So soll es am Sonntag wieder werden: Lichtermeer zum Gedenken an die Coronatoten am Wiener Ring vor einem Jahr. Seither gab es mehrere ähnliche Aktionen, etwa Ende Februar ein Lichtermeer für die Ukraine, ein Monat später ein großes Ukraine-Solidaritätskonzert auf dem Wiener Heldenplatz – sowie im Sommer ein Totengedenken an die von Corona-Maßnahmengegnern in die Verzweiflung getriebene Ärztin Lisa-Maria Kellermayr auf dem Wiener Stephansplatz.

foto: heribert corn

Wien – Vergangenes Jahr sollte das Lichtermeer am letzten Sonntag vor dem Heiligen Abend ein Gedenken an die bis damals 13.400 Coronatoten sein; inzwischen sind es mehr als 21.300. Es kamen mehr als 30.000 Menschen, die sich von Kälte, Wind und möglicher Infektionsgefahr durch die damalige Delta-Variante nicht vom Weg zum Wiener Ring abschrecken ließen, um sich auch beim Krankenhauspersonal zu bedanken.

Die von dem Lehrer und Aktivisten Daniel Landau gemeinsam mit Roman Scamoni initiierte #Yeswecare- Aktion war außerdem ein Gegengewicht zu den Impfskeptikern, die tags zuvor, wie bereits seit Wochen immer wieder, in Teilen der Wiener Innenstadt protestiert hatten; aggressiv, mit Pyrotechnik und Gebrüll.

Licht mitbringen und fünf Minuten schweigen

Ein Jahr später, am Sonntag, 18.12., sind politisch interessierte und gesellschaftlich engagierte Menschen erneut eingeladen, um 19 Uhr an den Wiener Ring zu kommen, eine Lichtquelle mitzubringen und sich gegen 19,15 Uhr einer fünfminütigen Schweigeminute anzuschließen – oder daheim eine Kerze ins Fenster zu stellen. Der Ring steht dafür in voller Länge zur Verfügung.

Der Anlass ist diesmal ein anderer, aber er hat, wie derzeit viel, indirekt auch mit der Pandemie zu tun. Es geht um das Recht behinderter Kinder auf Inklusion, das in Österreich bis dato nicht umgesetzt ist.

Inklusion soll die Lage behinderter Menschen verbessern – die Pandemie hat das massiv erschwert. Statt die Gesellschaft zunehmend so zu gestalten, dass sich behinderte Menschen nicht mehr an Bestehendes anpassen müssen, sondern die Strukturen so zu verändern, dass sie von Anfang an selbstverständliche Teilhabende an der Gesellschaft sind, wurden viele in Einsamkeit getrieben. Aktivitäten, ihnen den Zugang zu Jobs oder Bildung zu erleichtern, wurden hintangestellt.

Keine Schule nach der neunten Klasse mehr

Mehr noch: Zu Beginn des heurigen Winterschuljahrs wurde bundesweit 500 Kindern mit – wie es heißt – erhöhtem Förderbedarf verwehrt, nach Abschluss einer integrativen Pflichtschule die elfte und zwölfte Klasse zu besuchen – obwohl sie das wollten und das Zeug dafür hätten.

Die Begründung hat mit Ressourcenmangel zu tun, der infolge der Pandemie akuter geworden ist. Es sei nicht möglich, ausreichend Unterstützungslehrerinnen und -lehrer für sie zu finden. Außerdem: der Lehrplan für Sonderschulen ende ja auch nach neun Jahren.

"Allein in Wien wurden mehr als 100 Kinder auf diese Art aus dem Schulsystem geworfen", sagt Lichtermeer-Mitorganisator Landau. Nie zuvor habe das so viele Kinder betroffen wie heuer, auch österreichweit, sagt er: "Dabei zerstört ein solcher Ausschluss Zukunftschancen, denn gerade diese Kinder bräuchten oft zusätzliche Bildungszeit, und nicht weniger".

Eltern müssen Job aufgeben

Es stelle auch Eltern vor unlösbare Probleme. Denn der Verlust des Schulplatzes heißt auch, keine Tagesstruktur und Betreuung mehr. Viele Eltern müssten dann ihren Job aufgeben, um ihren Nachwuchs daheim zu betreuen.

Das heurige Dezember-Lichtermeer soll gegen diesen Ausschluss halten. Es sei als Zeichen gegen diese Benachteiligung gedacht, sagen Landau und Scamoni, der selber ein Rollstuhlfahrer ist. Konkret gelte es, für eine Gesellschaft einzutreten, die Kindern und Jugendlichen inklusive Bildung ermöglicht, als Grundlage umfassender gesellschaftlicher Teilhabe im weiteren Leben. Das Recht auf ein elftes und 12. Schuljahr für behinderte Kinder sei dazu unverzichtbar. (Irene Brickner, 18.12.2022)