Wien – Die Medienbehörde KommAustria hat nach STANDARD-Informationen Beschwerden der Universitätenkonferenz sowie des Presseclubs Concordia gegen die Bestellung von ORF-Publikumsräten durch Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) zurückgewiesen. Die KommAustria sieht sich nicht zuständig, über die Auswahl von Vertretern im zweiten ORF-Gremium neben dem Stiftungsrat zu entscheiden.
Die Beschwerdeführer können gegen die Entscheidung der KommAustria binnen vier Wochen das Bundesverwaltungsgericht anrufen.
- Update (20.12.): Der Presseclub Concoria hat gegenüber dem STANDARD angekündigt, sich an das Bundesverwaltungsgericht wenden, "weil wir die Frage der Unabhängigkeit des ORF für demokratiepolitisch essentiell halten".
Warum ist das wichtig?
Der Publikumsrat des ORF wird mehrheitlich von der Medienministerin aus Vorschlägen von Organisationen beschickt, die eine Reihe von gesellschaftlichen Gruppen vertreten. Wesentlich ist der Publikumsrat vor allem, weil er mit Mehrheit sechs Mitglieder in das Entscheidungsgremium Stiftungrat entsendet. Der Stiftungsrat bestellt die ORF-Führung und kann sie abberufen, er beschließt Budgets und Programmschemata, und er entscheidet über wesentliche unternehmerische Vorhaben.
KommAustria sieht sich nicht zuständig
Die Universitätenkonferenz schickte der Medienministerin, wie im Gesetz vorgesehen, einen Dreiervorschlag für den Publikumsrat, als repräsentative Organisation für den Bereich Wissenschaft. Die Ministerin entschied sich (neuerlich) für Markus Hengstschläger als Repräsentant der Wissenschaft, vorgeschlagen vom oberösterreichischen, ÖVP-nahen Verein "Academia Superior Gesellschaft für Zukunftsforschung".
Der Presseclub Concordia initiierte eine Publikumsbeschwerde – dafür braucht es mindestens 120 Unterstützer – gegen Raabs Bestellung.
Die KommAustria argumentiert, sie sei laut Verfassung nicht für die rechtliche Kontrolle von Entscheidungen der Medienministerin zuständig, vielmehr in Sachen ORF alleine für die Prüfung der Tätigkeiten des ORF und seiner Tochtergesellschaften zuständig und verweist auf entsprechende Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs seien Verwaltungsbehörden ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage nicht zur nachprüfenden Kontrolle von Entscheidungen eines obersten Organs der Verwaltung berufen.
Beschwerdeführer argumentierten zudem, dass mit der gesetzwidrigen Bestellung ein nicht rechtmäßig zusammengesetzter Publikumsrat sechs Mitglieder in den Stiftungsrat entsandt habe, und damit ein nicht rechtmäßig zusammengesetzter Stiftungsrat etwa einen neuen Vorsitzenden bestellt habe. Diesen Punkt wies die KommAustria als unzulässig zurück.
Sideletter mit Vorschlagsrecht keine Anordnung von außen
Die Beschwerden verwiesen zudem darauf, dass der Stiftungsratsvorsitzende – Lothar Lockl von den Grünen – bereits in einem Regierungs-Sideletter den Grünen zugesprochen wurde. Das sei ein Verstoß gegen die per Verfassungsgesetz vorgeschriebene Unabhängigkeit der Organe des ORF.
Hier verweist die die Medienbehörde auf frühere Entscheidungen, wonach die nur informelle Organisation von Mitgliedern des Stiftungsrats in (parteipolitischen) "Freundeskreisen" alleine nicht dem Gebot der Unabhängigkeit widerspreche und also auch nicht gesetzwidrig sei.
Nur konkrete Anordnungen von außen an einzelne Mitglieder des Stiftungsrates würden laut KommAustria der Unabhängigkeit widersprechen. Dass der Sideletter zum Koalitionsabkommen von ÖVP und Grünen ein Vorschlagsrecht der Grünen für den Vorsitzenden vorsah, sei keine solche Anordnung.
Verfassungsgerichtshof prüft
Zur Zusammensetzung der ORF-Gremien liegt beim Verfassungsgericht ein Prüfantrag des Landes Burgenland. Er moniert die gesetzlichen Vorgaben für die Beschickung des Stiftungsrats durch Bundesregierung, Landesregierungen, Parteien und des mehrheitlich von der Medienministerin besetzten Publikumsrats. Sie widersprächen wegen zu großen Politeinflusses dem Verfassungsgebot der Unabhängigkeit. (fid, 19.12.2022)