Kinder und Jugendliche mit Behinderung wollen garantierten Zugang zu Schulbildung – zwölf Jahre lang.

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In Österreich sitzen seit September mehr als 500 Teenager mit Behinderung daheim und müssen von ihren Eltern betreut werden, statt in die Schule gehen zu können und so ihre Chancen auf Teilhabe zu verbessern. Das brachte vergangenen Sonntag mehrere Tausend Menschen auf die winterlich-kalten Straßen. Die Ungleichbehandlung von Kindern mit Behinderung war Thema des Lichtermeers der Initiative #YesWeCare auf dem Wiener Ring.

Das Problem dieser 15- bis 17-Jährigen existiert eigentlich schon seit langen Jahren. Aufgrund des zunehmenden Lehrermangels hat es sich im heurigen Frühjahr jedoch zugespitzt.

Das hängt mit dem Schulpflichtgesetz zusammen: Minderjährige, denen wegen körperlicher oder psychischer Beeinträchtigung sonderpädagogischer Förderbedarf (SPF) attestiert wurde, müssen nur neun Jahre lang unterrichtet werden. So lange wie der Lehrplan der Sonderschulen geht.

Ladstätter will verbrieftes Recht

Darüber hinausgehend wird ihnen lediglich die Möglichkeit eingeräumt, die Schule weiter zu besuchen. Dabei, so der Obmann des Zentrums für selbstbestimmtes Leben (Bizeps), Martin Ladstätter, "benötigen gerade Kinder mit Behinderung vielfach mehr Zeit, um sich die für einen Einstieg ins Berufsleben und spätere Selbstständigkeit wichtigen Fertigkeiten anzueignen". Es brauche ein verbrieftes Recht auf das elfte und zwölfte Schuljahr, sagt er.

Derzeit hängt der weitere Schulbesuch von Minderjährigen mit SPF an einer Bewilligung des zuständigen Schulerhalters und der Schulbehörde, konkret den jeweils zuständigen Landesbildungsdirektionen. In früheren Jahren gewährten diese den Zugang zu längerer Schulbildung in ganz Österreich auf eher großzügige Art und Weise.

Heuer, wo der Lehrer- und Lehrerinnenmangel aufgrund von Pensionierungen stärker spürbar wurde, änderte sich das. Vor allem in Wien wurden die Anträge auf ein elftes und ein zwölftes Schuljahr abgelehnt.

Eltern brachten Petition ein

Betroffene Eltern wollen das nicht auf sich sitzen lassen. Sie haben sich zu einer Bürgerinitiative zusammengetan und ihr Anliegen – "Recht auf Bildung für ALLE Kinder" – im parlamentarischen Petitionsausschuss eingebracht. Offene Ohren fanden sie bei den Grünen, wo Bildungssprecherin Sibylle Hamann als Ziel mehr Geld und mehr Planstellen für den Unterricht von Kindern mit sozialpädagogischem Förderbedarf definiert. Nur so könne es für die Jugendlichen im elften und zwölften Schuljahr sowie für die nachrückenden Erstklässlerinnen genügend Schulplätze geben.

Tatsächlich ist deren Anteil am Schulbudget mit 2,7 Prozent des Geldes für die Landesschulen – zu denen auch die Sonderschulen gehören – gedeckelt. Mehrkosten muss das Bundesland aus dem eigenen Budget bezahlen. "Der tatsächliche Anteil von Kindern mit SPF liegt aber bei fünf bis sechs Prozent", sagt Hamann.

Polaschek abwartend

Beim Koalitionspartner ÖVP ortet die grüne Bildungssprecherin durchaus Diskussions- und Änderungsbereitschaft. Doch auf Nachfrage des STANDARD bei Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) ist diese nicht wirklich zu hören. "Wir verweisen auf die laufenden Verhandlungen über den Finanzausgleich", sagt dort ein Sprecher. (Irene Brickner, 22.12.2022)