Eva Spreitzhofer will 2023 weiterhin über Missbrauch und sexuelle Übergriffe reden.

Foto: Heribert Corn

Anfang Jänner feiert Eva Spreitzhofer ihr "Landkrimi"-Debüt im ORF: In "Immerstill" inszeniert sie einen Fall in Kärnten um verschwundene Frauen und darum, wie die Menschen in dem Ort damit umgehen, nämlich mit kollektivem Kleinreden, Vertuschen, Verharmlosen. Die Wahrheit kommt trotzdem ans Tageslicht. Besser wird es dadurch aber nicht. 2023 fordert Spreitzhofer Solidarität zwischen Männern und Frauen. Sie selbst will die Schweigekultur durchbrechen und weiterhin anregen, über das Thema #MeToo zu sprechen – einerseits im Umgang mit ihrem Team, andererseits in ihren Filmen.

Eva Spreitzhofer ist Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin. Sie erfand "Schnell ermittelt", im Kino war von ihr zuletzt "Womit haben wir das verdient?" zu sehen.

Die Etat-Prognose 2023: Was Medienmenschen erwarten

DER STANDARD bittet zum Jahreswechsel Medienmenschen um ihre Prognose, was die Branche im Jahr 2023 erwartet.

2022 erreichte #MeToo im Film auch Österreich. Wie geht es 2023 weiter?

Wer den Film "She said" von Maria Schrader gesehen hat, weiß, warum Frauen nicht über sexuelle Übergriffe reden. Und was es bedeutet, wenn es doch jemand tut. Keiner Frau, in welcher Branche auch immer, hat es je einen persönlichen Nutzen gebracht. Im Gegenteil, sie wird diffamiert, es wird ihr misstraut, sie wird der Lüge bezichtigt oder mit Fragen konfrontiert, warum sie sich denn nicht einfach gewehrt habe.

Diese Mechanismen wiederholen sich jedes einzelne Mal, in jeder Branche und in jedem Land. Denn jeder Täter ist immer auch ein Freund, ein Vater, ein Sohn, ein Kollege, ein gefeierter Filmemacher oder ein beliebter Schauspieler. Es sind nicht nur die Ungustln, es sind die attraktiven, lustigen Charismatiker.

Unterdrückung und Machtmissbrauch enden nicht von allein, es braucht Solidarität, den Zusammenschluss von Frauen und Männern. Es braucht persönliche Wahrnehmung und das Überprüfen des eigenen Tuns. Was mache ich da? Wie kommt das gerade an? Würde mir gefallen, was ich da gerade tue, wenn ich die Person wäre, mit der ich das gerade mache? Wenn laut der aktuellen Zahlen in Österreich jede dritte Frau sexuelle Gewalt erlebt hat, dann zählen wir doch einmal durch im Kino, am Arbeitsplatz, in der Familie: Eins, zwei, drei und noch einmal eins, zwei, drei – das bedeutet, wir alle kennen betroffene Frauen, und wir kennen die Männer, denn die sind meist aus dem nahen Umfeld dieser jeder dritten Frau. Wir werden weiter drüber reden und weiter kämpfen.

Was werden Sie aktiv tun, um zum weiteren Aufbruch der Schweigekultur beizutragen?

Darüber reden. Und es in meiner Arbeit thematisieren. Einerseits im Umgang mit meinem Team und den Schauspielern und Schauspielerinnen. Andererseits natürlich auch inhaltlich in meinen Filmen. Es ist zum Beispiel ungeheuer wichtig, Frauen Pointen zu schreiben, denn Humor ist Macht. Es ist wichtig, neue Sehgewohnheiten und Narrative in den Filmen zu schaffen – etwa über Frauen, die abtreiben, ohne davon traumatisiert zu sein; Männer, die den Haushalt machen, ohne davon traumatisiert zu sein. Im Landkrimi "Immerstill", den ich inszeniert habe, verschwinden beispielsweise Frauen aus einem Dorf. Ich wollte nicht nur den Fall erzählen, sondern auch wie es dazu gekommen ist, worüber nicht gesprochen werden darf und was verdrängt wird.

Wird die Branche aus den Veröffentlichungen des vergangenen Jahres lernen?

Ja. Jeder einzelne Fall, der an die Öffentlichkeit kommt, verstärkt den Druck, dass sich etwas ändern muss. Auch auf die Förderstellen, darauf zu achten, dass Menschen in einem sicheren Umfeld miteinander arbeiten. Es geht nicht immer darum, ob etwas strafrechtlich belangbar ist. Es geht auch darum, wie wir miteinander arbeiten und leben wollen. Der Einsatz von Intimacy-Koordinatoren und -Koordinatorinnen am Set zum Beispiel ist eine wichtige Neuerung. Niemand würde eine Kampfszene ohne Stuntkoordinator inszenieren und finden, man brauche keine Grenzen und könne das einfach frei improvisieren. Genauso ist es eben auch bei Sexszenen im Film.

Im Übrigen ist es wohl auch überdenkenswert, ob es eine gute Idee ist, dass Journalistinnen und Journalisten über Fälle schreiben, in die ihre Freunde involviert sind ... (Doris Priesching, 29.12.2022)