Bild nicht mehr verfügbar.

Der Zuschuss beträgt künftig 60 Prozent der Mehrkosten.

Foto: Getty

"Das Beste aus beiden Welten", mit diesem Motto war die türkis-grüne Koalition Ende 2019 angetreten. Zuletzt sah es so aus, als würden sich die beiden Parteien bei wichtigen Vorhaben gegenseitig blockieren. Eine von der ÖVP forcierte Arbeitsmarktreform, die allerdings nie paktiert war, wurde abgeblasen. Das von den Grünen gewünschte Erneuerbare-Wärme-Gesetz, mit dem Gasheizungen hätten zurückgedrängt werden sollen, wurde verschoben.

Kurz vor Weihnachten legt die Regierung noch einmal einen Endspurt hin – und lässt dabei das alte Motto vom Besten aus zwei Welten hochleben. Am Donnerstag haben Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) und Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) zwei neue Vorhaben präsentiert.

Die Grünen dürfen sich über das fixierte Energieeffizienzgesetz freuen, über das seit Monaten in der Koalition verhandelt wurde. Dieses schreibt verpflichtende Energieeinsparungen bis 2030 vor, der Energieverbrauch soll um 18 Prozent reduziert werden – wenn auch etwas unklar bleibt, wie das gelingen soll, immerhin gibt es ein Ziel.

Die ÖVP ihrerseits darf sich über eine gewaltige Ausweitung der Energiezuschüsse für Unternehmen freuen. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung hatten darauf gedrängt, nachdem Deutschland eine Gaspreisbremse fixiert hatte. Das Argument der heimischen Industriekapitäne: Ohne neue Hilfen drohe ein Wettbewerbsnachteil für die heimische Wirtschaft.

Viele neue Milliarden

Die Koalition nimmt diese Warnung ernst und legt ihrerseits ein neues Hilfspaket für Unternehmen auf. Es ist groß: So wird der schon fixierte Energiekostenzuschuss ausgeweitet. Im Rahmen dieser ersten Förderwelle werden bereits 1,3 Milliarden Euro an Unternehmen als Zuschüsse für Strom, Gas und Sprit ausbezahlt. Die Förderperiode dafür liegt zwischen Februar und Ende September 2022 – ausbezahlt wird dieses Geld erst in den kommenden Wochen. Nun wird die Förderperiode bis Ende Dezember 2022 verlängert.

Dazu kommt ein neues und erweitertes Paket ab Jänner 2023: der Energiekostenzuschuss II.

Dabei wird Unternehmen mehr Geld zugeschossen: Der Energiekostenzuschuss heuer sieht vor, dass Betrieben 30 Prozent der Mehrkosten für Energie abgenommen werden. Im kommenden Jahr wird die Hilfe massiv ausgeweitet, und zwar werden bis zu 60 Prozent der Mehrkosten bezuschusst. Und: Betriebe müssen nicht mehr nachweisen, dass sie energieintensiv produzieren, das ist ein Entgegenkommen für den Handel, der auch stärker einbezogen werden wollte. Die Hilfen laufen bis Ende 2023.

Zu den Kosten: Wirtschaftsminister Kocher geht von zusätzlichen Ausgaben im mittleren bis hohen einstelligen Milliardenbereich aus, je nach Zahl der Anträge und Preisentwicklung. Sprich: Es könnten also fünf bis neun Milliarden Euro werden.

Im Budget für 2023 sind sechs Milliarden Euro für weitere Antiteuerungshilfen in Form einer Ermächtigung an die Regierung vorgesehen. Kocher meinte am Donnerstag, es könnte hier eine Ausweitung dieses Rahmens vorgesehen werden.

Die Regierung wird sich bei den Hilfen an dem neuen Beihilferahmen der EU orientieren. Dabei können die Unternehmen bis zu 150 Millionen Euro bekommen.

Jobgarantie fixiert

Die neuen Energiehilfen müssen gesetzlich fixiert werden, das Regelwerk dazu gibt es noch nicht. Und: Die EU-Kommission muss dieses Paket noch genehmigen. Laut Kocher ist allerdings vorgesehen, dass wie in Deutschland Betriebe, die sehr große Förderungen in Anspruch nehmen, eine Jobgarantie abgeben müssen. Bis Ende 2024 müssen diese Betriebe 90 Prozent ihrer Belegschaft halten, so sieht es die deutsche Regelung vor.

Im Gegenzug für die Zustimmung der Grünen zu diesem für die ÖVP wichtigen Paket gibt es mehr Geld für Energiesparprojekte.

Das Energieeffizienzgesetz sieht vor, dass bis 2030 jährlich 190 Millionen Euro bereitstehen, um Sparmaßnahmen bei Unternehmen, bei Haushalten und beim Staat zu fördern. Der Bund will dabei vorlegen und die Sanierung eigener Gebäude forcieren, genannt werden etwa Schulen und Polizeistationen. Die Sanierungsquote soll pro Jahr auf drei Prozent des Bestandes gebracht werden.

"Kein Tag zu früh", "großzügige Weihnachtsgaben für das Volk"

Die Reaktionen auf die Ankündigungen der Regierungen kamen prompt und erwartbar: "Planbarkeit und stabile Rahmenbedingungen für die heimische Industrie" verspricht sich Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, vom Energiekostenzuschuss. Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer sieht damit "Existenzen und Wettbewerbsfähigkeit gesichert". Für die Tourismuswirtschaft kommt der Schritt "um keinen Tag zu früh"; um die Liquidität der Unternehmen sicherzustellen brauche es jetzt rasche Auszahlungen, sagt Spartenobmann Robert Seeber. Auch aus den Sparten Handel und Gewerbe kam Zustimmung.

ÖGB-Chef Wolfgang Katzian sieht im Energiekostenzuschuss einen wichtigen Schritt, weil dadurch Arbeitsplätze gesichert werden könnten. Dennoch "fehlen im Unterstützungsprogramm der Regierung weiterhin inflationsdämpfende Maßnahmen". Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl vermisst ein "Wärmepaket für Haushalte", und fordert einen Energiekostendeckel für Gas und Fernwärme. Für Jan Kluge vom unternehmernahen Thinktank Agenda Austria bleibt unklar, wie die gleichzeitig angekündigten Anreize zum Energiesparen wirken sollen, wenn "Energiekosten großzügig erstattet werden".

SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter betonte, die Beantragung für den Zuschuss sei "viel zu kompliziert". Dabei sei die Lösung "so einfach": "Österreich braucht einen Energiepreisdeckel nach deutschem Vorbild". FPÖ Wirtschaftssprecher Erwin Angerer spricht von "großzügigen Weihnachtsgaben fürs Volk". Auch her hat eine einfache Lösung: Die Sanktionen gegen Russland seien rasch zu beenden. Die Neos bemängern dass wieder keine nachhaltige Entlastung der Unternehmen vollbracht wurde. "Die Bundesregierung gibt ja selbst zu, dass der Energiekostenzuschuss nur 'Symptombekämpfung' ist", so deren Wirtschaftssprecher Gerald Loacker.

Kritik kam auch am Energieeffizienzgesetz. Für SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll kommt dieses "um Jahre zu spät". Neos-Energiesprecherin Karin Doppelbauer gab sich abwartend, denn noch liege der Entwurf nicht vor. Fridays for Future sieht eine Farce, für Global 2000 geht es nicht weit genug, Greenpeace fordert ebenfalls dringende Nachbesserungen. (András Szigetvari, red, 22.12.2022)