Foto: Michael Hausenblas

"Ich bin jetzt 57,5 Jahre alt und seit 1990 der Chef der Fleischerei. Davor führten meine Eltern den Betrieb. Und vor ihnen meine Großeltern. Wir steuern auf den 100. Geburtstag zu. Mein 28-jähriger Sohn Florian arbeitet auch im Geschäft und wird in zweieinhalb Jahren das Ruder übernehmen. Das war überhaupt nie ein Thema. Er wusste schon als Kleinkind, dass er Fleischhauer werden würde. Als in der Volksschule verschiedene Berufe durchgenommen wurden, war er richtig böse, weil sich die Frage der Jobwahl für ihn ja bereits erledigt hatte.

Wir sind die letzten klassischen Fleischhauer im ersten Bezirk. Warum das so ist? Nun, wir sind ein Familienbetrieb, das heißt, es ist neben verschiedenen Aushilfskräften immer ein Familienmitglied anwesend. Ferner bieten wir, wie ich das sehe, beste Qualität hoch über dem Mittelmaß. Da heißt es, immer gut zu sondieren. Vielleicht ist das das Geheimnis. Es stimmt schon, dass auch weiterhin Bäckereien aufsperren, wohingegen im ersten Bezirk alle Fleischer zusperrten. Unser Job ist vielleicht ein bisserl härter. Der Bäcker steht in der warmen Backstube, beim Fleischer ist alles kalt. Klar muss der Bäcker früh aufstehen, aber wenn er Glück hat, geht er zu Mittag schlafen. Bei uns geht’s mitunter von vier, halb fünf in der Früh bis acht am Abend. Wir haben im neunten Bezirk am Sobieskiplatz unsere Erzeugung untergebracht, wo geräuchert, geselcht und gekocht wird. Am meisten Spaß beim Job macht mir allerdings der Verkauf, der Kontakt mit der Kundschaft.

Josef Kröppel vor seiner Fleischerei im ersten Bezirk.
Foto: Michael Hausenblas

Ein höherer Anspruch

Verändert hat sich über die Jahre der Anspruch der Leute. Der ist heute eindeutig höher. Sie wollen einfach eine Superware. Für diese sind sie auch bereit, Wege auf sich zu nehmen. Zu uns kommen sie von Simmering und anderen Bezirken. Aus dem Grund existieren wir noch.

Ich esse vom Leberkäs bis zum Kalbskotelett jedes Fleisch gerne. Muss ich ehrlich sagen. Bei mir gibt’s täglich Fleisch auf dem Teller, auch wenn ich mir hin und wieder vornehme, einen Tag Pause zu machen. Aber dann rutscht mir mittags doch eine Leberkässemmel durch oder der Anschnitt vom Kümmelbraten, wenn er gerade frisch aus dem Rohr kommt. Man muss ja kosten, oder? Wir bieten sehr viel an, zum Beispiel unsere Spezialitäten Biokalb aus Hartberg, Kalbinnen, also ganz junge Rinder aus dem steirischen Hügelland, Mangalitza-Schwein aus dem Seewinkel, unseren Beinschinken, das Gselchte und so weiter.

Wie ich über Vegetarier denke? Ich glaube, derzeit ernähren sich bei uns zwischen fünf und sieben Prozent vegetarisch. Hin und wieder kommt jemand ins Geschäft und sagt, er sei Vegetarier und würde das Fleisch oder die Wurst nur für jemanden besorgen. Wozu? Das tangiert mich weniger. Ich erzähle ja auch nicht jedem und jeder, dass ich Fleisch und nur wenig Gemüse esse.

Die Distanz ist gewachsen

Ich würde nicht sagen, dass früher alles besser war. Aber leichter. Heute brauchst du einen Bescheid für die Lüftung, einen für die Kühlung, ein Pickerl dafür, dass ich vor dem Geschäft parken darf, und so weiter und so fort. Das Rundherum wurde viel aufwendiger. Und die Schreibtischarbeit.

Was das Kundenverhalten betrifft, muss man dieses ‚früher‘ genauer definieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg war ein irrer Bedarf. Früher hatten manche Leute aus der Oberschicht noch Bedienstete, die ein Riesenstück Kalbsbraten oder Tafelspitz zu besorgen hatten. Freundlich musste man früher sein, und das gilt auch heute noch. Wenn man nicht freundlich ist, hat man im Verkauf nichts verloren. Der Schmäh läuft heute hauptsächlich mit Kunden, die man schon lange Jahre kennt. Generell ist die Distanz eher gewachsen. Wer die nervigste Kundschaft ist? Die, die drei Deka Leberkas in ein Semmerl will." (Michael Hausenblas, 26.12.2022)