Ende November unterzeichnete der Energieminister von Katar, Saad Sherida Al-Kaabi, mit Ryan Lance, CEO von ConocoPhilipps, einen Vertrag zur Lieferung von LNG an Deutschland.

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Ein hochrangiger Diplomat aus Katar hat gemeint, der Umgang Brüssels mit dem Korruptionsskandal könne die Sicherheitskooperation und Diskussionen über die globale Energiesicherheit zwischen der EU und dem gasreichen Golfstaat "negativ beeinflussen". Das Emirat habe jedoch nicht vor, Lieferungen von verflüssigtem Erdgas (LNG; Liquified Natural Gas) zu kürzen oder Gasexporte zu politisieren, berichtete die Financial Times am Sonntag unter Hinweis auf besagten Diplomaten. In Europa macht sich dennoch Verunsicherung breit, weil die Suche nach Ersatz für russisches Erdgas nicht einfacher wird.

Frage: Welche Rolle hat Katar bisher als Gaslieferant für Europa gespielt?

Antwort: Eine eher untergeordnete. Das meiste Gas, das die Katarer erzeugten, ging bisher per Schiff nach Asien. Zu den Hauptabnehmern zählten Japan, Südkorea und Indien, in zunehmendem Maße auch China. In Zentral- und Osteuropa hingegen kam LNG aus Katar, aber auch aus anderen Weltgegenden gegenüber Pipelinegas aus Russland kaum an. Es kostete schlicht zu viel.

Frage: Was hat sich verändert, seit Russland Ende August begonnen hat, Gaslieferungen nach Westeuropa drastisch einzuschränken?

Antwort: Schon kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat ein Meinungsumschwung eingesetzt, der sich Zug um Zug verstärkt hat. Russland gilt erstmals als unsicherer Kantonist, der bereit ist, Gas auch als Waffe einzusetzen. "Rette sich, wer kann" schien für einige Wochen und Monate die Devise zu sein, nach der einzelne Länder auf der Suche nach Alternativen zu russischem Gas vorgingen. Bis man sich am Montag dieser Woche beim EU-Energieministerrat doch darauf verständigen konnte, bis zu 15 Prozent der Speichermengen für den kommenden Winter gemeinschaftlich einzukaufen. Die Hoffnung ist, dass man dadurch letztlich billiger durchkommt.

Frage: Welche Stellung hat Katar als Gasexportland?

Antwort: Katar ist nach Australien der weltweit zweitgrößte Exporteur von LNG und auf dem besten Weg zur Nummer eins. Ausschlaggebend ist ein riesiges Gasfeld vor der Küste des Landes, das 1971 entdeckt wurde, das übrigens das weltweit größte zusammenhängende ist – North Field und South Field. Es ist Teil des South-Pars-Gasfelds, das auf iranischem Territorium liegt.

Frage: Wie hoch ist mittlerweile der Anteil Katars an den gesamten LNG-Importen Europas?

Antwort: Der dürfte bei rund 15 Prozent liegen. Die USA sind bei LNG wichtig für Europa. Inklusive Pipelinegas beträgt der Anteil Katars an den gesamten Gasimporten der EU-27 rund fünf Prozent. Für den britischen Markt liegt der Anteil von LNG-Importen aus Katar mit rund 30 Prozent deutlich höher als auf dem Kontinent.

Frage: Gibt es Unterschiede, was die Abhängigkeit Europas von LNG-Lieferungen aus Katar betrifft?

Antwort: Große. Während Belgien (rund 52 Prozent und Italien (etwa 48 Prozent) relativ hohe Anteile von LNG aus Katar an den Gesamtimporten verflüssigten Erdgases aufweisen, sind die Anteile in Frankreich (sechs Prozent) und Spanien (fünf Prozent) eher gering.

Frage: Bezieht auch Österreich LNG aus dem Golfstaat?

