Der Besuchs Selenskyjs in der USA symbolisiert, dass die militärisch hochpotente USA die Ukraine nicht fallenlassen werden.
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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich am Mittwoch in den USA einen Booster für seine Sache geholt. Und zwar sowohl militärisch als auch symbolpolitisch. Bei seinem Überraschungsbesuch in Washington bei US-Präsident Joe Biden und im US-Kongress ging es nämlich vor allem um eines: Wladimir Putin und Russland zu signalisieren, dass die militärisch hochpotente USA die Ukraine nicht fallenlassen werden. Und dass Russland keine Chance hat, diesen Krieg für sich zu entscheiden, solange das so ist.

US-amerikanische Waffenhilfe

Es war das erste Mal, dass Selenskyj sein Land seit Kriegsanbruch verließ, und es war dementsprechend riskant. Doch es dürfte sich für den ukrainischen Präsidenten auszahlen, sich höchstpersönlich unter den Schutzmantel der USA zu stellen. Noch im Februar hatte er auf ein US-Angebot, ihn wegen russischer Ermordungspläne außer Landes zu bringen, mit dem filmträchtigen Satz "Ich brauche keine Mitfahrgelegenheit, ich brauche Munition" reagiert. Die bekommt er nun wohl in Form des mobilen Flugabwehrsystems Patriot. Diese US-amerikanische Waffenhilfe hat das Zeug dazu, die Karten im Ukraine-Krieg neu zu mischen und auf eine höhere Ebene zu heben. Patriot kann Flugzeuge, Marschflugkörper, Drohnen oder Raketen auch in größerer Entfernung abwehren und 50 mutmaßliche Ziele gleichzeitig im Auge behalten. Das sieht auch Russland mit größtem Magengrummeln, wie an den Reaktionen aus Moskau am Mittwoch zu beobachten war.

Zugeständnisse benötigt

Dass Biden das milliardenschwere Militärhilfepaket und seine Abwehrraketen, von denen allein eine vier Millionen Dollar pro Stück kostet, nicht allein für Frieden und Freiheit auf den Weg schickt, ist auch klar. Ganz allgemein geht es natürlich für den überzeugten Transatlantiker Biden um die Festigung der US-Autorität als weltpolitische Führungsmacht, auch als Signal an den größten Konkurrenten China. Im Speziellen geht es um die Ukraine. Selenskyj kann sich nicht einfach sein Geschenkpaket abholen und wieder abreisen. Führungsmacht ist nur, wer auch Mitsprache hat. Also wird der ukrainische Präsident wohl Zugeständnisse machen müssen, was seine Bereitschaft zum bisher kategorisch abgelehnten Kompromiss mit Russland angeht. Auch was nach dem Krieg kommt, ist relevant. Wie immer diese Zugeständnisse auch aussehen mögen, jahrelange Kämpfe können nicht im Sinne der USA sein. Was immer dazu zwischen den beiden Präsidenten gesprochen wird, bleibt wohl hinter verschlossenen Türen. Aber das Beschlossene könnte sich im Nachhinein als historisch herausstellen. Nicht zuletzt dafür nutzt Biden seine letzten Wochen, bevor seine Partei die Mehrheit im Repräsentantenhaus verliert. Noch hat Biden eine Mehrheit in beiden Kongresskammern.

Jetzt müsste das Abwehrsystem nur noch rechtzeitig zum Einsatz kommen, denn dass Russland auf die mit Pomp inszenierte Fraternisierung militärisch reagiert, davon ist auszugehen. Dass aber auch Moskau sich jetzt noch wärmer anziehen muss, diese Botschaft ist auch angekommen. (Manuela Honsig-Erlenburg, 21.12.2022)