Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman empfängt Chinas Präsident Xi Jinping in Riad.

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Da kam nicht nur einfach der chinesische Präsident nach Saudi-Arabien: Durch die aktuelle Krise zwischen Washington und Riad, die tiefste in der Geschichte ihrer strategischen Allianz, hatte der Besuch von Xi Jinping vergangene Woche einen ganz besonderen Referenzrahmen. Es war keine "Faustgruß-Visite" wie jene von US-Präsident Joe Biden bei Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) im Sommer; der Empfang Xis war eher jenem von Donald Trump auf seiner ersten Auslandsreise als Präsident im Jahr 2017 vergleichbar. Auf Xi warteten ein bilateraler Staatsbesuch und ein Gipfel mit arabischen Staats- und Regierungschefs.

Die US-Regierung machte gar kein Hehl daraus, dass sie mit Argusaugen verfolgte, was in Riad lief. Das Pentagon sprach im Vorfeld "Sicherheitsrisiken" für die USA an, wenn "unsere engsten Alliierten und Partner zu tief mit China zusammenarbeiten".

Erhöhter Druck auf Biden

Zwischen Saudi-Arabien und China wurden 40 Vereinbarungen geschlossen, die meisten davon im Energie-, aber auch im Technologiebereich und jenem der künstlichen Intelligenz. Das ist zwar durchaus sicherheitskritisch, aber die USA können insofern zufrieden sein, als die Aussagen zu einer Zusammenarbeit im militärischen Bereich sehr vage blieben. Verteidigungsdeals wurden nicht abgeschlossen.

Dass der Druck auf Biden erhöht werden sollte, bei Waffenverkäufen mehr Entgegenkommen zu zeigen – und dabei nicht, wie man es am Golf sieht, die Menschenrechtskeule auszupacken, etwa in Bezug auf den Krieg im Jemen –, liegt auf der Hand.

Wink mit dem Zaunpfahl

Die arabischen Golfstaaten sehen die USA unter Biden als unverlässlichen Partner und winken mit dem Zaunpfahl, dass man sich gegebenenfalls auch militärisch anders versorgen könnte. "Wir werden uns nicht zurückziehen und ein Vakuum hinterlassen, in das Russland und China eindringen können", sagte Biden im Juli in Jeddah. Aber genau das scheint zu passieren.

Vor allem aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) kamen jedoch Stimmen, die betonten, dass die wirtschaftliche Zukunft der arabischen Golfstaaten in China liege, die strategische Sicherheit der Region jedoch "unmissverständlich" weiter in der Allianz mit den USA. Dass ausgerechnet der mächtige Präsident der VAE und Emir von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed, einst "Mentor" von MbS, dem Gipfel fernblieb, interpretierten manche als Statement, dass ihm die Brüskierung Bidens zu weit gehe.

Der Schatten Khashoggis

Zur Empörung der USA hatte MbS im Oktober in der Opec+ einer Reduzierung der Ölproduktion beigestimmt, was ihm als Russland-freundlich ausgelegt wurde. Immerhin haben die USA inzwischen die Immunität Mohammed bin Salmans als frischgebackener saudischer Premier – ein Posten, der laut Gesetz eigentlich der saudische König innehat – anerkannt. Es wird also keine Prozesse in den USA wegen der Ermordung des Washington-Post-Kolumnisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 im saudischen Generalkonsulat in Istanbul geben.

Von Xi Jinping haben die arabischen Autokraten in Richtung "Einmischung" nichts zu befürchten – und für die Hüter der heiligen islamischen Stätten in Mekka und Medina ist das Schicksal ihrer uigurischen Glaubensbrüder in Xinjiang ebenfalls kein Thema. So unterschiedlich die Wirtschaften sind, so ähnlich sind sich die autoritären Systeme: Modernität und technischer Fortschritt ohne innere politische Öffnung. Vom Überwachungsstaat China gibt es viel zu lernen.

Xi und der Iran

Das Investitionsfeld ist weit, vom chinesischen Seidenstraßenprojekt bis zur saudischen Megastadt Neom. Die Saudis verlangen von Investoren, dass sie im Königreich ihr regionales Hauptquartier errichten (auch das freut die VAE nicht): Chinesische Unternehmen haben damit weniger Probleme als westliche.

Im Jahr 2016 war Xi schon einmal in Riad gewesen, aber damals verband er das mit einer Reise nach Teheran, um Äquidistanz zu signalisieren. Obwohl China 2021 ein 25-jähriges strategisches Abkommen mit dem Iran abgeschlossen hat, ließ der chinesische Machthaber die Iraner diesmal nicht nur links liegen: Als Folge einer gemeinsamen Erklärung Chinas und der arabischen Golfstaaten wurde sogar der chinesische Botschafter ins Außenministerium in Teheran einbestellt.

Mehrere Punkte dieser Erklärung befassen sich kritisch mit dem Iran, seinem Atomprogramm und seiner Regionalpolitik. Was die Iraner aber richtig auf die Palme brachte, war die Anmerkung, dass die Frage von drei zwischen Iran und VAE umstrittenen Inseln im Persischen Golf (Große und Kleine Tunb, Abu Musa) in "bilateralen Verhandlungen im Einklang mit den Regeln des Völkerrechts" gelöst werden solle.

"Teil iranischer Erde"

Der iranische Außenminister Hossein Amirabdullahian bezeichnete die Inseln als "untrennbarer Teil reiner iranischer Erde", iranische Medien thematisierten die Taiwan-Frage. 1971, nach dem Abzug der Briten, hatte der Iran unter dem Schah die Inseln besetzt, die VAE beanspruchen sie jedoch ebenfalls.

Die Entwicklung zeigt den Ärger Chinas mit der iranischen Atompolitik: Mangels eines Atomdeals werden auch die Iran-Sanktionen nicht aufgehoben, und die geplanten chinesischen Geschäfte mit Teheran heben nicht ab. Xi dürfte auch nicht goutieren, dass Teheran mit Drohnen- und vielleicht bald Raketenlieferungen für Russland im Ukraine-Krieg den quasi neutralen Block verlassen hat, den China anführt. (Gudrun Harrer, 20.12.2022)