Wir müssen über Wien reden. Über die Probleme und Fehler der Wiener Stadtregierung. Die Bundesregierung macht vieles falsch, die ÖVP flüchtet sich in einen kontraproduktiven Migrationspopulismus (mit vermutlich irreführenden "Aufgriffszahlen"). Aber wir müssen auch über Wien reden. Diese Haltung – "wir haben alles richtig gemacht" – ist auch bei anderen größeren Problemen seitens der Stadt Wien zu spüren.

Wien Energie

Derzeit läuft ein Untersuchungsausschuss zum Thema Termingeschäfte und/oder Spekulationen der Wien Energie, in deren Verlauf die Zahlungsfähigkeit des städtischen Konzerns kurz infrage stand. Vorausgeschickt sei: Es ist offenbar kein Schaden entstanden. Aber es musste im Laufe des Jahres zweimal der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig einen Notkredit von insgesamt 1,4 Milliarden Euro genehmigen – still und heimlich und ganz allein. Im Spätsommer schließlich war Feuer am Dach, und der Bund musste eine Kreditlinie von zwei Milliarden bereitstellen.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig soll nun seine Chats offenlegen, wann er von den Schwierigkeiten der Wien Energie gewusst habe.
Foto: APA/TOBIAS STEINMAURER

Wie gesagt, es ist, soweit einsehbar, nichts passiert. Finanzfachleute, mit denen man damals über das Termingeschäft der Wien Energie sprach, sagten, offenbar seien die Liquiditätsschwierigkeiten entstanden, weil man an sich übliche Terminsicherungsgeschäfte zu lange und in zu großem Umfang "offen" gelassen habe – obwohl man die Preisturbulenzen im Gefolge des Ukraine-Kriegs hätte erkennen müssen.

Genau das sagte in beachtlicher Schärfe eine Reihe von Experten, die letzte Woche vor dem Wien-Energie-U-Ausschuss aussagten: "Wer damals nichts gesehen hat, war schon im Winterschlaf" (Michael Böheim vom Wirtschaftsforschungsinstitut, Anm.). "Bei uns wäre eine derartige offene Position ein Entlassungsgrund gewesen" (Wolfgang Anzengruber, Ex-Chef der Verbund AG). "Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2021 war erkennbar, dass es zu Problemen am Strommarkt kommt (Energieanalyst Johannes Benigni).

Politisches Management hinterfragen

Nicht nur das Risikomanagement der Wien Energie, sondern auch das politische Management im Rathaus ist hinterfragbar. Bürgermeister Ludwig soll nun seine Chats offenlegen, wann er von den Schwierigkeiten der Wien Energie gewusst habe. Das ist eine wohlfeile Retourkutsche der ÖVP, die selbst chatgeschädigt ist. Aber es war wohl ein Fehler, dass Ludwig nicht zu der Krisensitzung im Finanzministerium ging und auch Finanzstadtrat Peter Hanke nicht. Die Stadt Wien hat die Öffentlichkeit zunächst unzureichend und unwillig über einen potenziellen Megaskandal informiert.

Inwieweit bei der Wien Energie eine zu riskante Finanzpolitik betrieben und von der Politik zu wenig überwacht wurde, wird – vielleicht – der Untersuchungsausschuss zeigen.

Zu wenig Problembewusstsein

Wien profiliert sich gern gegen die schwarz-grüne Bundesregierung, was etwa angesichts der Maskenpflicht in den Öffis mitten in einer Infektionswelle vollkommen berechtigt ist. Bei anderen Themen – Beton, Begrünung, manche Migrationsaspekte – hat man das Gefühl, dass zu wenig Problembewusstsein vorhanden ist. Wenn in den Volksschulen die Deutschdefizite noch immer "sehr hoch" sind, wie eine Studie zeigte, dann sollten alle Alarmglocken läuten. Wien leistet einiges, aber es darf nicht zu selbstzufrieden werden. (Hans Rauscher, 21.12.2022)