Abendteuer vor dem Eisernen Vorhang.

Pöhn

Mit vierzehn – wie fühlt man sich da so? Darüber hat Wolfgang Herrndorf 2010 einen Roman geschrieben, der durch die Decke ging: Tschick. Ein Millionenseller, dem eine supererfolgreiche Adaption fürs Theater, eine Verfilmung und auch eine Jugendoper folgten. Fünf Jahre nach deren Uraufführung im deutschen Hagen gab’s nun die Premiere der leicht gekürzten und adaptierten Fassung von Ludger Vollmers Tschick an der Staatsoper. Statt von Berlin aus brettern Maik und Tschick nun von Wien aus durch die Pampa. Und der geklaute hellblaue Lada? Ist auf der beengten Spielfläche vor dem eisernen Vorhang nicht zu sehen.

Denn Krysztina Winkel gelingt das Kunststück, eine "Road Opera" (Vollmer) zu inszenieren, in der es keine Straßen und keine Autos gibt. Weizenfelder, Berge, Tankstellen, Müllhalden und Stauseen: ebenfalls verzweifelt gesucht. Fahrbare Leichtmetalltreppen werden vor einem bühnenportalgroßen, Natur andeutenden Hintergrundbild hin- und hergeschoben (Bühne Ella Steinbach & Xandi Vogler).

Kaum Stimmung

Ab und zu agiert der Opernschulchor auch in und aus den Proszeniumslogen, das war’s. Projektionen? Fehlanzeige. So kommt erstens kaum Stimmung auf (etwa bei der Betrachtung des Sternenhimmels), und zweitens weiß der unbedarfte Zuschauer nie, wo Tschick und Maik gerade Station machen. Ein Artmutszeugnis.

Zumindest die Musik müht sich um Klangbilder und will weiter, immer weiter. Jugendkompatibel ist an den wandlungsverliebten Klängen und Rhythmen von Ludger Vollmer leider rein gar nichts, da will ein Komponist einfach nur zeigen, was er handwerklich so draufhat. Leider nie den richtigen Ton: Und zwar vom ersten superpeinlichen Ökoaktivisten-Chor ("Fliegchen, summ herum") bis zur streicherunterlegten Outing-Elegie Tschicks.

Warum Dialekt?

Überhaupt, die Sprache: Warum musste man Tina Hartmanns Libretto punktuell dialektisieren ("Oida, bist deppert?"), wenn meistens eh nur steriles Bühnendeutsch gesprochen wird? Und warum ist Maiks Klassenumfeld, im Roman düsteres Feindesland, so blumig gestylt wie er (Kostüme: Mahshad Safaei)?

Solche kardinalen Schnitzer schmerzen, wenn man den Einsatz der jugendlichen Akteure aus dem Umfeld der Opernschule der Staatsoper bemerkt. Zu Beginn noch dünn im Klang und unzulänglich verstärkt, ist am Ende beim Anti-Jugend-Chor bei der Gerichtsverhandlung endlich Power da. Die hat das von Johannes Mertl geleitete Bühnenorchester der Staatsoper von Beginn an.

Felix Pacher gibt die Titelpartie mit einer Papageno-haften, robusten Fröhlichkeit; Constantin Müller hat als Maik schöne Hugh-Grant-Haare plus Jusstudentensprödheit, bühnenpunkig Marlene Janschützs Isa. Premierenjubel für eine Produktion, in der fast gar nichts stimmt. (Stefan Ender,18.12.)