Ab 1. Juli 2023 müssen Wohnungssuchende nur dann den Makler bezahlen, wenn sie ihn selbst beauftragt haben.

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Es sah bereits nach einem Scheitern aus, doch nun soll das Bestellerprinzip bei den Maklerprovisionen, wie am Sonntag bekannt wurde, bis zum Februar durch den Nationalrat geschickt werden und dann per 1. Juli 2023 ohne Übergangsfrist in Kraft treten. Ab diesem Datum wird es dann also für Mieterinnen und Mieter im Regelfall keine Provision mehr zu zahlen geben, darauf haben sich ÖVP und Grüne nun doch noch geeinigt.

Doch wird es auch wirklich so sein? Manche Details der Regelung sind noch nicht bekannt, weil sie laut Justizministerium erst mit der Regierungsvorlage am Mittwoch veröffentlicht werden. Wifo-Ökonom Klien zeigt sich allerdings optimistisch. Die Mieter seien die Gewinner und auch der Immobilienmarkt habe nichts zu befürchten. Die Arbeiterkammer zeigt sich hingegen zurückhaltend, sie möchte den Gesetzesentwurf noch genau prüfen.

Was wird sich durch die neue Regelung für Wohnungssuchende, Vermieter und Maklerinnen ändern? Der Versuch eines Blicks in die Glaskugel.

Mieterinnen und Mieter: Entlastung, aber Einpreisung in die Miete wird teilweise möglich

Mieterinnen und Mieter sollen ab 1. Juli 2023 nur noch in Ausnahmefällen Maklerprovision zahlen müssen und sich damit künftig kumuliert rund 55 Millionen Euro im Jahr ersparen. So steht es im Begleittext zum Maklergesetz-Änderungsgesetz. Aber ist das realistisch?

"Ich glaube schon, dass die Mieter die Gewinner sind", sagt Michael Klien vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Nachsatz: "Ob es der ganze Kuchen wird, ist aber fraglich." Denn eine gewisse Überwälzung, also dass Mieter dennoch einen Teil der Maklerkosten durch etwa erhöhte Mietpreise übernehmen müssen, sei anzunehmen. Im Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG), grob gesagt also bei privaten Wohnungen in Häusern mit Baujahr nach dem Zweiten Weltkrieg, wäre das rechtlich auch möglich; in Altbauwohnungen, die dem Richtwert unterliegen, nicht.

Aufgrund des aktuellen großen Angebots an Mietwohnungen seien der Überwälzung aber sicher Grenzen gesetzt. Wifo-Ökonom Klien bezweifelt deshalb, dass das Bestellerprinzip für Mietwohnungen starke Effekte auf den Immobilienmarkt haben wird.

Für die Arbeiterkammer war das Bestellerprinzip jedenfalls im Begutachtungsentwurf schlicht noch "unzureichend abgesichert". Wenn etwa das Tätigwerden einer Maklerin vom Vermieter bloß "geduldet" und diese nicht explizit beauftragt werde, könne trotzdem der Wohnungssuchende als Erstauftraggeber gelten. Und bei ihm liege dann auch die Beweislast, darauf machte AK-Experte Walter Rosifka schon in seiner Stellungnahme aufmerksam. Miet-Interessenten würden so "in die Klägerrolle gedrängt", und insbesondere bei einem befristeten Mietvertrag wären wohl die Hürden, sein Recht einzuklagen, hoch. Wie viele dieser Bedenken letztlich in der Regierungsvorlage berücksichtigt wurden, ist noch offen. Laut Grünen wurden sämtliche Fallstricke beseitigt.

Vermieterinnen und Vermieter: Viele werden die Vermietung wohl zunächst ohne Makler probieren

Für Vermieterinnen und Vermieter wird sich mit der Einführung des Bestellerprinzips bzw. "Erstauftraggeberprinzips", wie es in der vorliegenden Form auch genannt wird, wohl auch einiges ändern. Wenn die Wohnungssuchenden in der Regel nichts mehr bezahlen müssen, werden Maklerinnen und Makler versuchen, ihre Dienstleistung von den Abgebern bezahlen zu lassen. Das hat in der Vergangenheit bisher mittelprächtig funktioniert, nun wird es einen neuen Anlauf geben, die sogenannte Abgeberprovision durchzusetzen.

