Auch in Österreich waren Abmahnschreiben wegen vermeintlicher DSGVO-Verstöße kursiert.

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Im Sommer waren in Österreich vermehrt Abmahnschreiben an österreichische Website-Betreiberinnen wegen der Verwendung von "Google Fonts" auf ihren Seiten eingegangen. Während die Schreiben hierzulande von einer Kanzlei aus Groß-Enzersdorf stammten, war in Deutschland der Anwalt Kilian Lenard ins Visier der Behörden geraten. Nun geht die (deutsche) Justiz erstmals offiziell gegen diese Methoden vor: Laut Berliner Generalstaatsanwaltschaft wurden am 21. Dezember vier Durchsuchungen in Deutschland "sowie zwei Arrestbeschlüsse mit einer Gesamtsumme von 346.000 Euro vollstreckt".

Vorwurf des Abmahnbetruges in 2.418 Fällen

Das Schriftverzeichnis "Google Fonts" umfasst 1.474 Open-Source-Schriftarten. Diese können kostenlos für die Gestaltung von Websites – und laut Google explizit auch kommerziell – genutzt werden. Die Abmahnschreiben beider Anwälte beriefen sich in diesem Zusammenhang auf den Vorwurf der Nichteinhaltung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Durch die Einbettung der Schriftarten über den Google-Server würde die IP-Adresse der Userinnen an den Google-Mutterkonzern Alphabet weitergegeben. Sofern dies nicht in den Datenschutzbestimmungen der entsprechenden Website ausgewiesen sei, handle es sich laut der beiden Anwälte um einen datenschutzrechtlichen Eingriff, dem die Userinnen nicht zugestimmt hätten. Damit verstoße dies gegen die geltende DSGVO.

Begründet wurden die Durchsuchungen nun mit dem "Verdacht des (teils) versuchten Abmahnbetruges und der (versuchten) Erpressung in mindestens 2.418 Fällen". Die Vorwürfe richten sich derzeit gegen Lenard und einen 41-jährigen Mandanten. Inzwischen seien bereits 420 Anzeigen von Personen eingegangen, die der im Abmahnschreiben geforderten Zahlung nicht Folge leisten wollten. Die im Laufe der Ermittlungen eingesehenen Kontounterlagen von Anwalt Lenard würden zudem nahe legen, dass in knapp 2.000 Fällen der vermeintliche Abmahnungsbetrag beglichen wurde. Hierzulande soll der niederösterreichische Anwalt Marcus Hohenecker als Rechtsvertreter seiner Mandantin Eva Z. immerhin bis zu 10.000 Schreiben versandt haben.

Beweismittel sollen Aufschluss über Betrugsumfang geben

Die von Lenard in Deutschland verschickten Abmahnungen enthielten eine Zahlungsaufforderung von je 170 Euro. Jene in Österreich, verschickt durch die Kanzlei in Groß-Enzersdorf, lagen mit jeweils 190 Euro – davon 100 Euro Schadensersatz und 90 Euro für die Rechtsverfolgung – sogar noch ein wenig höher. Verschickt wurden die Schreiben laut Wirtschaftskammer (WKO) an Vertreterinnen diverser Branchen, darunter Apotheken, Ärztinnen, Freiberufler und sonstige Unternehmerinnen. Ende August hielt die WKO aufgrund der großen Nachfrage sogar ein eigens dem Sachverhalt gewidmetes Webinar ab.

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich sollen sich die Anwälte sogenannter Crawler-Software – in Österreich jener mit Namen Scrapy – bedient haben. Mithilfe dieser kann eine Vielzahl von Websites automatisiert durchsucht werden – beispielsweise darauf, ob sie Google Fonts nutzen. Nach Heraussuchen der Websites, soll ein weiteres Programm zur Anwendung gekommen sein, mit dem Besuche auf eben diesen Websites generiert wurden. Diese dienten als Grundlage für die erstellten Abmahnungen.

Bei den in Deutschland durchgeführten Durchsuchungen wurden laut der Berliner Generalstaatsanwaltschaft Beweismittel in Form von Datenträgern und Unterlagen sichergestellt. Die Auswertung dieser soll nun Aufschluss über den Umfang des vermuteten Betrugs geben. (Johanna Pauls 23.12.2022)