Ende gut, alles gut: Sisi und Franz Joseph heiraten hier nicht, sondern werden zur Königin und zum König von Ungarn gekrönt.

Foto: ORF/Beta Film/RTL/Story House Pictures/Armands Virbulis

Acht Minuten dauert es in der ersten Folge, bis Sisis Wehklagen über ihr Dasein in Wien erklingt: "Der Hof ist wie ein zu eng geschnürtes Korsett."

Da sind sie also wieder, die alten Leiden der jungen Kaiserin, aber wieder einmal neu verpackt. "Wenn er nur kein Kaiser wär'", diesen Stoßseufzer hören wir von Romy Schneider verlässlich jedes Jahr zu Weihnachten. Die Nachkriegsfilme von Ernst Marischka sind so fester Bestandteil im ORF wie "Dinner for One" am Silvesterabend.

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Doch mittlerweile ist die Kaiserin wider Willen, dank einer gewissen Sisimania, nahezu omnipräsent. Bei Netflix läuft die Serie "Die Kaiserin", ORF und RTL plus legen zum Fest gemeinsam nach und präsentieren ein Jahr nach der ersten die zweite Staffel von "Sisi". Am 27. Dezember ab 20.15 Uhr zeigt der ORF drei Folgen, tags darauf die nächsten drei.

Offensichtlich können Zuseherinnen und Zuseher nicht genug vom Leben und Leiden der schwierigen Kaiserin bekommen. "Kaiserin Elisabeth rebellierte gegen den Hof, war unangepasst und schön. Aus dieser Mischung lässt sich mit opulenten Kostümen und Skandälchen natürlich eine dramatische Geschichte erzählen", sagt die Historikerin Katrin Unterreiner, die mehrere Bücher über Elisabeth und die Monarchie verfasst hat.

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Entführung in Ungarn

Und aufregend wird's selbstverständlich wieder. Sisi (Dominique Devenport) bringt ihrem Franzl (Jannik Schümann) zu Beginn den ersehnten Thronfolger ins Schloss, ist aber dennoch kreuzunglücklich. Es peinigt sie nicht einmal so sehr die erstaunlich zahme Schwiegermutter Sophie (Désirée Nosbusch), sondern ein immer wiederkehrender Albtraum, in dem sie zu ertrinken droht.

Aber die politisch unruhige Zeit erfordert den Einsatz der Kaiserin in Ungarn. Dort soll sie die Rebellen kaisertreu machen, wobei natürlich der ungarische Graf Gyula Andrássy ausführlich ins Spiel und Sisi sehr nahe kommt.

Man diniert nicht nur entspannt und outdoor im Country-Stil oder verteilt im Wald Brot an die Armen. Kaiserin und Graf werden auch noch entführt und gemeinsam in einem Kerker an die Wand gekettet.

Da zuckt dann doch der Finger am Ausknopf der Fernbedienung kurz. "Mit der Historie hat das natürlich nichts zu tun, man muss sich schon darüber im Klaren sein, dass hier reine Unterhaltung geboten wird", sagt Unterreiner.

Die Historikerin findet das aber durchaus in Ordnung: "Ich sehe das entspannt, schließlich werben der ORF und RTL ja nicht damit, neue Quellen entdeckt zu haben und die Wahrheit oder eine Dokumentation zeigen zu wollen."

Kein Role-Model

So hat auch noch einiges anderes Platz, was man in den Geschichtsbüchern nicht findet: etwa ein von Sisi und Franz Joseph angenommenes Mädchen, dessen rebellische Mutter erhängt worden ist. Das Kind ist deutlich wilder als Sisi und ficht so manchen Strauß mit dem genervten und überforderten Kaiser aus.

Sisi hat in dieser Produktion zwar ihre Gefühle nicht im Griff, wirkt aber von Folge zu Folge selbstsicherer und will sogar helfen, den deutsch-österreichischen Krieg 1866 zu verhindern. "Ich werde alles tun, um mein Volk nicht einem weiteren Krieg auszusetzen", sagt sie. "In Wahrheit hat sie sich – abgesehen von Ungarn – für Politik nicht interessiert", erklärt Unterreiner, die in diesem Zusammenhang auch darauf hinweist, dass die historische Person Elisabeth "gar nicht als Role-Model taugt".

Denn: "Sie hat keinen Kampf für die Frauen geführt, auch nicht für die Benachteiligten der Gesellschaft. Sisi war eine Egomanin und Egoistin, die es nur für sich lustig haben wollte und daher auf ihre Freiheit gepocht hat."

Ignorieren statt kritisieren

Das sei auch der Grund gewesen, warum Sisi zu Lebzeiten nicht jenen Kultstatus hatte, der ihr heute zuteilwird. "Kritik an der Kaiserin zu üben war in der Monarchie nicht möglich, also ignorierte man sie", so die Historikerin.

In habsburgischen Kreisen sei das auch heute noch der Fall, Sisis Verhalten wird dort als "unprofessionell" empfunden.

Beim TV-Volk hingegen hat die Geschichtsklitterung dank Romy Schneider und Karlheinz Böhm mit den Nachkriegsfilmen begonnen. Diese empfinden viele heute wie die Schoko-Schnapsfläschchen auf dem Christbaum der Kindheit: schwer genießbar, weil so picksüß.

Ironie der TV-Geschichte ist allerdings: Regisseur und Drehbuchautor Marischka war unter dem Zuckerguss näher an der historischen Wahrheit dran als manche Nachfolgeproduktion.

Und es spielten bei ihm mehr Österreicherinnen und Österreicher. Aktuell verkörpert Julia Stemberger wieder Sisis Mutter Ludovika, Murathan Muslu (neu) den ungarischen Rebellen Ödön Körtek.

Den sucht Sisi übrigens in Staffel zwei einmal im Gefängnis auf. Auch eine solche Begebenheit ist historisch nicht überliefert. (Birgit Baumann, 22.12.2022)