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Ein Friseur übt das Haareschneiden am digitalen Zwilling eines Kunden: Physische und virtuelle Welt verschmelzen zunehmend.

Foto: Getty Images/Nastasic

Welche Tech-Trends wird das kommende Jahr bringen? Dieser Frage gehen Analysten wie Gartner ebenso wie Tech-Journalisten alljährlich erneut auf den Grund. Themen wie Nachhaltigkeit und Fachkräftemangel sind dabei geradezu schon ein Dauerbrenner, und auch unter dem ominösen Begriff "Metaversum" kann sich mittlerweile jeder etwas vorstellen. Doch was sollen Super-Apps sein? Und werden wir in Zukunft noch immer Computer und Smartphones nutzen, um das Web zu betreten?

DER STANDARD hat ein paar dieser Prognosen gesammelt und mit eigenem Hirnschmalz vermengt – das Ergebnis finden Sie in dieser Jahresvorschau.

Super-Apps

Das Tech-Jahr 2022 war vor allem in der zweiten Hälfte von einem Menschen mehr geprägt als von allen anderen: Elon Musk. Und da vor allem die chaotischen Zustände bei Twitter die alltäglichen Headlines dominieren, wurde ein Aspekt oft vergessen: Musks Ansage im Kontext der Übernahme, Twitter zu einer westlichen "Super-App" machen zu wollen.

Derartige Apps gibt es in Asien schon länger, wie der Analyst Gartner schreibt, etwa in Form von Alipay und Wechat. Diese Apps eint, dass sie mehr als eine Funktion erfüllen, also zum Beispiel nicht nur als Messenger, sondern auch als Tool zum Bezahlen per Handy dienen.

Und auch wenn der Fokus hier auf mobilen Apps zu liegen scheint, so könnten sich auch Desktop-Anwendungen 2023 vermehrt zu Plattformen mausern, die mehrere Funktionen unter einem Dach vereinen – etwa auch Business-Anwendungen wie Slack oder Microsoft Teams.

Künstliche Intelligenz

Das Jahr 2022 war jenes, in dem die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz im Massenmarkt sichtbarer wurden – so ließen die Menschen Bilder und Porträts von künstlichen Intelligenzen generieren oder nutzen Tools wie Chat GPT, um Texte auf Befehl schreiben zu lassen.

Es ist zu erwarten, dass diese Tools auch 2023 vermehrt in den Massenmarkt drängen werden – einhergehend mit allen Bedenken, die es rund um potenziell rassistischen oder sexistischen AI-Bias und Urheberrecht gibt.

Gleichzeitig ist künstliche Intelligenz mehr als nur das Sichtbare – Algorithmen regulieren, welche Nachrichten wir in sozialen Medien sehen, und optimieren Lieferketten in der Logistik. Es ist zu erwarten, dass auf politischer Seite die Zügel im kommenden Jahr stärker angezogen werden und es zu einem Mehr an Regulierung kommen wird. Gleichzeitig prognostiziert man bei Gartner, dass Unternehmen verstärkt ein Auge auf die Fehleranfälligkeit und Sicherheit ihrer KI-Systeme legen werden.

Metaversum

Über ein Jahr ist es nun her, dass Mark Zuckerberg sein Unternehmen Facebook in Meta umbenannte und damit eine regelrechte Marketing- und PR-Flut lostrat. Übrig geblieben sind davon aktuell nur Diskussionen über die horrenden Kostenstrukturen bei Meta – dennoch glaubt Futurist Bernard Marr in einem "Forbes"-Beitrag, dass zumindest Teile der Metaverse-Vision in naher Zukunft wahr werden könnten – und dass sich 2023 herauskristallisieren wird, in welche Richtung sich das Metaversum bewegen wird.

Bernard Marr

So prognostiziert Marr Fortschritte bei VR- und AR-Anwendungen: Sony etwa wird seine neue VR-Brille PSVR 2 Anfang des Jahres auf den Markt bringen, Meta arbeitet ebenfalls an neuen Brillen, und auch die Gerüchte um eine Apple-Brille verdichten sich.

Doch Marr glaubt außerdem, dass es im Business-Umfeld mehr Meetings in VR geben wird. Das begründet er damit, dass unter anderem Microsoft und Nvidia an derartigen Plattformen arbeiten. Accenture hat eine Metaverse-Plattform namens Nth Floor ins Leben gerufen. Und auch Meta selbst versucht mit Brillen wie der Quest Pro, vor allem Unternehmen anzusprechen. Kommendes Jahr soll außerdem MS Teams mit Metas VR-Arbeitswelt verschmelzen.

