Verena Altenberger über die Dreharbeiten zum Höhlendrama "Riesending – Jede Stunde zählt": "Insgesamt war das schon irre – wochenlang morgens in die Höhle rein, teilweise erst abends wieder raus. Permanente Dunkelheit, ein bis acht Grad, alles ist immer nass, sportliche Höchstleistung und zusätzlich spielt man die ganze Zeit diese Todesnähe. Eigentlich Wahnsinn."

Foto: ARD/Degeto/Nikola Predovic

Pfingstsonntag, 2014. Höhlenforscher Johann Westhauser verunglückt in der Riesendinghöhle. Er liegt in über 1.000 Metern Tiefe, zwölf Kilometer vom Schachteingang entfernt. Das Höhlensystem im Untersberg an der Grenze zwischen Bayern und Salzburg ist mit einer Länge von 23 Kilometern eine enorme Herausforderung. Basierend auf wahren Begebenheiten rekonstruiert Regisseur Jochen Alexander Freydank in "Riesending – Jede Stunde zählt" die dramatische Rettungsaktion und den tagelangen Überlebenskampf in der längsten Höhle Deutschlands.

In den Hauptrollen glänzen Verena Altenberger und Maximilian Brückner. Der Zweiteiler ist eine Koproduktion von Senator Film, Lotus Film und C-Films mit BR, ARD Degeto, SWR, Servus TV und SRF. Zu sehen ist "Riesending – Jede Stunde zählt" am Mittwoch, 28. Dezember ab 20.15 Uhr auf Servus TV und in der ARD.

STANDARD: Kannten Sie zuvor die Geschichte des Höhlenunglücks, das sich 2014 ereignet hat?

Altenberger: Ja, der Untersberg war eine Zeitlang mein Hausberg, ich habe insofern auch das Drama in der Riesending damals mitverfolgt. Am meisten war mir diese abstoßende teilöffentliche Debatte über den Wert eines Menschenlebens hängen geblieben. Ich war froh, dieses Thema auch im Drehbuch aufgegriffen zu finden, und mag, dass der Film diesbezüglich eine klare Antwort gibt: Jedes einzelne Menschenleben ist unbezahlbar.

STANDARD: War die Vorbereitung auf den Dreh intensiver als sonst? Immerhin geht es um eine nicht alltägliche Beschäftigung: Höhlenklettern.

Altenberger: Meine Vorbereitungen gestalten sich immer sehr intensiv. Gerade in der Vorbereitung tauche ich ganz ab in diese anderen Leben, über die ich so viel wie möglich versuche herauszufinden. Insofern nicht intensiver, aber natürlich trotzdem sehr besonders. Ein großer Fokus lag auf dem Klettertraining. Alles musste wirklich wie im Schlaf sitzen. Unser Anspruch war, alle Stunts selbst zu machen, außerdem haben wir uns großteils selbst gesichert, also kein extra Sicherungsseil, das dann wegretuschiert wird oder so. Da dürfen also keine Fehler passieren. Und – das Ganze soll ja vor allem nach Profiarbeit aussehen, all diese Retterinnen und Retter waren Profi-Höhlenkletterinnen mit jahrelanger Erfahrung.

Foto: Foto: ARD/Degeto/Nikola Predovic

STANDARD: Sind Sie ein Höhlenmensch, der sich gerne abseilt, oder sind Sie jetzt zum ersten Mal damit in Berührung gekommen?

Altenberger: Ich war zwar zum ersten Mal so richtig in Höhlen unterwegs, aber ich habe herausgefunden: Offensichtlich bin ich ein Höhlenmensch. Ich habe es geliebt. Ich habe dort unten große Geborgenheit empfunden. Wobei – das mag auch ein wenig der Rolle geschuldet sein. Meine Rolle Birgit liebt die Unterwelt, und ihre Begeisterung hat womöglich auf mich abgefärbt.

STANDARD: Wie schwierig und körperlich herausfordernd waren die Dreharbeiten?

Altenberger: Die Dreharbeiten zählen zu den herausforderndsten und gleichzeitig schönsten, die ich bisher erleben durfte. Insgesamt war das schon irre – wochenlang morgens in die Höhle rein, teilweise erst abends wieder raus. Permanente Dunkelheit, ein bis acht Grad, alles ist immer nass, sportliche Höchstleistung, und zusätzlich spielt man die ganze Zeit diese Todesnähe. Eigentlich Wahnsinn. Aber das Team war so fantastisch, meine Haupthöhlenpartnerinnen und -partner Sabine Timoteo und Roland Bonjour, der Regisseur Jochen Alexander Freydank. Wir haben so wahnsinnig viel gelacht und abends eigentlich fast immer zusammen am Meer gesessen und Fisch gegessen. Die Höhlenparts haben wir nämlich in Kroatien gedreht.

STANDARD: Stößt man dabei auch an eigene Grenzen?