In Deutschland haben viele Vermieterinnen und Vermieter nach der Einführung des Bestellerprinzips im Jahr 2015 allerdings zunächst auf die Dienste der Maklerinnen und Makler verzichtet. Es kam zu einem regelrechten Einbruch der (Miet-)Wohnungsvermittlungen über Makler, das registrierte man sowohl beim Immobilien-Interessenverband IVD als auch in der offiziellen Evaluierung des Bestellerprinzips im Jahr 2021. Demnach hatten vor der Einführung lediglich 29 Prozent der für eine Studie befragten Vermieter die Vermarktung ihrer Wohnungen primär selbst in die Hand genommen, danach waren es 52 Prozent. Umgekehrt gefragt, nahmen zuvor 62 Prozent primär die Dienste von Maklerinnen und Maklern in Anspruch, nach der Einführung des Bestellerprinzips nur noch 35 Prozent. Vor allem Privatvermieter versuchen in Deutschland ihre Mietobjekte nun selbst zu vermieten.

Auch die österreichische Regierung geht davon aus, dass Vermieter hierzulande zur Einsparung von Kosten künftig auf die Vermittlung eines Maklers verzichten und die Mietersuche selbst übernehmen werden. Laut der Folgekostenabschätzung sollte sich dies allerdings nicht auf die Anzahl aller öffentlich angebotenen Wohnungen auswirken. Hier verweist man ebenfalls auf Deutschland, denn auch hier habe sich das Angebot zwar kurzfristig schon, langfristig betrachtet aber kaum beeinflussen lassen.

Maklerinnen und Makler: Einnahmen aus Mietgeschäften werden massiv schrumpfen

Auf die Immobilienbranche kommen wohl große Einschnitte zu. Nach Schätzung von Experten der Maklerbranche wird österreichweit derzeit bei etwa 70 Prozent der Mietwohnungen ein Makler beigezogen. In größeren Städten liegt die Vermittlungsquote sogar bei 80-90 Prozent. Nach Einführung des Bestellerprinzips geht die Regierung davon aus, dass sich künftig nur noch in 35 Prozent der Fälle Vermieter an einen Makler wenden.

Die Folgenabschätzung, die für den Ministerialentwurf der Novelle des Maklergesetzes angefertigt wurde, sprach von einem derzeitigen bundesweiten Jahresumsatz an Maklerprovisionen aus Wohnungsmietverträgen von rund 67,3 Millionen Euro – davon 49,4 Millionen auf Mieterseite. Der Großteil davon – bis auf geschätzte knapp fünf Millionen Euro – dürfte entfallen, dafür sollten die rund 17,9 Millionen auf Vermieterseite künftig auf 35 Millionen steigen. Insgesamt dürfte der Jahresumsatz allerdings um 28,8 Millionen auf nur noch rund 38,5 Millionen sinken.

Wohlgemerkt: Aus Mietverträgen. Weil der Großteil der Einnahmen von Maklerinnen und Maklern aber ohnehin aus Kauftransaktionen stammt, sieht Wifo-Ökonom Klien die Sache nicht so dramatisch. Er verweist außerdem auf Deutschland. Dort habe sich die Einführung des Bestellerprinzips 2015 weder auf die Umsätze noch auf die Anzahl der Makler ausgewirkt.

Die österreichische Immobranche kämpft seit Jahren gegen das Bestellerprinzip an und weist auf drastische Änderungen hin, die durchaus möglich scheinen: Das "Ablöse-Unwesen" der 1980er-Jahre könne zurückkehren, wenn Vermieter dazu übergehen, neue Mieter durch die alten Mieter suchen zu lassen – inklusive "Ablösen" für die Vermittlung. Wohnungssuchende würden dann zwar trotzdem zahlen, aber keinerlei rechtlichen Schutz genießen, sagt Wiens Makler-Obmann Michael Pisecky. Er fordert eine Evaluierung des Vorhabens schon nach einem Jahr. (Martin Putschögl, Pauline Severin, 20.12.2022)