Wie viel Österreich steckt in einem Fiakergulasch und im original Wiener Schnitzel? Woher stammen die Eier für den Kaiserschmarrn, das Rindfleisch fürs Steak und Geflügel für den Putenstreifensalat? Ein tieferer Blick in die Töpfe der Wirte schlägt so manchen Konsumpatrioten schwer auf den Magen. Bis nach Taiwan führt die Spur einzelner Hühner in der Gastronomie. Kälber aus Holland sind hierzulande in ihren Küchen ebenso Standard wie Rinder aus Südamerika, für deren Weideland Züchter systematisch illegal Naturschutzgebiete zerstören.
Der Weg hin zu verstärkter Transparenz bei der Herkunft von Lebensmitteln ist ein weiter. In Österreich wird seit gut zehn Jahren an Rezepten gefeilt, um Konsumenten mehr Einblick in komplexe internationale Lieferketten zu verschaffen. Bisher verdarben viele Köche den Brei: Zu tief war die Kluft zwischen den Interessen der Landwirte, Nahrungsmittelindustrie, Gastwirte und des Einzelhandels.
Kleinster gemeinsamer Nenner
Nun rang sich die Branche doch zum kleinsten gemeinsamen Nenner durch. Dieser umfasst die öffentlichen und privaten Gemeinschaftsverpfleger. Sie werden dazu verpflichtet, die Herkunft von Eiern, Milch und Fleisch in ihren Gerichten auszuweisen.
Ein Entwurf der entsprechenden Verordnung der Bundesregierung ging diese Woche in Begutachtung. In Kraft treten soll die Regelung spätestens im Juli 2023.
VP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig sieht dafür von der EU grünes Licht. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zufolge sind rund 2,2 von 3,5 Millionen Essen betroffen, die in Österreich täglich außer Haus konsumiert werden. Wer also künftig in Kantinen und Betriebsküchen speist, sollte den Ursprung der Grundzutat in den Menüs nachvollziehen können. Gleiches gilt für die Verpflegung in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Schulen, Kindergärten und Kasernen.
Wobei man es als Gast und Kunde nicht allzu genau wissen wollen sollte. Großküchen ließen sich nur unter einer Bedingung auf die neuen Standards ein: Die Kennzeichnung darf nicht "zu spezifisch" sein. Praktisch bedeutet dies, dass der Hinweis auf "EU" oder "Nicht-EU" auf Speisekarten genügt. Zumindest das Hendl aus Fernost oder das Rind aus Brasilien sollten sich damit vage identifizieren lassen.
Pauschale Mengenbilanzen kommen Köchen zusätzlich entgegen. Ähnlich wie bei Bio können diese ausloben, wie viel Prozent des Fleisches übers Jahr gerechnet aus Österreich, der EU und aus Nicht-EU-Ländern kommen. Was also sie genau vor sich auf dem Tisch haben, werden viele Konsumenten nach wie vor nicht erfahren.
Klar ist zudem: Herkunft allein ist kein Qualitätskriterium. Anders als im Lebensmittelhandel ist eine Kennzeichnung der Tierhaltung im Konsum außer Haus Zukunftsmusik.
Gastwirte bleiben unbehelligt
Von der Pflicht zu mehr Transparenz auf dem Teller ausgespart wurde die private Gastronomie. Für die Grünen, die Wirte nicht außen vor lassen wollten, gab es keinen Weg am Wirtschaftsbund, der für Gastronomen die Mauer machte, vorbei. Nach Registrierkassenpflicht, Rauchverbot, Allergenkennzeichnungen und monatelangen Lockdowns wagte es die Regierung nicht, die gewichtige Branche mit weiteren Auflagen gegen sich aufzubringen.
Auch der Handel, selbst ein großer Produzent von Fleischwaren, blieb unbehelligt. Ein für die Notifizierung in Brüssel bereits vorbereiteter zweiter Verordnungsentwurf rund um verpackte Lebensmittel in den Supermärkten wurde auf Druck der ÖVP zurückgezogen.
Angst vor Wettbewerbsverzerrung
Die Industrie hatte zuvor massiv dagegen mobilisiert. Sie fürchtete im Falle eines österreichischen Alleingangs Nachteile im europäischen Wettbewerb und appellierte daran, abzuwarten. Die EU-Kommission will neue Mindeststandards für eine Herkunftskennzeichnung nämlich im Frühjahr 2023 vorlegen. Die Ambition Österreichs, Musterschüler zu sein, war gering. Zumal Unternehmer damit drohten, auf ihre Verpackung nur noch "Herkunft EU" zu drucken, um teure Bürokratie und ständigen Etikettenwechsel hintanzuhalten.
Ihrer Sache sicherer sein können Konsumenten künftig jedoch, was freiwillige Herkunftsangaben der Wirte für ihren gesamten Speisezettel betrifft, vom Brot auf dem Frühstückstisch bis zum Salat auf dem Abendbuffet. Anders als bisher dürfen Gastronomen regionale Lebensmittel bald nur noch als solche anpreisen, wenn sie diese auch nachweislich verarbeiten. Andernfalls drohen Sanktionen.
Falsche Federn
Schindluder betrieben wurde hier vor allem in gehobenen Restaurants und auf Skihütten, ist aus der Branche zu hören. Von vermeintlichen Pinzgauer Rindern ist etwa die Rede, die tatsächlich in Übersee aufwuchsen. Und von kleinen regionalen Produzenten, die sich zwar in hochpreisigen Lokalen namentlich wiederfanden, bei denen die jüngste Bestellung der im lokalen Einkauf so engagierten Wirte allerdings mehr als ein Jahr zurücklag.
Entscheidend hier wie bei den Großküchen wird die Frage der Kontrolle. Politisch dafür verantwortlich sind das Gesundheitsministerium und die Landeshauptleute. Abgewickelt wird sie von Lebensmittelinspektoren. Diese seien finanziell wie personell ausgehungert worden – viele arbeiteten schon bisher hart am Anschlag, warnen Experten.
"Der Entwurf ist vollziehbar", heißt es hingegen auf Nachfrage aus dem Ministerbüro. Die Landesbehörden seien über die Gemeinschaftsverpfleger sehr gut im Bilde und wüssten, wo etwaige Probleme liegen. Man baue auf bestehenden Kontrollstrukturen der Lebensmittelaufsicht für Großküchen auf. Zusätzlich zur Hygiene werde künftig eben auch die Herkunft der Lebensmittel geprüft. (ANALYSE: Verena Kainrath, 22.12.2022)