Ein internes Meldesystem kann ein sinnvolles Instrument sein, um Missstände und Risiken im Unternehmen frühzeitig zu erkennen und das Arbeitsumfeld insgesamt zu verbessern.

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Bekanntlich sieht die EU-Whistleblowing-Richtlinie vor, dass Privatunternehmen ab 50 Mitarbeitern interne Meldekanäle für bestimmte Rechtsverstöße einrichten müssen. Die Umsetzung in nationales Recht soll durch das HinweisgeberInnenschutzgesetz erfolgen, das derzeit im Gesetzgebungsprozess ist.

Ungeachtet dessen setzen manche Unternehmen aber bereits freiwillig auf interne Meldekanäle, über die Missstände an die Geschäftsleitung bzw. Compliance-Abteilung herangetragen werden können. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Durch ein internes Meldesystem kann die Früherkennung von Risiken im Unternehmen wesentlich verbessert werden, und dieses ist daher oft Teil eines wirksamen Compliance-Systems.

Dass die Vorgaben an Compliance-Strukturen immer strenger werden, zeigte jüngst auch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg, in der ein Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens mit nur 13 Mitarbeitern zur Haftung herangezogen wurde, weil er keine entsprechende Compliance-Struktur eingerichtet hat.

Wie erhöht man die Akzeptanz?

Neben diesen rechtlichen Vorgaben stellt sich in der Praxis aber oftmals die Frage, wie die Akzeptanz gegenüber solchen Meldesystemen im Unternehmen erhöht werden kann. Die Geschäftsführung muss dabei die Gratwanderung zwischen dem Interesse an Informationen und der Wahrung des Betriebsklimas meistern.

Die Hinweisgeber befürchten wiederum bei Kollegen als "Denunziant" dazustehen und stehen in einem inneren Konflikt zwischen Loyalität zum Unternehmen und zur eigenen (sozialen) Gruppe. Die Folgen: Meldungen werden nicht oder zu spät erstattet, Risiken bleiben unerkannt, und im schlimmsten Fall verliert das Unternehmen auch noch wertvolle Mitarbeiter, weil diese aus Frust über interne Missstände kündigen.

Die Akzeptanz und Wirksamkeit von internen Meldesystemen kann allerdings durch relativ einfache Maßnahmen verbessert werden. Insbesondere sollten folgende Punkte beachtet werden:

Zentral: Schutz des Hinweisgebers

Hinweisgeber müssen vor Nachteilen unbedingt wirksam geschützt werden, zum Beispiel durch die Möglichkeit anonymer Meldungen und die Verhinderung von "Vergeltungsaktionen" gegen den Hinweisgeber. Nicht umsonst ist dies auch ein zentraler Teil der Whistleblowing-Richtlinie. Gleichzeitig müssen Falschmeldungen herausgefiltert und Missbräuche geahndet werden, damit das System intern als fair und objektiv wahrgenommen wird.

Dem Hinweisgeber sollte auch die Möglichkeit einer Bedenkzeit eingeräumt werden, wenn er unsicher ist, ob er die Meldung anonym oder nicht anonym erstatten möchte. Entscheidet er sich letztlich gegen eine Meldung, sollte dieser Wunsch respektiert werden. Wird einmal publik, dass das Unternehmen Hinweisgeber hintergeht, nimmt das Meldesystem jedenfalls massiv Schaden.

Vertrauensförderung

Ein gut funktionierendes Meldesystem basiert in hohem Maße darauf, dass die Mitarbeiter dem System vertrauen und dessen Nutzen (auch für sie selbst) erkennen. Der Belegschaft sollten daher die Gründe und positiven Aspekte des Systems nähergebracht werden, insbesondere durch Schulungen, in denen nicht nur der rechtliche Rahmen, sondern anhand konkreter Beispiele erörtert wird, wie konstruktive Meldungen zur Verbesserung des Betriebsklimas und Schaffung eines fairen Arbeitsumfelds beitragen können.

So sollte es zum Beispiel im Interesse jedes Mitarbeiters liegen, Misswirtschaft im Unternehmen zu verhindern, weil damit vermeidbare Arbeitsmehrbelastung einhergeht und letztlich sogar Arbeitsplätze gefährdet werden (auch der eigene). Die Vorteile eines auf Respekt basierenden wertschätzenden Arbeitsumfelds, in dem schadhafte Strukturen unterbunden werden (Stichwort Mobbing), können die Akzeptanz des Systems ebenso verbessern. Auch die Einrichtung einer neutralen Meldestelle, etwa ein aus der eigentlichen Betriebsstruktur ausgegliederter Kontakt, kann helfen, Berührungsängste zu reduzieren.

Nachvollziehbare Prozesse

Der Bearbeitungsprozess einer Meldung sollte möglichst transparent und nachvollziehbar sein. Wichtig sind vor allem klare Vorgaben, in welchem Zeitrahmen Meldungen bearbeitet werden. Hinweisgeber sollten über das Ergebnis der Untersuchung auch informiert werden, es sei denn, es sprechen rechtliche oder nachvollziehbare Gründe dagegen. Selbst bei ergebnislosen Untersuchungen ist dies wichtig, um zu zeigen, dass jede Meldung ernst genommen wird.

Die aufgrund einer Meldung gesetzten Maßnahmen sollten ebenfalls nachvollziehbar sein und im Unternehmen im besten Fall als "fair" wahrgenommen werden. Sind die gesetzten Schritte zu nachlässig, werden Mitarbeiter Meldungen als "sinnlos" einstufen. Sind die Schritte zu hart, wird das Meldesystem als Bestrafungsinstrument wahrgenommen, womit die mentale Hürde zur Meldung noch höher wird.

Ein internes Meldesystem kann somit auch abseits der rechtlichen Verpflichtungen ein sinnvolles Instrument sein, um Missstände und Risiken im Unternehmen frühzeitig zu erkennen und das Arbeitsumfeld insgesamt zu verbessern. Damit ein solches System intern angenommen wird, ist es jedoch entscheidend, dass es an die individuellen Betriebserfordernisse angepasst wird und man der Belegschaft die positiven Aspekte näherbringt. Dies erfordert letztlich, sich mit dem eigenen Unternehmen und seinen (informellen) Strukturen im Detail auseinanderzusetzen. (Michael Lindtner, 20.12.2022)