Wien – Der Wiener Integrationsrat hat unzureichende Deutschkenntnisse bei zahlreichen Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund festgestellt. Dies betrifft sowohl kürzlich zugewanderte Personen als auch Menschen aus länger ansässigen Familien. Der Integrationsrat ist ein von der Stadt ins Leben gerufenes beratendes Gremium. Die Mängel würden sich vor allem auch dadurch ergeben, dass die Klassen immer diverser werden, wie Ratsmitglied Kenan Güngör in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) am Montag ausführte.

Zugleich hat der Integrationsrat konstatiert, dass sich Deutsch als in den Schulen benützte Sprache immer mehr durchsetzt. Güngör erklärt warum: Früher habe es zwei bis drei Sprachgruppen gegeben. Seit mehr Menschen etwa aus dem Nahen Osten oder aus Osteuropa in den Schulen anzutreffen seien, komme es zu mehr Fragmentierung. "Mit dem Effekt, dass Deutsch immer mehr gemeinsame Sprache wird." Dies würden ihm Lehrkräfte berichten, so Güngör.

Mehr Deutsch, aber mäßige Kenntnisse

Das sei prinzipiell wünschenswert. Das Problem sei jedoch, dass die Deutschkenntnisse trotz allem oft nur mäßig seien. Der Aufholbedarf bestehe noch immer. Die Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Universität Wien verwies in diesem Zusammenhang auf die von ihr mitverfasste Evaluierungsstudie zu den 2018 eingeführten Deutschförderklassen. In dieser war erheblicher Weiterentwicklungsbedarf geortet worden.

Spiel bekräftigte heute ihre Forderungen. Zentral dabei ist der Wunsch nach mehr Autonomie für die Schulen, um flexibel auf Anforderungen reagieren zu können. Auch die Fortsetzung der Förderung nach zwei Jahren wird verlangt. Derzeit endet die Deutschunterstützung nach vier Semestern. Wiens Bildungsstadtrat Wiederkehr unterstützte diese Forderungen – die sich an den Bund richten würden, wie er betonte. Länder allein könnten diese nicht umsetzen, gerade Wien brauche hier zusätzliche Ressourcen.

Pläne der Stadt

Doch Wien will auch selbst gegensteuern, wie der Stadtrat sagte. So will man etwa Ganztagsschulen weiter ausbauen. Und es wird überlegt, die Kriterien für einen Aufnahme zu ändern. War es bisher so, dass etwa alleinerziehende Eltern bevorzugt wurden, könnten künftig auch Faktoren wie der Bildungsabschluss oder das Einkommen der Eltern verstärkt berücksichtigt werden. Kinder aus bildungsferneren Schichten sollen so verstärkt in die ganztägigen Schulformen gebracht werden.

Auch im Kindergarten soll angesetzt werden. Im kommenden Jahr soll es hier 100 zusätzliche Sprachförderkräfte geben. Auch ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr wird als zweckmäßig erachtet. Diese Forderung richtet sich aber ebenfalls an den Bund.

Mehr Eltern-Einbindung

Eltern sollen zudem verstärkt in das Kindergarten- und Schulsystem eingebunden werden, sagte Wiederkehr. Allerdings wurde heute auch davor gewarnt, den Bildungsauftrag immer mehr an Familien auszulagern. Gerade Personen aus bildungsferneren Familien seien damit oft überfordert, erläuterte Kenan Güngör.

Bildung, so zeigte sich Wiederkehr überzeugt, sei der Schlüssel für gelungene Integration. Um die Deutschkenntnisse zu erhöhen, seien intensivere Bemühungen nötig. Zugleich betonte er, dass Sprachvielfalt prinzipiell etwas Positives sei. (APA, red, 19.12.2022)