13 Prozent der ausländischen Beschäftigten können nicht von ihrem Einkommen leben. Ein Drittel ist zusätzlich überqualifiziert.
Foto: Orbon Alija

Fachkräftemangel, der Trend zu weniger Arbeitsstunden, viele Pensionierungen: Große Veränderungen erschüttern gerade den Arbeitsmarkt. Wer übernimmt die freien Stellen? Eines ist klar: Nur mit den Menschen, die hier leben, werden die Lücken kaum zu füllen sein. Man könnte also davon ausgehen, die neuen Arbeitskräfte würden freudig empfangen werden.

Dem ist nicht so. Viele politische Parteien machen eher Stimmung gegen Neuankommende. Gleichzeitig wird versucht, hochausgebildete und vermögende Personen aus dem Ausland anzuziehen. Dass diese aber die ausländerfeindliche Grundstimmung allerdings ebenfalls mitbekommen und darunter leiden, zeigt das im November erschienene Expat-Ranking 2022.Wiederholt wurde hier bestätigt: Wien ist die unfreundlichste Stadt der Welt. Expats beschreiben die Menschen in Wien allgemein als unfreundlich. Gegenüber der ausländischen Bevölkerung sind die Einheimischen aber besonders unfreundlich. Das führt dazu, dass sich jede und jeder Dritte in Wien nicht willkommen fühlt.

Inklusion?

Trotzdem ist Österreich eines der Top-Einwanderungsländer weltweit. Jeder sechste Mensch, der hier lebt, hat keine österreichische Staatsbürgerschaft. Eine – wenn auch etwas populistische – Forderung ist: Die Neuen müssten sich mehr integrieren. Könnte die Arbeitsstelle nicht ein Mittel sein, um ausländische Menschen in die Gesellschaft gut einzubinden?

Yvonne Franz, Professorin für Urban Studies an der Universität Wien, ist der Meinung: "Eine Arbeitsstelle kann für ausländische Arbeitskräfte mehr sein als nur die Möglichkeit, Geld zu verdienen." Der Job kann zur Drehscheibe für Information werden, den Spracherwerb fördern, Vorbilder können gefunden oder soziale Kontakte geknüpft werden. Ein Job kann befähigend und eine Bestätigung sein.Firmen mit einem hohen Anteil ausländischer Beschäftigter in ihren Führungsteams weisen eine um durchschnittlich 15 Prozent höhere Rentabilität auf. Das zeigt eine neue Studie der Boston Consulting Group. Österreich hat aber laut der Studie im weltweiten Vergleich einen sehr geringen Anteil migrantischer Personen in Führungsteams.

Nur 14 Prozent der Personen im Top-Management der befragten Unternehmen haben Migrationshintergrund. Sowohl in der Führungsetage als auch bei den Angestellten könnte also in vielen Branchen die Beschäftigungsquote ausländischer Mitarbeitenden noch deutlich erhöht werden. Die meisten leitendenden Angestellten sehen die Vorteile eines diversen Teams durchaus. Fast alle geben in der Studienumfrage an, ihre Teams globaler und vielfältiger zu besetzen. Doch der Wille wird selten in die Tat umgesetzt. Nur fünf Prozent der Befragten setzen auch Maßnahmen mit einer nachhaltigen Wirkung, um dieses Ziel zu erreichen.

Knapp vier Prozent der Weltbevölkerung leben derzeit nicht in dem Land, in dem sie geboren wurden.
Foto: IOM

Oder Exklusion?

Ein großes diverses Team, viele Arbeitsplätze, tolle Integrationsmöglichkeiten: Was nach einem wunderbaren Versprechen und einer Lösung für die wirtschaftlichen Probleme klingt, bewahrheitet sich demnach in der Realität nur selten. In vielen Branchen sind ausländische Beschäftigte stark unter-, in anderen stark überrepräsentiert. Die Daten der Sonderauswertung des Österreichischen Arbeitsklima-Index (2017-2021) des Sozialforschungsinstituts Sora zeigen nicht unbedingt überraschende, aber trotzdem alarmierende Ergebnisse.

In bestimmten Berufen arbeiten mehr Migrantinnen und Migranten als Österreicherinnen und Österreicher. Dies ist zum Beispiel in Branchen wie der Landwirtschaft (71 Prozent), der Gebäudereinigung (69 Prozent) und der Pflege und Behindertenbetreuung (65 Prozent) der Fall. Nicht österreichische Staatsbürger arbeiten häufiger in prekären Dienstverhältnissen, haben größere Arbeitsplatzunsicherheiten, unregelmäßige Arbeitszeiten sowie höhere Arbeitsbelastungen.

Wenn das Gehalt nicht ausreicht

13 Prozent geben sogar an, dass das Einkommen ihres momentanen Beschäftigungsverhältnisses nicht zum Leben ausreicht. Aber warum sind ausländische Beschäftigte in so vieler Hinsicht benachteiligt? Sind sie eben einfach schlechter ausgebildet und müssen aus diesen Gründen prekäre und schlecht bezahlte Jobs annehmen? Daniel Schönherr, Wissenschafter und Leiter der Sora-Studie, fand heraus: "Zwei Drittel der Unterschiede zwischen Österreichern und Migranten können auf unterschiedliche oder geringere Ausbildung zurückgeführt werden.

Ein Drittel aber sind nicht durch berufsspezische Faktoren zu erklären." Ein Drittel der Befragten sind für ihre jetzige Stelle sogar überqualifiziert.Migrantinnen und Migranten erleben im Arbeitsalltag oft noch zusätzliche Diskriminierungen. Die Arbeitsstelle wirkt somit oft nicht inkludierend. Schlimmer noch: Durch den Job werden sie weiter exkludiert. Um das zu ändern, sieht Yvonne Franz vor allem die Politik in der Verantwortung: "Wir brauchen ein politisches Bekenntnis, dass wir ein Einwanderungsland sind. Um auch das zu fördern, sollte die Politik die Rahmenbedingungen besser anpassen." (Natascha Ickert, 18.12.2022)