Der Comic "Zarya of the Dawn" erzählt die Geschichte der nichtbinären Person Zarya, die "in verschiedenen Welten nach Werkzeugen sucht, die ihr im Umgang mit ihren Emotionen und Gedanken helfen und um eine Verbindung mit anderen Menschen und Lebewesen zu finden". Das Werk entstammt der Feder der Autorin Kristina Kashtanova, die es auch als Andenken an ihre verstorbene Großmutter verfasst hat.

Kashtanova hat den Comic aber nicht allein umgesetzt. Die Journalistin und Softwareexpertin nutzte die Bilder-KI Midjourney, die auf ihre Beschreibungen hin die Illustrationen erzeugte. Als der gegen freiwillige Spende vertriebene Comic auf einmal ohne Autorennennung weiterverbreitet wurde, beschloss Kashtanova, sich das Copyright zu sichern. Sie reichte einen entsprechenden Antrag beim US-Patentamt (USPTO) ein.

Entscheidung sorgte für großes Echo

Am 15. September genehmigte ihr die Behörde offiziell den Urheberrechtsschutz. Das sorgte für eine Welle an Berichterstattung, da "Zarya of the Dawn" somit – zumindest in den USA – zum ersten KI-gezeichneten Werk wurde, dem Urheberrechtsschutz zugestanden wurde. Das ist insofern bemerkenswert, als dass das USPTO im Februar noch in einer Berufungsentscheidung den Copyrightschutz für ein anderes KI-Werk abgelehnt hatte.

"Zarya of the Dawn" gilt, zumindest in den USA, als das erste mithilfe einer Bilder-KI geschaffene Werk, dem Urheberrechtsschutz zugestanden wurde.
Foto: Zarya of the Dawn

Dieses heißt "A Recent Entrance to Paradise" und besteht aus einem KI-Bild, das den Eindruck aus einer Nahtoderfahrung illustrieren soll und um eine ebenfalls vom Computer generierte Erzählung ergänzt wurde. Abgelehnt wurde der Antrag mit der Begründung, dass für das Werk kein Mensch als Autor geführt wird. Thaler hält diese Vorgabe für verfassungswidrig und kündigte an, den Rechtsweg weiter zu beschreiten. Im August musste er vor einem Bundesberufungsgericht allerdings eine Niederlage hinnehmen.

Was "Zarya of the Dawn" davon unterscheidet, ist, dass es eben nicht vollständig durch eine KI umgesetzt wurde. Die Erzählung stammt von Kashtanova, sie will aber auch Anerkennung für ihre Rolle als "Prompt Engineer", also für das Verfassen jener Befehle und szenischen Beschreibungen, aus denen Midjourney schließlich die Illustrationen erzeugt hat.

Behörde erwägt Rücknahme des Urheberrechts

Die Freude über das Copyright für ihren Comic währte aber nur kurz. Im Oktober benachrichtigte das USPTO Kashtanova, dass man erwägt, den Urheberrechtsschutz wieder zurückzuziehen. Das ist aber nicht einfach so möglich, die Behörde muss Betroffenen die Möglichkeit geben, Argumente vorzubringen, warum ihr Werk schutzwürdig ist.

Laut Kashtanova wurde ihr vorgeworfen, sie hätte in ihrem Antrag den Beitrag der Bilder-KI nicht ausgeführt. Das weist sie zurück und erklärt, dass Midjourney sogar auf dem Titelblatt des Comics neben ihrem Namen aufgeführt ist und dies wohl übersehen wurde.

Ein Werkzeug wie eine Kamera

Manche Medien berichteten, dass das Copyright für den Comic aufgehoben wurde, doch das entspricht nicht den Tatsachen. Am 30. November berichtete Kashtanovas Anwalt, Van Lindberg, dass man eine Antwort verfasst und abgeschickt habe. In dieser erklärt man unter anderem, dass typischerweise auch nicht angegeben wird, wenn für die Erstellung eines Werkes eine Kamera zum Einsatz kam oder Bildbearbeitungssoftware wie Photoshop verwendet wurde.

