Viele Touristen kommen nach Bethlehem im Westjordanland, um die Geburtskirche, die über der vermuteten Geburtsstätte Jesu Christi errichtet wurde, zu besuchen.

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"Ich mache diesen Job seit vierzehn Jahren, aber so einen Tag habe ich noch nie erlebt", flucht Ahmed, während er sein Taxi durch den Bethlehemer Abendstau lenkt. "Ich hatte keinen einzigen Kunden heute. Das ist so kurz vor Weihnachten doch nicht normal." Weihnachten ist in Bethlehem der Höhepunkt des Jahres. Alle Einwohner der Geburtsstadt Jesu sind vom Tourismus abhängig: manche direkt, viele indirekt. Je weniger Besucher kommen, desto weniger Steuereinnahmen bleiben der Stadt für notwendige Investitionen. Rund um Weihnachten sind deshalb alle nervös: Werden diesmal genügend Gäste in die Stadt kommen?

In Bethlehems Stadtbild steht offiziell alles im Zeichen von Jesus Christus: Hier soll der jüdische Prediger, der zum Messias und christlichen Gottessohn erklärt wurde und dann auch im Islam Bedeutung erlangte, laut Aufzeichnungen geboren sein. Die Geburtskirche erinnert daran. Besucher, die einfach nur deshalb nach Bethlehem fahren, weil es hier schöne Holzschnitzereien, gute Süßspeisen und beliebte Fleischhauer gibt, werden auf Schritt und Tritt daran erinnert, dass das hier ein religiöser Ort ist. Geschäfte heißen "Holy Mary" und "Saint Joseph", Straßen sind nach Päpsten und Heiligen benannt, sogar der muslimische Maisverkäufer nennt seine Ware "Holy Corn".

Christen in der Minderheit

Dabei sind die Christen in Bethlehem mittlerweile eine Minderheit. Rund zehn Prozent der Einwohner bekennen sich zum Christentum, der Rest sind Muslime. Aber auch sie verdienen am christlichen Pilgertourismus aus aller Welt – ganz besonders zu Weihnachten.

Als die Pandemie begann, brach die wichtigste Geldquelle der Bethlehemer Familien ein. Der Flugverkehr lag still, Christen aus aller Welt blieben Bethlehem fern. Hotels sperrten zu, Fremdenführer saßen zu Hause, Händler wurden ihre Waren nicht los. Seither hat sich die Stadt nicht mehr von dem Einbruch erholt. Anders als in vielen europäischen Staaten bekamen die Unternehmer auch keine Ausgleichszahlungen vom Staat. Die Palästinenserbehörde hat kein Geld, um Entschädigungen für den Umsatzausfall der vielen Hotels, Restaurants und Souvenirverkäufer zu begleichen. Diese Weihnachten, so hofften viele, sollten zum ersten Mal wieder etwas Erleichterung bringen.

Pension für Fixkosten

"Die ganze Welt hat Covid gespürt, aber hier in Bethlehem spürten wir es ganz besonders", sagt Sami Hawash, ein Bethlehemer Arzt, der sich in der Pension sein Geld mit Souvenirverkauf aufbessern wollte. Bis zur Pandemie gelang das ganz gut. Er verkaufte handgeschnitzte Weihnachtskrippen und Kreuze aus Olivenbaumholz, duftende Honigwachskerzen und Anhänger an Pilger und Touristen. Später nahm er auch Kinderspielzeug ins Sortiment auf.

Dann kam Covid, Hawash verkaufte nichts mehr. Seit fast drei Jahren "fließt meine ganze Pension in die Fixkosten für das Geschäft", sagt er. Der 69-Jährige kann es sich nicht leisten, zuzusperren. "Ich habe kurz vor der Pandemie einen Großeinkauf gemacht. Ich muss ihn ja noch abbezahlen", sagt er. Zudem hat er den Laden von seinem verstorbenen Bruder übernommen, auch ihm zuliebe führt er ihn weiter.

Mit Gottes Hilfe

Der Bürgermeister von Bethlehem, Hanna Hanania, ist für dieses Jahr zuversichtlich. "Mit Gottes Hilfe werden wir dieses Jahr wieder dorthin zurückkehren, wo wir vor dem Coronavirus standen", sagt er. Hawash merkt davon noch gar nichts. "Die Touristen kommen zwar, aber sie geben kein Geld aus", sagt er. "Dass in der Ukraine Krieg ist und dass die Wirtschaft weltweit gerade nicht so gut läuft, lässt sich eben nicht ignorieren. Die Leute kommen nur noch, um zu beten – nicht um zu shoppen." Zugleich sind die Kosten für Getreide, Gas und Benzin auch in Palästina stark angestiegen. Wie er heute die Familie ernährt? "Zum Glück haben meine Kinder Jobs in den Golfstaaten und in Saudi-Arabien gefunden", sagt er.

Nur vereinzelt schlängeln sich Pilgergruppen durch Bethlehems Gassen. "Vor drei Jahren waren wir um diese Zeit restlos ausgebucht, jetzt stehen wir zur Hälfte leer", klagt ein Hotelier, der seinen Namen nicht nennen möchte. "Die Touristen kommen meistens nur für einen Nachmittag aus Jerusalem hierher und fahren dann wieder zurück", meint der Manager.

Es mag auch eine Rolle spielen, dass die Gewalt im Westjordanland seit einigen Monaten wieder zugenommen hat. Bethlehem ist davon zwar weniger stark betroffen, und eine Reise in die Stadt ist für Touristen sicher – aber für Verunsicherung sorgen die Berichte über gewaltsame Ausschreitungen dennoch.

Ob ihm die Zukunft Sorgen macht? Souvenirverkäufer Hawash hat in seinem Leben schon zu viel gesehen, um besorgt zu sein. "Wir sind im Nahen Osten, da geht es immer auf und ab. So ist das eben." (Maria Sterkl aus Bethlehem, 25.12.2022)