So viele Tore wie noch nie (172), vergleichsweise wenige gelbe (217) und rote Karten (dreimal Gelb-Rot, nur einmal Rot), das wohl beste Finale der ballesterischen Neuzeit – sportlich war das Turnier in Katar in vielerlei Hinsicht top – auch abseits von Lionel Messi, Kylian Mbappé und Co.

Top: Finalschiedsrichter

Das vielleicht beste Finale der Geschichte wurde vom besten Schiedsrichter des Turniers geleitet. Der 41-jährige Pole Szymon Marciniak erstaunte und begeisterte den einst berühmtesten Schiedsrichter der Welt gleichermaßen. "Er war stärker als die heutige Technik und hat unglaublich präzise Entscheidungen getroffen", sagte Pierluigi Collina, der Referee-Boss des Weltverbandes Fifa. Da und dort wurde Marciniaks Leistung auch anders bewertet. L’Équipe gab lediglich die Note zwei aufgrund aus ihrer Sicht fehlender Verwarnungen und unterschiedlicher Strenge in den Elfmeterszenen. Der Bestwert wäre die Note zehn gewesen.

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Top: Torhüterleistungen

Patzer gab es wenige, dafür überragende Vorstellungen. Der ausgezeichnete Argentinier Emiliano Martinez, der Kroate Dominik Livaković, Marokkos Yassine Bounou, der Franzose Hugo Lloris und der Pole Wojciech Szczęsny überzeugten besonders.

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Top: Asien

Der asiatische Verband stellte erstmals in der Geschichte drei Achtelfinalisten. Das waren so viele wie bei den vergangenen vier Turnieren insgesamt. In Katar qualifizierten sich Japan, Südkorea und Australien für die Runde der besten 16, wo für das Trio allerdings das Aus kam.

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Top: Marokko

Die "Löwen vom Atlas" waren die Sensation der WM. Die Nummer 22 der Weltrangliste erreichte als erste afrikanische Mannschaft das Halbfinale. Walid Regragui hatte die Truppe erst Ende August übernommen. Umso erstaunlicher war der einzigartige Erfolgslauf des Vierten.

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Top: Kroatien

Vizeweltmeister 2018, Dritter 2022 – ein Land mit vier Millionen Einwohnern ist in der Spitze des Weltfußballs etabliert. In Luka Modrić haben die Kroaten hoffentlich noch lange das Idealbild eines Kapitäns.

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Top: Nachspielzeit

Auch wenn es zuweilen Nerven kostete – die strenge Auslegung in puncto Nachspielzeit war ein Gewinn, nicht nur für die Sponsoren, die so länger im Bild blieben. Zeitschinden war kein taktisches Mittel, mehr Fußball die logische Konsequenz.

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Es sei auch hier betont: Diese Endrunde hätte aus diversen Gründen – korrupte Vergabe, Klima, Menschenrechte – niemals in Katar stattfinden dürfen. Der größte Flop war so gesehen die WM an sich. Sportlich floppten Cristiano Ronaldo, Deutschland sowie alte und neue Gegner Österreichs.

Flop: Gianni Infantino

Der Fifa-Präsident biederte sich Katar in unwürdiger Weise an, fand kaum Worte zu Menschenrechtsverletzungen und sexueller Diskriminierung. Die Debatte um die One-Love-Kapitänsbinde wuchs auf dem Mist der Fifa, sie verbot die Schleife aus Rücksicht auf Katar und präsentierte dann eine eigene mit dem Aufdruck "No discrimination".

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Flop: Cristiano Ronaldo

Der hinter Lionel Messi lange Zeit immerhin zweittollste Fußballer der Welt ist in Portugals Team gelandet, wohin schon Manchester United schob: auf dem Abstellgleis. Wird interessant, wie es mit Ronaldo weitergeht. Kann er mit 37 noch einmal aufdrehen, oder heuert er am Ende wirklich in Saudi-Arabien an?

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Flop: Deutschland/Spanien

Das frühe deutsche Scheitern hatte vor allem einen Grund: Pech. Aber schon auch einen zweiten: Unvermögen. Es zeigte sich in der Defensive beim 1:2 gegen Japan und in der Offensive beim 1:1 gegen Spanien, als im Finish die beste Chance (Sané!) vergeben wurde. Immerhin war es nur gerecht, dass die Spanier, die Japan ins Achtelfinale mitnahmen, dann flott gescheitert sind.

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Flop: Bayern München

Der deutsche Rekordmeister hat gar nicht mitgespielt und ist doch WM-Verlierer. Trainer Julian Nagelsmann wird auch als Psychologe gefragt sein. 16 Spieler schickte Bayern zur WM, nur der Kroate Stanisic kehrt als WM-Dritter mit einem Erfolgserlebnis zurück. Bayerns Franzosen Coman, Upamecano, Pavard und – der noch dazu schwer verletzte – Hernandez sind als Finalverlierer enttäuscht. Wie Hernandez fallen Goalie Neuer (Skiunfall, Beinbruch) und Mané, schon vor der WM bedient, monatelang aus.

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Flop: Österreichs Gegner

Das gibt zumindest ein wenig zu denken, dass just jene Mannschaften, gegen die Österreich im WM-Playoff (Wales) und in der Nations League (Dänemark) keinen Auftrag hatte, in Katar sang- und klanglos untergingen. Hoffnung gibt indes das frühe Scheitern der Belgier. Sie warten in der Qualifikation für die EM 2024 (Deutschland) auf das österreichische Team. (Sigi Lützow, Fritz Neumann, 20.12.2022)

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