In Deutschland wie in Österreich gibt es einen nicht unwesentlichen Prozentsatz an Impfgegnern, die sich zu einem nicht geringen Prozentsatz mit Wissenschaftsskeptikern decken.

: IMAGO/Michael Gstettenbauer

Es bedurfte der Eurobarometerstudie vor einem Jahr – und der medialen Berichterstattung über die für Österreich fatalen Ergebnisse, – um die Politik und die Wissenschaft in Österreich wenigstens dieses Mal wachzurütteln. Denn 2010 waren Resultate für Österreich bereits ähnlich schlecht wie 2021, wurden damals von den politisch und wissenschaftlich Verantwortlichen aber nicht weiter ernst genommen. Nun sind sich das Wissenschaftsministerium ebenso wie Forschungseinrichtungen immerhin des Problems bewusst – und wollen etwas dagegen unternehmen.

Auch die Österreichische Akademie der Wissenschaften hat sich der im internationalen Vergleich hohen Wissenschaftsskepsis in Österreich angenommen und einige neue Initiativen gestartet. Eine davon ist eine weitere Umfrage zu dem Thema, die unter dem Titel "Wissenschaftsbarometer" ähnlich wie in Deutschland und der Schweiz ab sofort jährlich stattfinden soll.

Markanteste Ergebnisse

Die Ergebnisse der am Mittwoch präsentierten Umfrage decken sich im Großen und Ganzen mit den Resultaten der Eurobarometerstudie, den Erkenntnissen des Austria Corona Panel Project oder einer kürzlich veröffentlichen Spectra-Studie. Markanteste Ergebnisse: Zwar vertrauen 70 Prozent der Wissenschaft und Forschung "voll und ganz" oder zumindest "eher" – allerdings hat rund ein Drittel (30 Prozent) der Menschen im Land kaum Vertrauen in die Wissenschaft. 37 Prozent verlassen sich lieber auf den "gesunden Menschenverstand" als auf wissenschaftliche Studien.

Solche ernüchternden Ergebnisse machen ÖAW-Präsident Heinz Faßmann Sorgen, wie er bei der Präsentation der Daten sagte. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass Deutschland und die Schweiz bei ähnlichen Umfragen noch schlechter abschnitten: In Deutschland geben aktuell 62 Prozent an, "eher" und "voll und ganz" der Wissenschaft und Forschung zu vertrauen, in der Schweiz sind es sogar nur 59 Prozent, die "stark oder sehr stark" vertrauen.

Österreichische Akademie der Wissenschaften

Offensichtlich sind einige soziodemografische Zusammenhänge, die zum Teil neu ermittelt wurden: Je höher das Einkommen der vom Gallup-Institut befragten knapp über 1.500 Personen ist, desto stärker ist auch das Vertrauen in die Forschung und in deren Vertreterinnen und Vertreter. Personen aus finanziell schwachen Haushalten trauen der Wissenschaft zu 60 Prozent nicht oder nur wenig.

Großes Interesse, aber wenig informiert

Die weiteren Ergebnisse: Zwar geben immerhin mehr als die Hälfte der Befragten im Land an, dass sie durchaus Interesse an Wissenschaft und Forschung haben. Allerdings: Nur ein Viertel der österreichischen Bevölkerung zeigt sich sehr stark interessiert. Abermals: Im Ländervergleich befindet sich Österreich mit diesen Zahlen auf ähnlichem Niveau mit Deutschland, während in der Schweiz sogar nur 17 Prozent der Befragten sehr großes Interesse an der Wissenschaft bekunden.

Grafik: ÖAW

Doch wie wichtig ist es den Menschen in Österreich, sich über Wissenschaftsthemen zu informieren? Obwohl zwei Drittel der Bevölkerung betonen, dass dies sehr wichtig sei, suchen nur 44 Prozent gezielt nach entsprechenden Informationen. Der Anteil derjenigen, die sich für gut informiert halten, beträgt dementsprechend nur 37 Prozent. Das Internet – und hier allen voran Wikipedia und Youtube – ist mit Abstand die wichtigste Quelle für Wissenschaft und Forschung, gefolgt von ORF, Print-Tageszeitungen und anderen TV-Sendern. Andere Radiosender als jene des ORF führen kaum zu Kontakten mit Wissenschaftsthemen.

Grafik: ÖAW

Einige Ergebnisse könnten wohl auch damit zu tun haben, dass es nur wenig direkte Kontakte zwischen Forschenden und der Bevölkerung gibt:

Grafik: ÖAW

Wissenschaft versus Hausverstand

Zwar keine Mehrheitsmeinung, aber beachtliche Zustimmungsanteile wurden im aktuellen Wissenschaftsbarometer für wissenschaftsskeptische Aussagen erhoben. So glaubt etwa ein Drittel der Befragten, dass wissenschaftliche Expertinnen und Experten mit "Politik und Wirtschaft unter einer Decke stecken". Ebenso viele denken, dass man im Zweifelsfall mehr der "Lebenserfahrung einfacher Menschen" vertrauen sollte als den Einschätzungen von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern. Noch weiter verbreitet ist mit 37 Prozent die Ansicht, dass man sich mehr auf den "gesunden Menschenverstand" verlassen sollte als auf wissenschaftliche Studien.

Grafik: ÖAW

Ebenfalls zum Teil bereits bekannte Ergebnisse zeigt das naturwissenschaftsbezogene Wissen der Bevölkerung: Nur 52 Prozent bestätigen die Aussage, wonach Elektronen kleiner sind als Atome, und 28 Prozent sind der fälschlichen Meinung, dass Antibiotika neben Bakterien auch Viren töten können. Lediglich die Kontinentaldrift können über 90 Prozent korrekt bewerten.

Betrachtet man das Verhältnis von Wissenschaft und Politik genauer, so wird von den Befragten der vermeintliche Einfluss von Politik und Wirtschaft auf die Wissenschaft als deutlich größer bewertet als vice versa. Dabei sehen 56 Prozent einen zu großen Einfluss von Politik, 44 Prozent einen zu großen Einfluss von Wirtschaft auf die Wissenschaft. Umgekehrt sehen dies nur jeweils rund 20 Prozent so. (Eine Zusammenfassung der Studie auf 20 Folien gibt es hier.)

Was tun?

ÖAW-Präsident Heinz Faßmann zieht folgende Schlussfolgerungen aus der Umfrage: "Die Autorität unseres Wortes reicht nicht mehr, wir müssen in einem höheren Ausmaß als je zuvor erklären, vermitteln und überzeugen. Das betrachte ich als dringenden Auftrag an die Politik und die Wissenschaft selbst. Ich bin auch froh, dass Minister Polaschek diesem Thema höchste Wichtigkeit beimisst."

Um Maßnahmen gegen die Wissenschaftsskepsis zu sammeln, lädt die ÖAW zu einem runden Tisch mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen ein. Die Akademie plant außerdem weitere zielgruppenspezifische Programme für die Wissenschaftsvermittlung, unter anderem für Zehn- bis 14-Jährige. Schließlich sollen auch die Wissenschafterinnen und Wissenschafter selbst besser befähigt werden, über ihre Arbeit zu kommunizieren. (tasch, 21.12.2022)