Vor dem Gericht in London protestierten am Montag vieel Menschen gegen die geplanten Abschiebungen nach Ruanda.

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London – Ein britisches Gericht hat einen umstrittenen Plan der konservativen Regierung für den Umgang mit Asylsuchenden im Grundsatz bestätigt. Illegal nach Großbritannien eingereiste Migrantinnen und Migranten in das ostafrikanische Ruanda zu schicken und dort einen Asylantrag stellen zu lassen, stehe im Einklang mit der Flüchtlingskonvention, entschied der High Court in London am Montag. Allerdings müsse jeder Einzelfall genau geprüft werden.

Der Ruanda-Plan ist das zentrale Vorhaben, mit dem die Regierung von Premierminister Rishi Sunak Migranten von der Überfahrt über den Ärmelkanal abschrecken will. Sie orientiert sich an einer ähnlichen Regelung aus Australien, wo Migranten und Migrantinnen nach Papua-Neuguinea und Nauru geschickt werden.

Die Regelung stammt eigentlich schon aus dem vergangenen April, als noch Boris Johnson die Regierung anführte. Sie wurde von der damaligen Innenministerin Priti Patel mit der ruandesischen Führung vereinbart. Dafür wurde eine Summe von umgerechnet knapp 140 Millionen Euro an Ruanda bezahlt. Sowohl Johnsons kurzlebige Nachfolgerin Liz Truss als auch der jetzige Premier Sunak hielten an der umstrittenen Regelung fest.

Sie sieht vor, dass die Migranten in Ruanda Asyl beantragen und – wenn es ihnen gewährt wird – dort leben können. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Bisher ist aber noch kein einziger der geplanten Abschiebeflüge tatsächlich umgesetzt worden. Im Juni war der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte per Anordnung in letzter Minute eingeschritten, als der erste derartige Flug stattfinden hätte solle.

Flüchtlingsorganisationen hatten in Großbritannien gegen das Vorhaben geklagt. Nach dem Richterspruch zeigten sie sich enttäuscht. Es gilt als wahrscheinlich, dass sie das Urteil anfechten werden.

Zuvor hatten Mitglieder aller Parteien, die Uno und sogar auch König Charles den Plan kritisiert. Diverse NGOs sprachen ihren weitere Solidarität mit den Flüchtenden aus.

Steigende Zahl an Ärmelkanal-Flüchtlinge

Dem aktuellen Urteil liegt die Klage von acht Geflüchteten gegen das britische Innenministerium zugrunde. Richter Clive Lewis entschied im Grundsatz für die Regierung. Zugleich urteilte er aber, dass die Fälle der acht Flüchtlinge nicht ausreichend geprüft worden seien, und verwies sie zurück an die Behörde.

Die zunehmende Zahl von Menschen, die illegal über den Ärmelkanal nach Großbritannien einreisen, ist der Regierung in London seit längerem ein Dorn im Auge. Dieses Jahr hätten eine Rekordzahl von rund 44.000 Menschen über das Wasser die Einreise nach Großbritannien gewagt. Die meisten von ihnen kommen aus Kriegsgebieten wie Afghanistan oder Krisengebieten wie dem Iran. Erst vergangene Woche sind beim Versuch der Überquerung wieder vier Menschen gestorben.

Sunak hat eine strikte Einwanderungspolitik zu einem seiner politischen Kernversprechen seit seinem Amtsantritt im Oktober gemacht. Es gehe dabei darum, die Flüchtenden zu schützen und Menschen davon abzuhalten, sich auf die gefährliche Reise zu machen. Den Zuzug einzuschränken und die Kontrolle über die eigenen Grenzen zu erhalten, war eines der Kernversprechen des Brexit. Sunak gilt als Brexiteer der ersten Stunde. Seine Innenministerin Suella Braverman möchte daher auch "so rasch als möglich" die Regelung umsetzen. Das schrieb die als Hardlinerin bekannte Braverman auf Twitter nach der Urteilsverkündung.

Kritiker weisen darauf hin, dass es keine legalen Einreiserouten für Schutzsuchende gebe. Anwälte der acht klagenden Flüchtlinge gaben außerdem an, dass Ruanda gar nicht die Kapazität hätte, so vielen Migranten und Migrantinnen aufzunehmen und zu betreuen.

Nicht nur Großbritannien, sondern auch die dänische Regierung hatte zuletzt über Aufnahmezentren in Ruanda nachgedacht. Auch in Dänemark werden die Pläne der sozialdemokratischen Regierungschefin Mette Frederiksen äußerst kritisch diskutiert. (APA, red, 19.12.2022)