Exekutionen in der USA finden fast nur noch via Todesspritze statt. Sie werden tendenziell seltener durchgeführt. Finden sie dennoch statt, dann sind sie oft von schweren Problemen begleitet.

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Corionsa Ramey durfte ihrem Vater Kevin Johnson (li.) bei dessen Tötung durch den Staat Ende November nicht beistehen.

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Zum Tode Verurteilte, die ihren Henkern dabei helfen müssen, passende Venen zu finden; Einstiche in der Leistengegend nach "blutigen Fehlschlägen" beim Versuch, das tödliche Gift zu verabreichen; Töchter, die ihren Vätern nicht bei ihrer Tötung durch den Staat beistehen dürfen – und viele Verurteilte, die nach europäischem Verständnis eigentlich Kriterien zur Strafminderung erfüllen würden. Der neue Bericht des Death Penalty Information Center (DPIC) stellt den USA auch innerhalb des Systems der Todesstrafe ein düsteres Zeugnis für das Jahr 2022 aus. Von 20 Vollstreckungsversuchen im laufenden Jahr seien bei sieben – also 35 Prozent – gravierende Mängel festgestellt worden, heißt es in dem Papier, über das am Freitag zunächst der britische "Guardian" berichtete.

Das vergleichsweise Positive aber zuerst: Mit insgesamt 18 Hinrichtungen und 22 neu verhängten Todesurteilen ist die Zahl der Menschen, die vom Staat zum Scharfrichter geschickt wurden, in den USA auf einem seit Wiedereinführung der Todesstrafe 1973 historisch tiefen Niveau. Und auch die öffentliche Meinung stützt den Mord durch den Staat nur noch mit geringer Mehrheit: Das Meinungsforschungsinstitut Gallup erhob im November, dass 55 Prozent der Menschen in den USA die Exekution von Verurteilten befürworten, während 42 Prozent sie ablehnen.

Die Zustimmung geht weiter zurück, wenn gefragt wird, ob auch Menschen mit intellektuellen Einschränkungen, solche, die ihre Tat als Teenager begehen, und solche mit psychischen Beeinträchtigungen hingerichtet werden sollen. Dass die Zustimmung zur Todesstrafe nicht mehr zur unbedingten Anforderung für Politiker gehört, um gewählt zu werden, zeigt Präsident Joe Biden. Er hat in seiner Wahlkampagne das Ende der Todesstrafe gefordert (bisher allerdings als Präsident wenig dafür unternommen).

Trend rückläufig

Genau diese Kriterien hat eine Mehrzahl der 18 im laufenden Jahr in den USA Hingerichteten erfüllt, wie das DPIC festhält: Acht hatten ernste psychische Erkrankungen, fünf schwere intellektuelle Defizite, zwölf der 18 traumatische Erlebnisse in der Kindheit – und drei haben die Straftaten, für die sie hingerichtet wurden, als Teenager begangen. Die Probleme mit der Bestrafung zeigt auch eine weitere Statistik: Auch im laufenden Jahr wurden wieder zwei Menschen aus der Todeszelle entlassen, weil sich Hinweise zu ihrer Entlastung ergeben hatten.

Insgesamt haben in den vergangenen zehn Jahren noch elf Bundesstaaten Hinrichtungen durchgeführt. In 27 sind sie verboten, die restlichen haben die Exekutionen ausgesetzt. Die Hinrichtungen werden aus Sicht der Staaten, die die Todesstrafe noch vollstrecken, immer schwieriger. Aufgrund zahlreicher Gerichtsprozesse wird de facto nur noch via Todesspritze getötet – die letzte Hinrichtung mit einer anderen Methode erfolgte 2020 in Tennessee durch den elektrischen Stuhl (Erschießungskommando 2010 in Utah, Gaskammer 1999 in Arizona, Erhängen 1996 in Delaware). Und auch dabei musste in den vergangenen Jahren mehrfach die genaue Methode geändert werden, weil viele Hersteller der dafür nötigen Medikamente ihre Zustimmung verweigerten oder die Produkte, etwa aus Europa, nicht mehr eingeführt bzw. ausgeführt werden dürfen.

Hilfe bei der eigenen Hinrichtung

Dass aktuelle Rezepturen intravenös verabreicht werden müssen, führt immer wieder zu Problemen. Besondere Beachtung fand der Fall von Clarence Dixon, einem verurteilten Mörder, in Arizona. Bei ihm suchten die Henker 25 Minuten lang nach einer passenden Vene, bis sie aufgaben und ihm stattdessen – offenbar nicht legalerweise – einen Schnitt in der Leistengegend zufügten, um dort eine Vene zu treffen.

Bei der Hinrichtung des Mörders Frank Atwood in Arizona wurde ebenfalls keine Vene gefunden, die Hinrichtung dauerte rund 40 Minuten. Atwood, der laut einem Zeugenbericht unter Schmerzen litt, bezichtigte jene, die ihn später umbrachten, dabei der Unfähigkeit: Nachdem sie in seinem rechten Arm keine passende Vene fanden, wies er sie darauf hin, dass dies Sanitätern bei Blutabnahmen regelmäßig gelinge. Schließlich schlug er ihnen vor, doch "den Handrücken zu probieren", was dann von tödlichem Erfolg gekrönt war. Atwood hatte seine Schuld am Mord, für den er verurteilt worden war, stets bestritten.

Für besondere Aufmerksamkeit sorgte schließlich Ende November der Fall von Kevin Johnson Jr. in Missouri. Seiner 19-jährigen Tochter wurde vom Staat die Möglichkeit verweigert, ihrem Vater bei dessen Tötung beizustehen, weil aus Jugendschutzgründen in Missouri nur Menschen über 21 Jahren bei Hinrichtungen dabei sein dürfen. Ein spezielles Gesuch der Tochter, indem sie um eine Ausnahme ansuchte, wurde abgelehnt. Sie hatte geltend gemacht, dass ihre Mutter bereits 2007 ermordet worden war (der Fall hat mit jenem ihres Vaters nichts zu tun) und Johnson Jr. sie aus dem Gefängnis heraus als einziger verbleibender Elternteil erzogen habe – vergeblich. Johnson Jr. wurde am 29. November unter Ausschluss seiner Tochter mit der Todesspritze hingerichtet. (mesc, 16.12.2022)