Weiters hält man fest, dass alle Textinhalte von Kashtanova verfasst wurden, ohne dafür KI oder andere Hilfsmittel einzusetzen. Die Bilder wurden zwar generiert, aber im Rahmen eines langwierigen, iterativen Prozesses, in dem Kashtanova nicht nur ihre Eingaben für Midjourney angepasst hat, sondern auch die Grafiken selber bearbeitete, um ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Die Programme, die sie genutzt hat – Midjourney inklusive –, seien also als Werkzeuge einzustufen und Kashtanova selbst als Urheberin zu betrachten.

Am 15. fasste die auf Rechtsangelegenheiten spezialisierte Plattform Lexology den Stand der Dinge zusammen. Erst am Mittwoch (21. Dezember) verbreitete Kashtanova eine Nachricht ihres Anwalts, der festhielt, dass das U.S. Patent Office noch nicht reagiert habe und sie daher weiter als Autorin und Copyrightinhaberin von "Zarya of the Dawn" gilt.

Comicillustratoren laufen Sturm gegen KI-Kunst

In der Comicbranche regt sich derweil Widerstand gegen Bilder-KIs und den Einzug generierter Werke, berichtet CBR. So sprach sich etwa Jon Moisan, der für die Boom Studios nach neuen Illustratoren sucht, klar gegen deren Nutzung aus.

"Wenn ich herausfinde, dass du mir KI-Kunst geschickt hast, um Arbeit zu bekommen, dann werde ich alles in meiner Macht Stehende unternehmen, um sicherzustellen, dass du in der Comicbranche kein Bein mehr auf den Boden bekommst", schrieb er in einem Tweet. "Es gibt in dieser Branche keinen Platz für Betrüger." In einem weiteren Posting erklärt er, dass er sich explizit auf Leute bezieht, die generierte Werke als eigene Arbeit ausgeben, was er als Diebstahl von Kunst betrachte. Jedoch sei er offen für "vernünftige" Diskussionen zum Thema KI-Kunst.

Eine Reihe anderer Leute aus der Branche stimmte diesen Aussagen zu. Zudem entwickelte sich auf der Portfolioplattform Artstation eine digitale Protestbewegung, nachdem dort zunehmend mehr KI-erzeugte Bilder aufgetaucht waren. Auch bekanntere Illustratoren wie Dave Rapoza und Lois van Baarle schlossen sich der Forderung, solche Werke zu verbieten, an.

Datenfrage

Ihr Unmut fußt weniger auf den Möglichkeiten, die Midjourney, Dall-E, Stable Diffusion und Co für ihre Nutzer bieten, sondern auf den Daten, die die Unterlage dafür bieten. Denn diese Systeme wurden mit zig Millionen an Wort-Bild-Paaren gefüttert, um das Aussehen von Dingen, die Merkmale von Zeichenstilen und andere Konzepte durch Mustererkennung zu "erlernen". Neben freiem Bildmaterial enthalten die verwendeten Datensätze allerdings auch viel Material, das durch das automatisierte Abgrasen von Webseiten auf öffentlich zugängliche Inhalte (Scraping) gesammelt wurde

Zahlreiche Künstler sehen sich dabei in ihren Rechten verletzt, da sie vor der Verarbeitung ihrer Werke durch die neuralen Netzwerke der KI-Systeme nicht konsultiert oder gar bezahlt wurden. Die KI-Bildgeneratoren geben ihre Werke zwar nie 1:1 wieder, sind aber teilweise in der Lage, bestimmte Zeichenstile erstaunlich gut zu imitieren. Seitens der Entwickler wird auf diesen Protest bereits reagiert. Midjourney ermöglicht es Künstlern mittlerweile, ihren Namen für die Eingabe von Bildbeschreibungen sperren zu lassen. (gpi, 22.12.2022)