstellung vergisst auf das Rücklicht. Mit der Möglichkeit, die 25-km/h-Drosselung einfach so aufzuheben, setzt sich Eleglide allerdings rechtlich gesehen selbst schachmatt. Ohne diese Option wäre der Coozy nämlich ein ernster Konkurrent für die Roller von Xiaomi und Co im gleichen Preisbereich. Der Hersteller hat es nun in der Hand, dieses Manko zu beheben – ein Update für App und Firmware sollte dazu ausreichen. (Georg Pichler, 20.12.2022)