In den vergangenen Wochen und Monaten wurde die theaterinteressierte Öffentlichkeit Zeuge in einem Spiel, das zuletzt immer absurdere Züge annahm. Ein Burgtheaterdirektor, der mit aller Kraft – aber ohne das nötige Gespür – für eine weitere Funktionsperiode kämpfte; eine Staatssekretärin, die sich ein "ergebnisoffenes Auswahlverfahren" wünschte und den amtierenden Direktor damit kalt im Regen stehen ließ; und wild gewordene Medien, die sich in immer weiteren Spekulationen ergingen.

Ein Theaterstück

Die Wahl eines neuen Burgtheaterdirektors hatte schon in der Vergangenheit immer wieder Züge eines (schlechten) Theaterstücks. Die Art und Weise, wie Martin Kušej demontiert und Stefan Bachmann inthronisiert wurde, hinterlässt allerdings einen besonders schalen Beigeschmack. Neben Kušej nahmen auch einige andere als Bewerber kolportierte Kandidaten Schaden – und das in einer Zeit, in der das Theater ohnehin unter massivem Druck steht.

Statt dem Publikum Vertrauen zu vermitteln, dass es auch in Zukunft aufregendes, vor Gegenwart knisterndes Theater zu sehen bekommt, wurde es mit einer Personaldiskussion konfrontiert, bei der es das Gefühl hatte, dass weder Richtung noch Ziel vorgegeben waren.

Durch den neuen Direktor Stefan Bachmann könnte das Wiener Burgtheater bald wieder im alten Glanz erstrahlen.
Foto: imago images/SKATA

Rückzug von Kušej

Was hat Kušej wirklich falsch gemacht? Dass die Antworten auf diese Frage genauso vage wie unterschiedlich ausfallen, deutet darauf hin, dass sie stärker im Persönlichen als im Inhaltlichen liegen. In seiner holprigen Kärntner Art fremdelte Kušej sowohl mit der Stadt als auch mit deren gesellschaftlicher und politischer Öffentlichkeit. Mit Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) schien ihn besonders wenig zu verbinden.

Kušej ist ein hervorragender Regisseur, und die Qualität vieler seiner Arbeiten übertrifft jene seines Nachfolgers Stefan Bachmann. Dieser bewies allerdings bereits bei seinem ersten Auftreten, dass es bei einem Theaterdirektor um viel mehr geht als nur darum, auf der Bühne zu überzeugen – besonders in einer Zeit, in der Teamfähigkeit unumgänglich und die Skepsis gegenüber Hierarchien riesig ist.

Neuer Direktor Stefan Bachmann

Über beides scheint der Schweizer Bachmann weit mehr zu verfügen als sein in Inszenierungen alle Abstufungen von Schwarz und Grau durchdeklinierender Vorgänger. Bei seinem ersten Auftreten vermittelte der ab Herbst 2024 amtierende neue Burgtheaterdirektor alles, was für einen Neuanfang notwendig ist: Enthusiasmus, Ideen, Humor – und eine Portion Selbstkritik.

Als wäre es eine besondere Pointe dieser Personalwahl, musste sich Bachmann in der Vergangenheit genauso wie Kušej mit Kritik an seinem Führungsstil auseinandersetzen – auch ihm wurde vorgeworfen, ein "Klima der Angst" zu erzeugen. Anders als Kušej ging Bachmann damit offensiv und selbstkritisch um – und versprach, es auch in Zukunft so zu halten. Das wird nicht der einzige Prüfstein für ihn sein: Die Veränderungen am und im Theater sind nämlich gewaltig. Zur Skepsis gegenüber den veralteten Strukturen gesellt sich nichts weniger als die Grundsatzfrage, was Theater heute überhaupt ist und kann.

Auf diese und auf einige Fragen mehr wird Bachmann recht bald Antworten finden müssen.

Sein Vorgänger stand sich dabei meist selbst im Weg – und stolperte am Ende genau darüber. Möge es Stefan Bachmann besser ergehen und das Burgtheater bald wieder richtig glänzen. (Stephan Hilpold, 21.12.2022)