Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Zugleich sind Wohnungen am Immobilienmarkt eine zinsbringende Kapitalanlage. Das ist zwar nicht neu, wovon auch der Begriff des Zinshauses aus der Wiener Gründerzeit ein beredtes Sprachdenkmal ist. Seit der Finanzkrise 2008 sind Wohnungen aber noch viel mehr zu einem Finanzprodukt geworden. Immer mehr Wohnungen werden nicht in erster Linie für die Eigennutzung, sondern schon von vornherein als Wertanlage gebaut – um sie dann gewinnbringend vermieten zu können. Der Trend zum "Betongold", der kritisch auch als "Finanzialisierung" oder "Ökonomisierung" des Wohnens bezeichnet wird, macht Wohnen aber zunehmend unleistbarer. Zuletzt treibt auch die allgemeine Teuerung die Wohnkosten in die Höhe.

Leerstehender Wohnraum und Wohnungen als reine Finanzanlage führen zu Verknappungen am Wohnungsmarkt – und steigenden Preisen.
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An der Fachhochschule des Berufsförderungsinstituts BFI in Wien beschäftigt man sich in dem dreijährigen Projekt "Leistbares Wohnen als Voraussetzung für smartes und nachhaltiges Wirtschaften in der Stadt Wien" mit der Frage, mit welchen fiskalpolitischen und förderungstechnischen Instrumenten öffentliche Institutionen wie Bund, Länder und Gemeinden dem entgegensteuern könnten.

"Wohnen ist ein Primärgut", sagt Projektleiterin Elisabeth Springler von der FH BFI Wien. "Da können nicht nur ökonomische Marktmechanismen gelten." In dem Forschungsprojekt, das von der Gemeinde Wien gefördert wird und bis Juli 2025 läuft, werden daher zum Teil heterodoxe wirtschafts- und politikwissenschaftliche sowie wirtschaftsgeografische Perspektiven verknüpft und so neue Lösungen für Wohnbauförderungen und "Sustainable Finance" erarbeitet.

Kurzfristiger Nutzen

Generell, so Springler, stehen öffentlichen Institutionen mehrere Instrumente zur Verfügung, mit denen Wohnen leistbar gehalten werden kann. Im Allgemeinen sind das "Objekt-" und "Subjektförderungen". Während die Objektförderung alle Formen der öffentlichen (Ko-)Finanzierung im Wohnungsbau einschließt, richten sich Subjektförderungen an die Unterstützung von Haushalten durch Wohnbeihilfen. "In der jetzigen Situation bei stark gestiegenen Energiepreisen erscheinen Beihilfen sinnvoll", sagt Springler. "Auf Dauer eingesetzt aber wären sie kontraproduktiv, da sie vom Markt eingepreist werden würden." Sprich: Langfristig treiben Beihilfen die Mieten weiter in die Höhe.

Prinzipiell preisdämpfend wirkt, wenn Wohnsphäre vom Markt abgekoppelt ("dekommodifiziert") bleibt, also etwa Gemeinden oder gemeinnützige Bauträger (Genossenschaften) Wohnraum errichten oder kofinanzieren.

Das hat sich auch in Wien gezeigt, wo der Anteil von dekommodifizierter Wohnsphäre traditionell hoch ist. Während Mieten in privat finanzierten Neubauwohnungen (circa 13 Prozent aller Wohnungen) kräftig in die Höhe schnalzten – sie haben sich in 15 Jahren um mehr als 150 Prozent verteuert –, stieg die Wiener Durchschnittsmiete gedämpfter (+ 50 Prozent) als in anderen europäischen Metropolen, wie in London, Zürich oder Berlin. 60 Prozent der Mietwohnungen gehören in Wien der Gemeinde oder gemeinnützigen Wohnträgern, weitere knapp 30 Prozent sind private Altbauwohnungen. In allen sind die Mieten zum Gutteil per Gesetz durch Richtwertsätze gedeckelt.

Mietpreisdeckel und Klima

Ist der Mietpreisdeckel also auch in Zukunft das Mittel der Wahl gegen exorbitante Mieten? Springler sieht das differenziert: Ein Mietpreisdeckel allein wäre zu wenig. "Wien will bis 2040 klimaneutral sein", sagt Springler. "Da braucht es Auflagen." Das Auf- und Abschlagssystem bei den Richtwertsätzen für Wohnkategorien müsste daher so durchforstet werden, dass sie verstärkten Anreiz für die Dekarbonisierung schaffen.

Mittelfristig preisdämpfend könnte sich aber die Mobilisierung von Leerständen auswirken. In ganz Österreich sollen angeblich über 100.000 Wohnung aus spekulativen Gründen nicht vermietet werden – eine Angebotsverknappung, die die Preise steigen lässt. "Eine Leerstandsabgabe könnte einen Anreiz für die Vermietung schaffen."

Analysiert werden in dem Projekt auch Verfahren, wie Gemeinden sicherstellen können, dass durch Spekulation auf Grund und Boden der Wohnbau sich nicht exzessiv verteuert. Das könnte beispielsweise durch öffentliche Bodenbevorratung passieren. Wien habe diesen Weg bereits eingeschlagen und kaufe Grundstücke für die spätere Bebauung auf, sagt Springler.

Spekulationen unterbinden

Zudem sollten Spekulations- und Umwidmungsgewinne aus brachliegenden Grundstücken unterbunden werden. "Im Prinzip", sagt Springler, "sollten Regularien geschaffen werden, dass auf erworbenem Bauland auch zügig gebaut wird."

Die verschärften Kreditvergaben, wonach Kreditsuchende mindestens 25 Prozent Eigenmittelanteil für die Finanzierung von Hausbau oder Eigentumswohnungen aufbringen müssen, sieht Springler im Übrigen als eine rein wirtschaftspolitische Maßnahme. "Das ist kein sozialpolitisches Instrument, es sichert nur die Stabilität des Bankensektors." (Norbert Regitnig-Tillian, 5.1.2023)