Damit vor allem Wintertourismus auch in Zukunft funktionieren kann, braucht es wichtige Maßnahmen.
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Der Tourismus ist eine Geldmaschine. Wenn er funktioniert. An die 7,3 Prozent der Wirtschaftsleistung entfallen in Österreich nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) auf das Geschäft mit Urlaubsgästen. Inklusive Freizeitwirtschaft ist der Anteil des Sektors am Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch um einiges höher. Geht es dem Tourismus gut, geht es Österreich gut, könnte man in Abwandlung eines legendären Spruchs des früheren Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Leitl sagen.

Aber geht es dem Tourismus wirklich gut? Der Beginn der Wintersaison ist vielversprechend. Es gibt ausreichend Schnee, die Hotels sind gut gebucht, Vier- und Fünf-Sterne-Häuser etwas besser als mittlere und niedrige Kategorien. Das zeigen Rückmeldungen aus der Branche. Ab Jänner reißen die Buchungen jedoch abrupt ab, auch in der gehobenen Hotellerie. Was dann kommt, ist ungewiss.

Hohe Inflation, exorbitant gestiegene Energiekosten und Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine setzen den Touristikern zunehmend zu. Sie stehen aber vor noch ganz anderen Herausforderungen.

Wenn die akuten Krisen, zu denen, wenn auch in verminderter Form, immer noch Corona zählt, abgehakt sind, wird der Schutz des Klimas und der sparsamere Umgang mit Ressourcen verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. "Höher, weiter, schneller" wird es nicht mehr spielen. Das betrifft den Wintertourismus im gesamten Alpenbogen, und Österreich als Herzstück ganz besonders.

Kaum woanders ist in den vergangenen Jahrzehnten so stark aufgerüstet worden wie in den westlichen Bundesländern. Milliarden und Abermilliarden Euro sind in Aufstiegs- und technische Beschneiungsanlagen geflossen – eine notwendige Versicherung gegen schneearme, warme Winter. Dabei war es ursprünglich und bis weit in die 1990er-Jahre der Sommer, der das Geld in den Hotelkassen und beim Finanzminister klingeln ließ.

Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass der Winter im Abschwung und der Sommertourismus an Seen und Bergen im Aufschwung begriffen ist. Das Gute: Seilbahnen werden auch im Sommer benötigt, "Hitzeflüchtlinge" aus Mittelmeerländern wird es vermehrt in Gipfelregionen ziehen.

Wer die Zeichen der Zeit erkennt und entsprechend handelt, wird abheben.

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1. Nachhaltigkeit leben, nicht nur predigen

Mit der Botschaft an Gäste, Handtücher wiederzuverwenden, ist es nicht getan. Nachhaltiges, die Umwelt schonendes Wirtschaften beinhaltet auch im Tourismus wesentlich mehr.

Mit wenigen Ausnahmen, zu denen etwa Michaela Reitterers Boutiquehotel Stadthalle in Wien und Karl Reiters Supreme in Bad Tatzmannsdorf, Burgenland, gehören, ist dieses Wissen in der Breite nicht angekommen. Diesen Eindruck hat zumindest Harald Friedl von der Fachhochschule Joanneum im steirischen Bad Gleichenberg. "Nachhaltigkeit spielt in den wenigsten Betrieben eine ernsthafte Rolle", sagt er. Das gelte auch für die Politik und diverse Gremien.

Dass es so ist, wie es ist, habe systemische Gründe. In den Lehrplänen der allermeisten Tourismusschulen komme Nachhaltigkeit so gut wie nicht vor. "Die Lehrenden sind 50 bis 60 Jahre alt und haben sich nie mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen müssen. Das fällt uns jetzt auf den Kopf", sagt Friedl. Rasches Umdenken sei notwendig.

Österreich hätte beste Voraussetzungen, ein Umweltmusterland zu werden. "Man muss es nur wollen", sagt Zukunftsforscher Andreas Reiter. Seilbahnen, von denen es in Zukunft ohnehin weniger brauche, könnten eigenen Strom erzeugen, mit Windrädern, Photovoltaik oder Kleinwasserkraft. Damit Tourismus insgesamt nachhaltiger werde, müsste allerdings das Problem der letzten Meile gelöst werden. An- und Abreise der Urlaubsgäste sorgten für den größten CO2-Fußabdruck. Auch das sei lösbar.

2. Smarte Technologien forcieren

An der Digitalisierung kommt auch die Tourismusbranche nicht vorbei. Nach anfänglich zaghaften Versuchen gibt es mittlerweile kaum mehr einen Betrieb ohne eigene Website. Oft hat es sich damit aber auch schon wieder. Reservieren, bezahlen oder Menü per Mausklick auswählen ist noch bei weitem nicht überall Standard. "Im Tourismusland Österreich gibt es da noch viel Luft nach oben", sagt Andreas Reiter vom ZTB Zukunftsbüro in Wien. Und die Möglichkeiten gehen noch viel weiter.

Besucherströme lenken

Smarte Technologien könnten beispielsweise eingesetzt werden, um Besucherströme zu lenken. Dass es dies nicht schon gibt, habe man zuletzt schmerzlich während der Corona-Pandemie erfahren.

Mithilfe künstlicher Intelligenz könnten vorausschauend Besuchermassen gelenkt und Situationen von "Übertourismus" an manchen Hotspots vermieden werden. "Solche Tools einzusetzen halte ich für ganz wichtig", sagt Zukunftsforscher Reiter. Gefragt seien in dem Zusammenhang Verantwortliche von einzelnen Destinationen, besser noch von ganzen Regionen.