Antwort: Die OMV hat 2017 einen Vertrag mit Qatargas über LNG-Lieferungen abgeschlossen. Die Vereinbarung sieht vor, dass die staatliche Gasgesellschaft Katars zwischen 2019 und 2023 jährlich bis zu 1,1 Millionen Tonnen LNG an die OMV liefert. Das Gas gelangt per Schiff nach Rotterdam und von dort nach dem Regasifizierungsprozess in das Pipelinesystem. Zum Auftragswert wurde weder damals Angaben gemacht, noch werden sie heute spezifiziert.

Frage: Wollte Österreich nicht weitere Gaslieferungen aus Katar vereinbaren?

Antwort: Tatsächlich ist eine Regierungsdelegation mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) an der Spitze Anfang März in Doha vorstellig geworden, um, wie es damals hieß, Österreich einen guten Platz auf der Liste der Gaskunden zu sichern. Katar sei nicht nur ein großer Gasproduzent, sondern auch "ein ganz wichtiger politischer Player in diesem Raum, und zwar weit über seine Landesgrenzen hinaus", sagte Nehammer zwecks Begründung der Reisediplomatie. Konkreteres als eine Absichtserklärung gibt es bis heute nicht.

Ein Schiff wird in Katar mit LNG beladen. Zuerst wird das Gas gereinigt, dann komprimiert und abgekühlt. Bei Minus 162 Grad Celsius gehen die Kohlenwasserstoffe vom gasförmigen in flüssigen Zustand über.
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Frage: Warum nicht?

Antwort: Katar ist an langfristigen Lieferbeziehungen mit potenziellen Gaskunden interessiert, zumal das Land Milliardeninvestitionen tätigen will, um die Produktionskapazitäten in den kommenden Jahren zu verdoppeln. So lange will sich Österreich und wollen sich auch andere Länder nicht binden, weil man über kurz oder lang ganz vom Gas wegkommen will. Deutschland hingegen hat nicht zuletzt auf Druck der stark von Gas abhängigen Industrie erst Ende November einen Vertrag fixiert. Die LNG-Lieferungen werden 2026 beginnen und mindestens 15 Jahre laufen. Jährlich sollen bis zu zwei Millionen Tonnen LNG nach Deutschland gehen, wobei man sich eines US-amerikanischen Zwischenhändlers – Conoco Philipps – bedient.

Frage: Wie hoch ist nun die Wahrscheinlichkeit, dass Katar trotz diplomatischer Verstimmungen wegen des Korruptionsskandals, in den neben dem Golfstaat auch Marokko involviert ist, zu seinen Lieferverträgen steht?

Antwort: Beobachter gehen davon aus, dass es sich beim jüngsten Muskelspiel mehr um Theaterdonner handelt und dass sich das Emirat letztlich vertragsgemäß verhalten wird. Dies nicht zuletzt deshalb, weil eine erkleckliche Zahl westlicher Unternehmen wie Total Enegies, Shell, Eni, Exxon Mobile und Conoco Philipps in das Projekt rund um die Entwicklung der Gasfelder North Field und South Field involviert sind. Deshalb, so die Überlegung, sei davon auszugehen, dass Katar auch in Zukunft Interesse habe, LNG nach Europa zu exportieren.

Frage: War nicht auch die OMV einmal im Gespräch, bei diesem riesigen Gasfeld eine Rolle zu spielen?

Antwort: In der Tat war das so, nicht aufseiten der Katarer, sondern bei South Pars im Iran. Im Frühjahr 2007 unterzeichnete OMV mit der National Iranian Oil Company (Nioc) eine Absichtserklärung betreffend möglicher Beteiligungen des Unternehmens an der Entwicklung von Teilen des South Pars Gasfelds im Persischen Golf. Die Absichtserklärung umfasste auch den Bau einer Verflüssigungsanlage für LNG sowie Bezugsverträge von Erdgas, das auf minus 162 Grad Celsius verflüssigt wird und auf Schiffe verladen werden kann. Die anschließenden Sanktionen ließen das Projekt nie abheben. (Günther Strobl, 21.12.2022)