Es geht bereits Richtung Abschied, Mama (Dshamilja Kaiser) sieht, dass ihr Sohn Amahl schon zum Engel wird. Die drei Könige können es bezeugen.

Foto: Monika und Karl Forster

Diese Oper von Gian Carlo Menotti ist in manchem Land für die Adventzeit so etwas wie Dinner for One für Silvesterfans. Ein wiederkehrendes Ritual. Natürlich bedient bei Menotti nicht ein sich langsam antrinkender Butler eine einsame Dame. Sie fantasiert sich eine Abendgesellschaft herbei.

Menottis Einakter, welcher der Auftakt einer Serie von Familienopern sein soll, mit denen das Theater an der Wien die Adventzeit bespielen will, kreist um einen kranken Jungen, der allerdings ebenfalls über eine blühende Fantasie verfügt. Wie die einsame Dame.

Das Ganze ist musikalisch durch und durch zugänglich: Menotti komponierte tonal, handwerklich über alle Zweifel erhaben. Seine Handschrift wirkt dabei unbeschwert eklektisch: Da vernimmt man Motive aus Bizets Carmen wie auch Phrasen, die Richard Wagners Nürnberger Meistersingern zuzuordnen sind. Immerhin aber hatte Menotti Geschmack! Er borgt sich manche seiner Ideen nur von den Besten der Zunft aus.

Kind der Hoffnung

Im Museumsquartier hat der regieführende Intendant des Theaters an der Wien die diskret ernste, dann ins Christlich-Schwärmerische kippende Geschichte ebenfalls behutsam eklektisch inszeniert: Amahl, im Arabischen steht der Begriff für Hoffnung, liegt – neben ihm seine besorgte Mutter – im Spital. Seinem Leiden, das ihm das Gehen erschwert, stehen aber opulente Sternenvisionen gegenüber, die märchenhaft bebildert werden, wenn sich der Trichterraum des Krankenzimmers (Bühnenbild: Sebastian Ellrich) großzügig weitet.

Natürlich ist erst die besorgte Mama zu überzeugen, dass sich im Kopf von Amahl (Solist der Sängerknaben) tatsächlich reale Dinge spiegeln.

Die drei aus der Bibel

Der Besuch dreier gut singender königlicher Herren ist dabei hilfreich; Herheim nutzt ihn auch, um slapstickartige Kurzweil zu erzeugen: Kaspar (Paul Schweinester), Melchior (Nikolay Borchev) und Balthasar (Wilhelm Schwinghammer), die – wie nicht nur allen Bibelfesten bekannt ist – auf der Suche nach einem jungen König sind, klopfen nicht einfach an die Tür des Krankenzimmers, das auch schon ein Geistlicher betreten hat.

Es klopft Melchior auf Kaspars Kopf, doch siehe da: Es scheppert weit weg, nämlich an der Tür, die schließlich Mama öffnet. Und: Fassungslos begreift sie, dass ihr Amahl nicht halluziniert hat. Dshamilja Kaiser vermittelt als Amahls Mutter Ratlosigkeit, Hoffnung und schließlich Trauer vokal imposant. Das glaubensdurchdrungene Dreikönigsspiel aus 1951 bietet dazu reichlich Gelegenheit. Es geht schließlich, und bei Herheim besonders, um das Thema Tod – samt etwas Hoffnung.

Treppe in den Himmel

Selbige deutet sich in Form von erscheinenden Engelskindern an (Wiener Sängerknaben), die ihre Eltern treffen (profunder Schönberg-Chor). Es geht fröhlich zu in dieser "Massenszene": Alles tanzt, die drei Könige erhalten Doubles, die als Geistlicher, Krankenschwester und Ärztin erscheinen. Das Setting erinnert plötzlich an eine Revue.

Die Showtreppe führt allerdings in eine paradiesische Sphäre, die schließlich auch Amahl aufsuchen wird müssen. Er ist tot im Krankenbett zu sehen und parallel bereits mit Engelsflügeln beim Abschied von Mutter.

Bei der Premiere floss denn auch so manche juvenile Träne, wobei es nicht an der Musik lag. Die Symphoniker brachten sie unter der Leitung von Magnus Loddgard solide, aber nicht übermäßig schwermütig rüber. Sehr melancholisch ist die Musik ja ohnedies nicht. (Ljubiša Tošić, 17.12.2022)