Kanzler Karl Nehammer erklärt Vizekanzler Werner Kogler die Vorgangsweise: Gemeinsam wollen sie mit einer Klausur in Niederösterreich – wo sonst? – wieder in die Gänge kommen.

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Wien – Für Anfang Jänner ist eine gemeinsame Klausur der Regierungsparteien geplant. Der genaue Termin ist noch nicht fixiert, auch der Austragungsort sei offen. Aus Regierungskreisen ist zu hören, dass aus pragmatischen Gründen ein Ort im Umland von Wien erwogen werde – Mauerbach böte sich an. Das ist mit Sicherheit kein Zufall: Die gebotene Wien-Nähe bedeutet in jedem Fall: Niederösterreich. Und dort finden am 29. Jänner Landtagswahlen statt.

Man wolle sich aber nicht in Szene setzen, sondern arbeiten. Die Koalition selbst legt sich die Latte hoch, die Erwartungen sind groß: Es gehe darum, die Regierung wiederzubeleben, Themen vorzugeben und vor allem konkrete Ergebnisse zu präsentieren. Die Regierung will zeigen, dass sie funktionstüchtig ist, dass sie arbeitet und liefert.

Koalitionsgeist aufrichten

Es geht auch darum, den Koalitionsgeist wieder aufzurichten. Zuletzt hat die Stimmung vor allem auf grüner Seite massiv gelitten. Der stramme und aggressive Rechtskurs der ÖVP in Asylfragen hat beim Juniorpartner eine massive Irritation ausgelöst. Viele Funktionäre, auch Abgeordnete, sind stinksauer. Die Achse zwischen Kanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler sei zwar noch intakt, dahinter machen sich aber starke Abnützungserscheinungen bemerkbar – mit einer Tendenz zu einer Absetzbewegung. Dem will die grüne Parteispitze, aber auch die Volkspartei etwas entgegensetzen.

ÖVP zieht Grüne runter

Den ÖVP-Strategen ist durchaus bewusst, dass auch die Grünen durch das allgemein schlechte Erscheinungsbild, das die Schwarzen derzeit abgeben, hinuntergezogen werden. Dort unten nutzen sie auch der ÖVP nichts. Die Koalition muss halten, vorzeitige Neuwahlen wären für beide Regierungsteile eine Katastrophe.

Also muss bei der Regierungsklausur geliefert werden. Einen ersten Vorgeschmack gab es bereits an diesem Wochenende, als die Grünen nach langem Hin und Her endlich das Aus für die Maklergebühren verkünden konnten, gegen das sich die ÖVP trotz vorheriger Vereinbarung so hinhaltend gewehrt hatte. Die Gesetzesänderung sieht vor, dass nur mehr der Auftraggeber, das ist in der Regel der Vermieter, die Maklergebühr zu bezahlen hat, nicht der Mieter. Das Gesetz kann aufgrund des heftigen internen Gerangels allerdings nicht wie geplant mit 1. Jänner, sondern erst mit Jahresmitte 2023 in Kraft treten.

Schwarzes Entgegenkommen

Die ÖVP hat vor, den Grünen auch in weiteren, sehr symbolträchtigen Punkten entgegenzukommen. Parteiintern wird diskutiert, ob man nicht endlich den Weg frei machen wolle für eine Verschärfung des Korruptionsstrafrechts. Die weisungsfreie Bundesstaatsanwaltschaft harrt ebenso einer Erledigung. Auch eine Zustimmung zum Informationsfreiheitsgesetz, das fertig auf dem Tisch liegt, wird erwogen. Koalitionsintern sollen bereits am Montag die Verhandlungen zur damit verbundenen Abschaffung des Amtsgeheimnisses aufgenommen werden.

Unerledigte Aufgaben

In der Koalition sind etliche Aufgaben noch unerledigt, etwa die Finanzierung des ORF, das Klimaschutzgesetz, das Pensionssplitting, die Einrichtung einer Glückspielbehörde oder die Reform des Arbeitsmarktes, die wegen Uneinigkeit abgesagt werden musste.

Mit dem geplanten Entgegenkommen der ÖVP den Grünen gegenüber soll auch die schlechte Stimmung bekämpft werden, die sich koalitionsintern nach dem Schengen-Veto von Nehammer und Innenminister Gerhard Karner verfestigt hat. 2023 muss inhaltlich etwas weitergehen, darin sind sich die Koalitionspartner einig, sonst habe man die 2024 anstehende Nationalratswahl schon verloren. Die Regierung will Aufbruchstimmung und Zuversicht versprühen – angesichts der derzeitigen Lage ein schwieriges Unterfangen.

Bei so viel – geplantem – Entgegenkommen der ÖVP fragt man sich natürlich, was die ÖVP durchsetzen und bei den Grünen einfordern könnte. Darüber scheinen die Strategen beider Parteien noch zu grübeln. Dass die Reform des Arbeitslosengeldes doch kommen könnte, was der ÖVP ein großes Anliegen wäre, gilt als unwahrscheinlich. Da haben sich beide Parteien zu sehr eingegraben. Also wird noch nach einem Prestigeprojekt gesucht, mit dem die ÖVP ihrer Klientel gegenüber kräftig Flagge zeigen könnte. (Michael Völker, 18.12.2022)