Unterstützt werden Digitalisierungsbemühungen in der Hotellerie nicht zuletzt von der Tourismusbank ÖHT, wenn auch eingeschränkt. "Die digitale Entwicklung geht schneller, als wir mit unseren Richtlinien Schritt halten können", sagt Matthias Matzer von der ÖHT. Die Projekte seien typischerweise noch überschaubar. Das könnte sich aber ändern.

3. Maßnahmen setzen zur Klimaanpassung

Die wahrscheinlich einschneidendste Krise, auf die sich die Tourismusbranche rechtzeitig einstellen muss, ist der Klimawandel. Und es ist insbesondere der Wintertourismus, der auf dem Prüfstand steht. Seilbahner, Hoteliers, Gastwirte und das Netzwerk rundherum könnten innovativ sein zum Quadrat. An der Tatsache, dass es zu einschneidenden Veränderungen kommen wird und kommen muss, führe kein Weg vorbei. "Wenn die Skisaison viel kürzer wird und Skigebiete unter 1000 Meter keinen Schnee mehr haben, bricht ein Geschäft weg. Das kann man drehen und wenden, wie man will", sagt Wifo-Tourismusforscher Oliver Fritz.

Prognosen der Universität Innsbruck zeigen, dass selbst bei einem Ausbau der Beschneiungskapazitäten um das Jahr 2070 herum nur mehr ein Drittel der Skigebiete übrigbleiben würde. Alle anderen müssten sich von der jetzt geläufigen Form von Wintertourismus, bei dem Skifahren im Zentrum steht, eher früher als später verabschieden.

Teilweise geht es schon in diese Richtung. Ausdehnung der Saisonen, mehr Wandern im Winter – das breite Wellnessangebot vieler Hotels, dazu Gesundheit als Megatrend kommt all dem zugute. Wird es auch zu einem Rückbau von Seilbahnen kommen? "Ja", ist Tourismusforscher Fritz überzeugt. "In gewissen Skigebieten wird nur mehr das stehen bleiben, was für Frühjahr, Sommer und Herbst benötigt wird, um Biker oder Bergfexe in luftige Höhen zu bringen."

Große Reisegruppen, die in nur wenigen Stunden durch die Innenstadt marschieren, sind nicht mehr uneingeschränkt willkommen.
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4. Mehr Eigenkapital in der Beherbergung

Ein zwar nicht neues, deshalb aber nicht minder problematisches Phänomen ist die geringe Ausstattung der Betriebe mit Eigenkapital. Bei den besten der Branche – denen mit vier und mehr Sternen – beträgt die Eigenkapitalquote im Median 19 Prozent. Das hat die Tourismusbank ÖHT nach Analyse von rund 500 Bilanzen aus der gehobenen Hotellerie ermittelt. Das heißt, die eine Hälfte der abgeklopften Hotels liegt zum Teil deutlich darunter, die andere Hälfte mit Ausreißern darüber. Würde man alle 16.000 Beherbergungsbetriebe berücksichtigen, würde sich die Eigenkapitalsituation wohl noch schlechter darstellen, meint man bei der Tourismusbank.

Stille Reserven heben

Damit seien die Betriebe auch denkbar schlecht gerüstet für Krisen, sagt Oliver Fritz vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Nur dank staatlicher Hilfen habe verhindert werden können, dass die vielfach kleinstrukturierten, familiengeführten Betriebe während Corona massenhaft Insolvenz anmelden mussten. Krisen seien eine permanente Bedrohung.

Ein Ansatz, die Eigenkapitalbasis zu stärken, bestünde darin, eine steuerschonende Möglichkeit zur Aufwertung stiller Reserven zu schaffen, meint Matthias Matzer, Geschäftsführer der ÖHT. Viele Hotelimmobilien stünden mit realitätsfremden Werten in den Büchern. Dafür bräuchte es allerdings einen politischen Willen. Auch Zusammenschlüsse würden etwas bringen, dagegen sträuben sich aber viele Hoteliers.

5. Beschäftigten Respekt zollen

Die Tage bis Weihnachten sind gezählt, dennoch suchen nicht wenige Hotels noch immer Personal. Köchinnen, Kellner, Reinigungskräfte – es fehlt an allen Ecken und Enden. Und es wird eher schlimmer. Schon allein wegen der Demografie.

Die geburtenstarken Jahrgänge ziehen sich Schritt für Schritt aus dem Berufsleben zurück. Was nachkommt, sind geburtenschwache Semester, die zudem eine so große Auswahl am Arbeitsmarkt haben wie noch nie. Alle Branchen suchen. Wer seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nichts bieten kann, schaut durch die Finger. Oder muss auf Roboter zurückgreifen.

"Wir werden uns daran gewöhnen, dass bestimmte Dienstleistungen komplett automatisiert sind", ist Zukunftsforscher Andreas Reiter überzeugt – und skizziert ein mögliches Szenario: "Auf Berghütten wird es intelligent gesteuerten Self-Service geben, weil sich kein Personal mehr für dort oben findet."

Serviceroboter seien aber nicht überall einsetzbar, gerade in einem Land wie Österreich, das sich im Tourismus hoher Qualität verschrieben hat. Der Gast erwarte sich persönliche Zuwendung und Ansprache. Je zufriedener die Rezeptionistin oder der Mann an der Bar sei, desto besser gehe es dem Gast.

Hoteliers seien gut beraten, pfleglich, respektvoll und wertschätzend mit ihren Mitarbeitern umzugehen, sagt Harald Friedl von der Fachhochschule Joanneum in Bad Gleichenberg. Gastgeber, die Mitarbeitern etwa bei Arbeitszeiten entgegenkommen, hätten zumeist kein Problem, offene Stellen zu besetzen. (Günther Strobl, 16.12.2022)