Blockchain und Web 3

Für die Kryptocommunity war 2022 durch diverse Skandale, Rückschläge und Kurseinbrüche alles andere als ein einfaches Jahr. Doch genau dies könnte der Grund dafür sein, dass Blockchain-Anwendungen abseits des Bezahlens mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen an Bedeutung gewinnen.

Marr sieht hier ausgerechnet bei Non-Fungible Tokens (NFTs) viel Potenzial, die in der Vergangenheit als Sammelobjekt am virtuellen Kunstmarkt fungierten – und hier vor allem mit massiven Wertverlusten für Schlagzeilen sorgten. In Zukunft, so Marr, könnten die Tokens aber verstärkt zum Beispiel für virtuelle Konzerttickets genutzt werden.

Verschmelzende Welten

In einer Prognose des Tech-Mediums "Zdnet" wird nach faltbaren Handys und dem Metaversum Ambient-Computing als einer von drei Tech-Megatrends für das kommende Jahr genannt. Gemeint ist damit, dass wir keine Gadgets mehr mit uns herumtragen, um mit dem Netz zu kommunizieren, da die Technologie in unsere Umwelt eingebaut wurde. Die klassischen Beispiele sind Smart Speaker in der Wohnung oder auch virtuelle Assistenten in Autos. Das Thema existiert schon länger, könnte aber durch den Trend zur Reduktion von Bildschirmzeit an Bedeutung gewinnen.

Während die Technologie in unsere natürliche Umgebung einzieht, wird sich die physische Welt zunehmend digital abbilden lassen – in erster Linie über ein Konzept, das sich "digitaler Zwilling" nennt und bei dem 1:1-Kopien realer Objekte und Umgebungen virtuell nachgebildet werden. Das ist etwa in der Industrie praktisch, um Prozesse zu analysieren und zu optimieren. Marr prognostiziert, dass dies 2023 weiter an Fahrt aufnehmen wird.

Nachhaltigkeit

Ein Dauerbrenner ist angesichts der Klimakrise das Thema Nachhaltigkeit – und so wird verstärkt die Frage in den Fokus rücken, wie viel Energie durch Technologie verbraucht wird und wie diese zu Optimierung und somit für Einsparungen genutzt werden kann. Konsumenten werden verstärkt auf den Energieverbrauch ihrer Gadgets schauen, Wertschöpfungsketten müssen transparenter und effizienter werden.

Laut Gartner gehören diese Themen für CEOs – nach Umsatz und Gewinn – somit auch zu den Topprioritäten, was entsprechende Investitionen erfordert: Diese sind seit 2017 im Schnitt um 5,8 Prozent pro Jahr gestiegen. Unter anderem liegt der Fokus dabei auf dem Stromverbrauch von Serverfarmen.

IT-Fachkräfte und IT-Security

Und schließlich noch eine gute Nachricht für jene Menschen, die im kommenden Jahr ihr TU-Studium abschließen oder aus anderen Gründen auf Jobsuche sind: Der IT-Fachkräftemangel bleibt auch 2023 ein Thema. So nennt die Wirtschaftskammer Wien den Punkt "IT-Fachkräfte ausbilden" als ersten von neun Faktoren, die Wiener Unternehmen im kommenden Jahr beschäftigen. Unter anderem sollen auch gezielt Schwerpunkte gesetzt werden, um Mädchen für einen Beruf in der IT zu begeistern. Gleichzeitig soll das Angebot an Lehrplätzen ausgebaut werden.

Vor allem im Bereich IT-Security dürfte in Zeiten von Ransomware, Phishing, Cyberspionage und Cyberkrieg ein starker Bedarf bestehen. So meldet die Wirtschaftskammer, dass es im vergangenen Jahr bei den angezeigten Fällen im Bereich IT-Security eine Zuwachsrate von 25 bis 35 Prozent gab, wobei längst nicht alle Fälle angezeigt werden. Hier ist zu erwarten, dass die Investitionen in IT-Security 2023 zwar erhöht werden, die Zahl der Vorfälle aber steigen wird – ein Trend, auf den man auch gerne verzichten würde. (stm, 29.12.2022)