Altenberger: Ich glaube, ich kann für die gesamte Höhlencrew sprechen, wenn ich sage: Jede und jeder von uns hatte diesen einen Tiefpunkt. Eine sehr interessante Grenze wurde für mich auch spielerisch durchbrochen: Wir durften relativ viel improvisieren, Jochen hat uns da sehr viel Freiraum für die hochkommenden Gefühle gegeben. An einer Stelle im Film diskutieren Raffaela und Birgit, ob sie Josef kurz kopfüber transportieren können, anders ginge es fast nicht. Die eigentliche Szene im Drehbuch waren nur zwei Sätze oder so, aber Sabine und ich sind plötzlich so aufeinander losgegangen. Wir haben uns angebrüllt, haben gezittert. Nach dem "Cut" war es noch lange ganz still, dann kam Jochen vorsichtig und fragte, ob alles okay ist. Wir konnten es beide nicht so richtig beantworten. Die Grenzen zwischen Schauspielerinnen und Rollen hatten sich so massiv verschoben. Das ist Magie. Plötzlich kommt etwas über einen und steckt den ganzen Raum an. Und die Spielpartnerin hält nicht am Drehbuch fest, sondern springt mit dir, und ihr wisst beide nicht, wo ihr gleich landen werdet. Ich liebe Schauspiel.

Nach zwölf Tagen gelang die Rettung.
Foto: ARD/Degeto

STANDARD: Klaustrophobisch sollte man nicht sein, oder?

Altenberger: Das wäre suboptimal, ja. Ich hatte das Klettern so richtig gut trainiert vorab, ich wusste, das schaffe ich, komme, was wolle. Aber sich einen ganzen Tag lang tief in einer Höhle aufhalten, und das viele Tage immer und immer wieder aufs Neue – das kann man vorher nicht ausprobieren. Das war schon sehr aufregend.

STANDARD: Sie haben anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Band Garish auch Ihre Gesangskünste unter Beweis gestellt, nachdem Sie zuerst abgelehnt hatten. Darf man jetzt öfter mit Ihnen als Sängerin rechnen?

Altenberger: Ich liebe singen, ich habe nur immer wieder so große Angst davor. Garish, Hannes Tschürtz von Ink Music und vor allem die großartige Ina Regen haben mir in diesem Fall die Angst vollständig genommen, und die Aufnahmen haben mir so richtig Spaß gemacht. Mal schauen, ob sich das wiederholen lässt.

"Auf den Dächern" von Garish mit Verena Altenberger und Ina Regen.
GARISH

STANDARD: Der Weg von der Schauspielerin zur Sängerin ist ja nicht weit, oder?

Altenberger: Ich habe mich "Auf den Dächern" über den Text genähert, und Interpretieren von Texten und das Modellieren mit Stimme, Pegel und Intensität, das liegt uns Schauspielerinnen natürlich auch im Blut, ja.

STANDARD: Sie weisen auf Plattformen wie Instagram oder Twitter auf den Schönheitswahn und dessen Inszenierung hin. Mit welcher Absicht?

Altenberger: Also erstens sind das auch für mich immer wieder Befreiungsschläge. Ich brauche selbst regelmäßige Erinnerungen daran, dass ich nicht wie ein bestimmtes, sich noch dazu ständig veränderndes vermeintliches Ideal auszusehen habe. Das ist patriarchale Unterdrückung und kapitalistische Geldmacherei. Und dann hoffe ich natürlich, dass das, was mir hilft, auch anderen gut tun kann.

STANDARD: Sie sind auch auf Twitter aktiv, wo Elon Musk sein Unwesen treibt und viele Nutzerinnen und Nutzer vor den Kopf stößt. Wie lange noch?

Altenberger: Ich war jetzt monatelang von Twitter weg, wollte mir den Untergang kurz anschauen und werde mich in wenigen Wochen wahrscheinlich wieder verabschieden. So lustig ist der Niedergang gar nicht.

STANDARD: Sie haben dutzende Filme gedreht, in Serien tauchen Sie aber nicht so oft auf. Warum eigentlich?

Altenberger: Weil man weniger Serien drehen kann als Filme, für die braucht man einfach mehr Zeit – logischerweise. Das ist also nur eine Frage des Zeitmanagements, keine künstlerische Entscheidung. Wenn man nur Drehtage zählt, habe ich nicht so viel mehr Filmdrehtage als Seriendrehtage.

STANDARD: Was läuft bei Ihnen, wenn Sie den Fernseher aufdrehen?

Altenberger: Ich habe zwar noch einen Fernseher an der Wand hängen, der ist aber mit nichts mehr verbunden – insofern ein Bildschirmschoner.

STANDARD: Welche Serien schauen Sie gerne?

Altenberger: Gerade habe ich die zweite Staffel von "White Lotus" inhaliert. Großartig! (Oliver Mark, 23.12.2022)