Für Ex-Verbund-CEO Wolfgang Anzengruber wäre das Risikoverhalten der Wien Energie "ein Kündigungsgrund" gewesen.

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Wien – Bei der zweiten Sitzung der Wien-Energie-Untersuchungskommission im Wiener Rathaus haben Branchenexperten als Auskunftspersonen den Energiemarkt beleuchtet. Dabei zeigte sich, dass die Notkredite der Stadt Wien und der Bundesfinanzierungsagentur für die Wien Energie auf Probleme beim Risikomanagement des Versorgers zurück zu führen seien.

Für Ökonom Michael Böheim vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) zeichneten sich die Verwerfungen am Energiemarkt bereits im Oktober 2021 ab. "Wer damals nichts gesehen hat, war schon im Winterschlaf", sagte Böheim. Die Volatilität am Strommarkt führte letztlich dazu, dass die Stadt Wien der Wien Energie im August 2022 einen Notkredit über 1,4 Milliarden Euro für Sicherheitsleistungen geben musste. Als auch dieser Finanzrahmen nicht reichte, sprang die Bundesfinanzierungsagentur mit weiteren 2 Milliarden Euro ein.

Leerverkäufe letztlich ein gutes Geschäft

"Wenn die Straße glatter wird, muss ich langsamer fahren oder stehen bleiben", merkte der Ökonom an. Letztlich dürften die Leerverkäufe der Wien Energie aber für den Versorger ein gutes Geschäft gewesen sein, ergänzte Böheim. "Offensichtlich hat mein Daumen halten genutzt". Gefragt, ob es solche Verwerfungen mit extremen Preisschwankungen zuvor bereits gegeben habe, sagte der Ökonom: "Nein, aber es ist die Aufgabe des Risk-Managements, alle Eventualitäten abzudecken."

Der zweite Zeuge, der frühere Verbund-CEO Wolfgang Anzengruber, ging ab Anfang 2022 von einer hohen Volatilität beim Strompreis aus. Das Risiko eines Leerverkaufes über einen längeren Zeitraum hätte er nicht in Kauf genommen. "Beim Verbund wäre eine offene Position ein Entlassungsgrund gewesen", sagte Anzengruber vor der Untersuchungskommission. Jedenfalls hätte man bei der Wien Energie bereits viel früher reagieren und entsprechende Geldmittel zur Verfügung stellen müssen, ergänzte er.

Opposition sieht sich bestätigt

Die Oppositionsparteien sahen sich darin bestätigt, dass das Risk-Management des Versorgers mangelhaft war. Martin Pühringer, Richter am Verwaltungsgericht und Vorsitzender der Untersuchungskommission, verwies im Anschluss daran, dass die Kommission – anders als Untersuchungsausschüsse des Bundes – keine Zwangsmittel hätten, um Beweise heranzuschaffen. Es obliege daher den entsprechenden Personen und Unternehmen, ob sie angeforderte Unterlagen erhalten. (APA, red, 16.12.2022)