"Manche Dinge passieren aus gutem Grund", sagt Becker, der verurteilt wurde, weil er Vermögen beiseitegeschafft und verschwiegen hatte.

Foto: Sat1 / Nadine Rupp

Aus dem Scheinwerferlicht ist es direkt hinter schwedische Gardinen gegangen, und Boris Becker war plötzlich "nur eine Nummer. Meine war A2923EV. Im Gefängnis bist du niemand." Also sprach der 55-Jährige im ersten Interview nach seiner Entlassung aus britischer Haft, es wurde am Mittwochabend auf Sat1 ausgestrahlt. Aus der schwierigen Zeit hat die Tennisikone auch Kraft gezogen. "Ich glaube, ich habe den Menschen in mir wiederentdeckt, der ich einmal war", sagte Becker.

Dieser Mensch, der er war, war durch sein Tennisspiel zum Weltstar aufgestiegen. Becker hat dreimal Wimbledon und drei weitere Grand-Slam-Titel gewonnen und mehr als 25 Millionen Euro allein an Preisgeldern verdient, die Werbeeinnahmen machten geschätzt noch einmal ein Drei- bis Vierfaches davon aus. Als einer der größten Sportmomente aller Zeiten gilt das Wimbledon-Finale 1985, das der erst 17-jährige Becker als jüngster und erster ungesetzter Spieler sowie als erster Deutscher gewann – mit 6:3, 6:7, 7:6 und 6:4 gegen den Südafrikaner Kevin Curren.

Acht Monate in Haft

Am vergangenen Donnerstag hat Boris Becker das Huntercombe-Gefängnis in London verlassen. Mehr als acht Monate nach seiner Verurteilung wegen Vergehen im Insolvenzverfahren profitierte er kurz vor Weihnachten davon, dass die britischen Haftanstalten überfüllt sind. Nun ist er wieder ein freier Mann. Nur seine Wahlheimat England musste er verlassen.

Auch unmittelbar vor seiner Abschiebung nach Deutschland war für Becker wie schon zuvor viel Geduld gefragt gewesen. "Ich saß ab sechs Uhr in der Früh auf meiner Bettkante und hoffte, dass die Zellentür aufgeht", ließ der Mann aus Leimen bei Heidelberg im "Sat1 Spezial. Boris Becker" wissen. "Sie kamen um halb acht, schlossen auf und fragten: ‚Bist du fertig?‘ Ich sagte: ‚Los geht’s!‘ Ich hatte auch schon alles gepackt."

Becker war verurteilt worden, weil er Teile seines Vermögens im Insolvenzverfahren nicht ordnungsgemäß angegeben hatte. Ein ehemaliger Geschäftspartner hatte Schulden in Höhe von 36,5 Millionen Euro von Becker eingefordert und auch in Großbritannien ein Insolvenzverfahren gegen Becker angestrengt. Das zuständige Gericht verlängerte das Verfahren 2019 zunächst zumindest in Teilen bis 2031. Auch die Versteigerung einiger Trophäen konnte dem Ex-Sportstar nicht entscheidend helfen, 771.000 Euro kamen so herein. Eine Kleinigkeit in Relation zu Beckers Schulden, die der britische Insolvenzverwalter im Jahr 2020 anerkannte.

In vier Punkten schuldig

Vor allem aber wurde dem Deutschen vorgeworfen, er sei im Zuge des Insolvenzverfahrens in 19 Fällen seinen Informationspflichten nicht nachgekommen. Becker erklärte sich für unschuldig, das nahm ihm das Gericht nicht ab. Im April 2022 wurde er in vier von 24 Anklagepunkten schuldiggesprochen. Er hatte, so hieß es in der Urteilsbegründung, noch nach seiner Bankrotterklärung größere Geldbeträge beiseitegeschafft und darüber hinaus weitere Vermögenswerte – Immobilien- und Aktienbesitz sowie ein Bankdarlehen – verschwiegen. Zweieinhalb Jahre Haft wurden über Becker verhängt, die Hälfte davon unbedingt. Nach britischem Strafrecht musste Becker die Strafe unmittelbar antreten, eine Berufung hätte er nur aus dem Gefängnis heraus einlegen können, darauf verzichtete er.

"Hart, teuer, schmerzhaft"

Die schwierigste Zeit seines Lebens hat nicht nur sichtbare Spuren hinterlassen – er hat abgenommen, ist deutlich schmaler im Gesicht –, sondern vor allem auch psychische. Becker sagt nun, er habe "eine harte Lektion gelernt. Eine sehr teure. Eine sehr schmerzhafte." Und er will versuchen, daraus etwas zu machen. Seine Verurteilung und die Zeit im Gefängnis hätten ihn "etwas Wichtiges und Gutes gelehrt", sagt er. "Und manche Dinge passieren aus gutem Grund."

Die Bild-Zeitung hatte bereits am Tag vor der Ausstrahlung des Exklusivinterviews berichtet, dass Becker bei Mithäftlingen und Wärtern beliebt gewesen sei. Die erste Zeit verbrachte er in Wandsworth, später wurde er nach Huntercombe verlegt. "Wandsworth ist das schlimmste Gefängnis Englands. Doch Boris Becker hatte das Glück, nach zwei Wochen als Lehrer für Deutsch und Mathe arbeiten zu dürfen", zitierte Bild einen namentlich nicht genannten Mithäftling.

Sat1-Moderator Steven Gätjen hat das Interview mit Becker geführt, hatte ihn auch in Huntercombe besucht, wie der deutsche Sportinformationsdienst (sid) berichtete. "Nach den ersten vier Tagen in Einzelhaft war für ihn das einzige Ziel, rauszukommen und zu arbeiten. Er wollte einfach nur an die frische Luft. Er hat gesagt, er hätte alles dafür gemacht", sagt Gätjen.

Rückkehr ins Tennis?

Der Tiefpunkt könne laut Gätjen auch ein Wendepunkt im Leben der Tennislegende sein. "Ich glaube, dass Boris Becker wirklich willens ist, aufzuräumen und viele Dinge klarzustellen." Dabei helfen könnten Becker seine Sportconnections. Wie die dpa berichtete, hält der Deutsche Tennis Bund seinem ehemaligen Mitarbeiter Becker die Tür für eine Rückkehr offen. "Boris Becker ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der deutschen Tennisfamilie. Seine Verdienste sind und bleiben einzigartig." (Fritz Neumann, 21.12.2022)