Ursprünglich als leicht modifizierte Ubuntu-Variante gestartet, hat sich Linux Mint über die Jahre gehörig gemausert. Mit einem an Windows-Systeme angelehnten Desktop-Aufbau konnte Mint nicht nur viele Linux-Neueinsteiger für sich begeistern, es findet sich auch kontinuierlich in der Liste der am meisten bei Distrowatch abgefragten Distributionen.

Neue Version

Beste Voraussetzungen also, sich Linux Mint wieder einmal etwas näher anzusehen, die Veröffentlichung einer neuen Version bietet den passenden Anlass. Mit Linux Mint 21.1 "Vera" gibt es nun also eine frische Ausgabe der Distribution, die sich durch eine Fülle von Updates auszeichnet – aber auch dadurch, was gleich bleibt.

Die Basis der neuen Version bildet weiterhin Ubuntu 22.04, also jene "Long Term Support"-Version der bekannten Distribution, die im Frühjahr veröffentlicht wurde. Anders gesagt: Mint setzt auf Stabilität statt Aktualität, wer die neueste Software haben will, muss also zu anderen Distributionen greifen. Versinnbildlicht wird das durch den genutzten Kernel, die Version 5.15 ist bereits etwas älter, aktuell ist Linux 6.1.

Verfügbarkeit

Wie gewohnt kann die neue Version in Form eines Systemabbilds heruntergeladen werden, in diesem Fall ist es rund 2,7 GByte groß. Das lässt sich dann auf einen USB-Stick spielen, von dem aus gleich direkt in das System gestartet und dieses so gefahrlos ausprobiert werden kann. Wer will, kann von dieser Stelle aus aber auch gleich eine fixe Installation auf dem jeweiligen Rechner initiieren.

Der Desktop von Linux Mint, so wie er sein soll: mit Dark Theme, Neofetch und einer ziemlich tiefentspannten Katze.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Apropos: Die Installation ist wie gewohnt mit ein paar Klicks erledigt und weitgehend selbsterklärend. Genau genommen verwendet man hier einfach den Ubuntu-Installer, allerdings gibt es ein paar Detailverbesserungen wie die Option, auch gleich ein paar der wichtigsten Multimedia-Codecs einzurichten.

Optional ist es zudem möglich, das Home-Verzeichnis – also dort, wo die eigenen Dokumente und andere Dateien lagern – zu verschlüsseln. Generell muss einmal mehr angemerkt sein, dass es betrüblich ist, dass die Datenträgerverschlüsselung unter Linux nicht schon längst zum Standard geworden ist – aber das ist ein allgemeines Problem.

Desktop

Als Desktop kommt in der primären Ausgabe von Linux Mint die Eigenentwicklung Cinnamon zum Einsatz – hier in der Version 5.6. Einst auf Basis des Gnome-Desktops entstanden, hat sich Cinnamon mittlerweile seit Jahren unabhängig weiterentwickelt. Dabei nutzt man einen Windows-ähnlichen Aufbau mit einem Panel am unteren Bildschirmrand sowie einem klassischen Startmenü und diversen Applets.

All das ist mittlerweile gut ausgereift, wer sich unter Windows auskennt, wird also auch hiermit zurechtkommen – und das ist durchaus beabsichtigt. Mit Cinnamon 5.6 wurde entsprechend auch nur Feinschliff am Bestehenden vorgenommen.

Zu den Neuerungen gehört ein Applet, das beim Bewegen des Mauszeigers ins rechte untere Eck die offenen Fenster kurz ausblendet, um einen Blick auf den Desktop zu gewähren. Ganz Mint-typisch gibt es eine Fülle von Optionen, um dieses Feature anzupassen, etwa die Fenster in diesem Fall semitransparent anzudeuten. Wem das noch nicht reicht, der darf auch noch einen Blur-Effekt verwenden. In Summe ist das ein nützliches Extra, den Desktop-Alltag revolutionieren wird es aber eher nicht. Das wäre allerdings auch etwas viel verlangt.

Aufräumen

Schon beim ersten Start wird die Individualisierung des Looks angeraten.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Apropos Desktop: Mit der neuen Version präsentiert sich dieser nun von Haus aus leer. Im Gegensatz zu Gnome – oder zumindest dessen Default-Einstellung – können aber sehr wohl noch Dateien und Verzeichnisse an dieser Stelle abgelagert werden. Allerdings hat man bemerkt, dass die Default-Ablagerung von Icons für Home-Verzeichnis oder Mistkübel doppelt gemoppelt ist, immerhin sind diese auch über andere Wege zu erreichen – etwa über den Dateimanager oder entsprechende Icons im Panel.

Auch sonst zeichnet sich Linux Mint 21.1 durch optische Verfeinerungen aus. So gibt es nun ein neues Icon-Set, das ganz Mint-untypisch nicht mehr grün, sondern gelb ist. Dazu kommen für das Interface neue, stärkere Highlightfarben, von denen "Aqua" – also ein Blauton – nun die Default-Wahl ist. Wem das nicht gefällt, kann unter dem Namen "Mint-Y-Legacy" aber ohnehin den gewohnten Look aus früheren Versionen aktivieren. Und natürlich gibt es wieder jede Menge alternative Icon-Sets, einige davon sind sogar vorinstalliert.

