Sie waren Freunde fürs Leben und Nationalsozialisten der ersten Stunde: Friedrich Rainer, einst NS-Gauleiter Salzburgs und Kärntens, und Odilo Globocnik, SS-Obergruppenführer und Schützling Heinrich Himmlers. Gemeinsam waren die Kärntner verantwortlich für Deportationen und die systematische Ermordung von Millionen Jüdinnen und Juden. Globocnik war es, der mit der sogenannten "Aktion Reinhardt" von 1941 bis 1943 den Holocaust in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden orchestrierte.

80 Jahre später sorgen die Grabstätten von "Friedl" und "Globus", wie die beiden Nazigrößen früher genannt wurden, für Aufregung. Rainers Grab in Klagenfurt wurde nach Funden mutmaßlicher NS-Bezüge Gegenstand von Anzeigen und wird von der Staatsanwaltschaft überprüft. Die Existenz von Globocniks Grabstein war österreichischen Historikern wiederum bisher gar nicht bekannt. STANDARD-Recherchen machen die Ruhestätte des Kriegsverbrechers in einer winzigen Oberkärntner Ortschaft nun erstmals zum Thema.

Gepflegte Grabstätte

Klagenfurt, 12. November: Auf dem Zentralfriedhof Annabichl marschiert eine Trauergesellschaft auf, die später für strafrechtliche Ermittlungen sorgen wird. Der bekannte Veteran der Waffen-SS, Herbert Bellschan von Mildenburg, war 98-jährig verstorben. Unter die Begräbnisgäste mischten sich Rechtsextreme und vorbestrafte Neonazis. Wie Fotos des Presseservice Wien belegen, hielt der Trauerzug auch andächtig vor einem weiteren Gedenkstein: Friedrich Rainer, von 1941 bis 1945 NS-Gauleiter Kärntens, besitzt hier am Friedhof Annabichl eine gepflegte Ruhestätte.

Eine Lebensrune prangt am Grabstein von Friedrich Rainer.
Foto: Thomas Hoisl

Es ist vor allem die Grabgestaltung, die seither für Aufsehen sorgt: Einerseits prangt auf dem Gedenkstein eine große Lebensrune – ein Symbol, das von NSDAP-Organisationen genutzt wurde. Außerdem wird der Grabstein durch eine kryptische Inschrift geschmückt: "Nur aus Vergangenem und Gegenwärtigem zugleich baut sich die Zukunft auf." Unterlagen, die dem STANDARD vorliegen, zeigen, dass das Zitat in einer Rede Adolf Hitlers am Reichsparteitag 1933 in Nürnberg gefallen ist, in der auch über "Gesetze der rassischen Vererbung" und das Judentum als "ohne künstlerisch produktive Fähigkeit" gehetzt wurde.

Zufall? Experten glauben nicht daran: "Die zustimmende Verwendung eines Hitler-Zitats in Verbindung mit der Rune und dem Hintergrund der Geschichte Rainers kann meines Erachtens als NS-Wiederbetätigung gesehen werden", sagt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW). Die grüne Parlamentarierin Olga Voglauer sieht das ähnlich. Sie brachte eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt ein. "Das Grab von Gauleiter Rainer ist zur Pilgerstätte geworden", sagt sie.

Dass sich die sterblichen Überreste des Gauleiters auf dem Klagenfurter Friedhof befinden, ist auszuschließen. Das Familiengrab samt Inschrift entstand erst in den 1990er-Jahren, als Rainers Sohn starb, der sich zeitlebens selbst im rechtsextremen Milieu bewegte. Gauleiter Rainer war nach Kriegsende 1945 in einer Almhütte oberhalb des Weißensees von britischen Soldaten verhaftet und nach Jugoslawien ausgeliefert worden. Dort verurteilte man ihn als Kriegsverbrecher und exekutierte ihn 1947.

Bei der Festnahme war Rainer aber nicht alleine. Mit ihm versteckte sich der hochrangige NS-Verbrecher Odilo Globocnik in der Almhütte. Rainer und Globocnik waren seit ihrer frühen, illegalen Tätigkeit für die Kärntner Nationalsozialisten eng befreundet. Nach der Verhaftung beging Globocnik mit einer Zyankalikapsel Suizid. Er soll danach auf einem Acker nahe dem Ort Paternion verscharrt worden sein.

Inschrift für Massenmörder

Während also Rainer in den 1990er-Jahren mit dem Familiengrab beerbt wurde, dachte man vom Kriegsverbrecher Globocnik, dass er keine weiteren Spuren hinterließ. Doch an den Massenmörder wird sehr wohl mit einer Grabinschrift erinnert.