Apropos neuer Look: Passend dazu wird nun auch ein neues Theme für den Mauszeiger verwendet. Ebenfalls überarbeitet wurde das Klang-Feedback: Für die neuen Systemsounds hat man sich bei Googles Material Design bedient.

Details

An Detaileinstellungen mangelt es bei Linux Mint nicht.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Als weitere Neuerung bewirbt Linux Mint die Reduktion von Passwortabfragen, so ist etwa bei der Entfernung von Flatpaks oder anderen im User-Account installierten Programmen keine zusätzliche Authentifizierung mehr notwendig. Eine weitere nette Kleinigkeit ist, dass der Dateimanager Nemo nun direkt die Echtheit von Iso-Dateien verifizieren kann.

Softwareauswahl

Die Eckpunkte der Softwareausstattung bilden wie gewohnt Firefox und Libreoffice, die mit den Versionen 108 respektive 7.3.7.2 auch in aktuellen Ausgaben enthalten sind. Ansonsten fällt bei Mint auf, dass ziemlich viel an Software vorinstalliert wird. So wird etwa selbst ein IRC-Client (Hexchat) oder auch das Programm Hypnotix zum Streamen von kostenlosem Fernsehen mitgeliefert. Ob man dies als Bloatware oder als nützliche Tipps empfindet, ist natürlich von der eigenen Perspektive abhängig. Zumindest lässt sich alles, was man nicht will, auch restlos entfernen.

Dabei fällt auf, dass Mint für vieles eigene Tools hat, auch wenn diese oft auf andere Projekte zurückgehen. So ist das etwa beim Dateimanager Nemo, der ein Abkömmling des Gnome-Dateimanagers ist. Mittlerweile haben sich die beiden Projekte allerdings deutlich auseinanderentwickelt.

Generell ist das auch nicht verkehrt, zumal Nemo explizit geschaffen wurde, um Features nachzureichen, die bei Gnome abgelehnt wurden. Mittlerweile hat sich aber auch dort viel getan, und die aktuellen Versionen des Gnome-Dateimanagers bieten eine Fülle an Modernisierungen, die man nun wiederum bei Nemo vergeblich sucht. Wer will, kann darin eine Kehrseite solcher Abspaltungen sehen.

Flatpak

Neben klassischen Paketen unterstützt Linux Mint von Haus aus auch das distributionsübergreifende Flatpak-Format, wobei Flathub als Quelle fix eingerichtet ist. Programme von dort können also ganz normal über die grafische Paketverwaltung gesucht und eingerichtet werden. Flatpaks sind dabei allerdings extra markiert, um den Unterschied klarzumachen. Neu in Linux Mint 21.1 ist, dass Flatpaks nun auch im Update-Manager neben klassischen Programmen angezeigt werden und auf diesem Weg gemeinsam aktualisiert werden können.

Flatpaks lassen sich leicht installieren, die notwendigen Quellen sind bereits von Haus aus eingerichtet.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Bleibt die Frage, warum man nicht gleich ein paar Flatpaks vorinstalliert, wenn man schon dieses Format forciert? Immerhin gibt es etwa Firefox oder LibreOffice auch auf Flathub – und zwar direkt von den Originalentwicklern gewartet. Zu diesem Schritt scheint man sich bisher aber noch nicht durchringen zu können.

Anforderungen

Linux Mint listet die Mindestanforderungen für das System bei 2 GB RAM, empfohlen werden aber 4 GB. Beim lokalen Speicherplatz sollten dann schon mindestens 20 GB vorhanden sein – und natürlich entsprechend mehr, wenn man auch wirklich all die eigenen Fotos, Videos und Musikdateien ablagern will. Die minimale Bildschirmauflösung ist übrigens mit 1024 x 768 angegeben – nur falls das schon immer mal wer wissen wollte.

Updates für Linux Mint 21.1 soll es bis zum Jahr 2027 geben, danach besteht aber ohnehin die Möglichkeit, auf eine spätere Generation der Software zu wechseln – wie es bei Linux generell üblich ist. Ein Sprung auf eine neue Ubuntu-Basis soll dann erst im Jahr 2024 erfolgen, wenn dessen nächste LTS-Version ansteht.

Alternativen

Neben der Ausgabe mit Cinnamon gibt es wie gewohnt auch Varianten mit zwei anderen Desktops: Xfce sowie Mate. Bei Xfce ist sich allerdings leider nicht mehr die aktuellste Version ausgegangen, die erst vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Stattdessen ist wieder Xfce 4.16 mit dabei. Bei Mate handelt es sich um einen simplen Desktop für jene, die sich nach einem klassischen Linux-Desktop im Gnome-2.x-Stil sehnen.

Fazit

Was bleibt, ist ein durchaus ausgereifter Desktop, der sich gerade für Windows-Umsteiger gut eignet. Wer gesteigerten Wert auf eine modernere Softwareausstattung legt, ist hingegen bei anderen Distributionen wie Fedora besser aufgehoben. Und fortgeschrittene Linux-User werden ohnehin lieber zu anderen Angeboten wie Arch Linux und all seinen Ablegern greifen. (Andreas Proschofsky, 20.12.2022)