In der kleinen Gemeinde Radlach steht eine Pfarrkirche. Davor liegt der Friedhof des Ortes und das Grab von Odilo Globocnik.
Foto: Thomas Hoisl

Radlach, eine kleine Ortschaft in der Gemeinde Steinfeld, ist selbst Kärnten-Kennern kaum ein Begriff. Über die Landstraße B100 gelangt man in das 180-Seelen-Dorf im Oberen Drautal. Auf einer Anhöhe steht eine alte Pfarrkirche, vor ihr liegt ein Friedhof. Auf einem der ältesten und auffälligsten Familiengräber findet sich bei einem Lokalaugenschein der Name: Odilo Globocnik – samt korrektem Geburts- und Sterbejahr.

Die Grabtafel von Odilo und Lore Globocnik.
Foto: Thomas Hoisl

"Dieser Grabstein ist mir völlig neu", sagt Johannes Sachslehner, der erst vor wenigen Jahren eine Biografie über Globocnik veröffentlicht hat. Laut seinen Quellen gab es in den 1950er-Jahren zwar Bestrebungen der Gemeinde Paternion, den Leichnam auf dem erwähnten Acker auszugraben. Die Ehefrau Globocniks, Lore Globocnik, habe einer Exhumierung aber nicht zugestimmt, sagt Sachslehner. So dürfte es sich bei der Grabinschrift – wie schon bei Friedrich Rainer – um eine "leere" Gedenkstätte für den SS-Obergruppenführer handeln. Fest steht, dass in dem Familiengrab vor allem die Angehörigen der Ehefrau, die aus Steinfeld stammte, bestattet sind. Lore Globocnik starb in den 1970er-Jahren, sie war als Gebietsmädelführerin Kärntens ebenfalls eine hochrangige NS-Funktionärin.

Überrascht zeigt man sich auch beim Wiener Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien: "Mir ist nicht bekannt, dass eine Person von solcher Bedeutung für den Holocaust – im negativen Sinne – völlig ohne Kontextualisierung auf einem Grabstein steht. Das ist merkwürdig, und das wirft erinnerungshistorisch Fragen auf", sagt Direktor Jochen Böhler.

Keine Kenntnis

Dabei war das ominöse Grab vor einigen Jahren schon einmal dem slowenischen Germanisten Mihael Toš aufgefallen. Er forschte anlässlich eines pädagogischen Projekts zum Thema Holocaust und stieß über Gerüchte auf den Friedhof in Radlach: "Ich würde gerne sagen, dass ich das Grab entdeckt habe, aber zumindest einige Leute im Ort kennen die Inschrift und die Bedeutung", sagt Toš, der damals mit Einheimischen ins Gespräch gekommen sei.

Der langjährige SPÖ-Bürgermeister der Gemeinde, Ewald Tschabitscher, will die Inschrift hingegen nicht kennen, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD: "Bis heute hatte ich keine Kenntnis von einem Grabstein mit dem Namen Odilo Globocnik." Für ihn bestehe aktuell kein Handlungsbedarf: "Mich hat noch nie jemand darauf angesprochen oder sich dazu geäußert."

Kontext gefordert

Doch es gibt Stimmen, die das anders sehen: "Ich finde es ungeheuerlich, dass für einen der grausamsten Menschen aller Zeiten in einem Kärntner Dorf ein Grab – ganz ohne Hinweise – als ‚Denkmal‘ existiert", sagt etwa der Kärntner Schriftsteller und Georg-Büchner-Preisträger Josef Winkler zum STANDARD. Mit seinem Roman Laß dich heimgeigen, Vater, oder Den Tod ins Herz mir schreibe hatte Winkler 2018 literarisch auf Globocnik Bezug genommen, da dieser auf genau jenem Acker verscharrt worden sein soll, den die Familie des Schriftstellers einst landwirtschaftlich bestellte.

Historiker Böhler vom Wiesenthal-Institut spricht sich für eine Kontextualisierung aus: "Man sollte diese Gravur nicht unkommentiert stehen lassen. Man müsste aber natürlich versuchen, die Inhaber des Grabes miteinzubeziehen."

Eine Kontaktaufnahme mit der Familie durch den STANDARD blieb bislang unbeantwortet. Erst im letzten Jahr ist der einzige Sohn der Globocniks verstorben, er habe zurückgezogen gelebt, heißt es. (Thomas Hoisl, 20.12.2022)