Im Gastblog erklärt Rechtsanwältin Theresa Kamp, wie der gemeinsame Lebensmittelpunkt rechtlich geregelt wird, wenn es sich um eine Mietwohnung handelt.

Wenn sich zwei Menschen scheiden lassen, haben sie in den meisten Fällen davor in irgendeiner Form zusammengewohnt. Zumindest solange beide Personen die Ehe noch wollten. Die gemeinsame Bleibe, also der Ort, wo die Eheleute ihren Lebensmittelpunkt hatten, kann als Ehewohnung bezeichnet werden. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei dieser Bleibe um ein Hausboot, ein Haus, ein Wohnmobil oder eine klassische Dreizimmerwohnung handelt. Die Ehewohnung genießt eine Sonderstellung – schon während aufrechter Ehe, aber auch danach.

Ist die gemeinsame Wohnung gemietet, kann das Gericht im Falle der Scheidung unter Umständen einen Mieterwechsel zwischen den Parteien veranlassen.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Grundsätzlich sind eingebrachte, von dritter Seite geschenkte oder geerbte Sachen von der Aufteilung im Fall einer Scheidung ausgenommen. Bei der Ehewohnung kann das anders sein. Beispielsweise bei einem dringenden Wohnbedürfnis eines Ehegatten oder eines gemeinsamen Kindes. Nun gibt es viele Ehepaare, die weder in einer Eigentumswohnung noch einer eigenen Liegenschaft wohnen, sondern in einer Mietwohnung. Und auch hier kann man die eigene Wohnung sehr liebgewonnen haben. Nicht selten kommt es dazu, dass beide Eheleute gern in der Wohnung bleiben möchten und keiner sich vordrängt, die Wohnung freiwillig aufzugeben. Was gilt rechtlich bei einer Mietwohnung im Fall der Scheidung?

Worauf kommt es an?

In einem ersten Schritt geht es darum, ob es sich bei der fraglichen Mietwohnung auch um die Ehewohnung handelt. Nur dann genießt die Mietwohnung den oben genannten Sonderstatus. Handelt es sich um das Ferienhäuschen oder den Schrebergarten, der nur sporadisch genützt wird, gibt es keine Sonderregeln. Die Ehewohnung ist, wie gesagt, regelmäßig die "Wohnung", in der die Eheleute bis zur Scheidung oder Trennung gemeinsam gewohnt haben.

Einvernehmliche Scheidung?

Die meisten Ehen in Österreich werden – nach teilweise langwierigen Verhandlungen – einvernehmlich geschieden. Im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung müssen sich die Eheleute über die wesentlichen Scheidungsfolgen einig sein. Dazu gehören auch die vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander. Gibt es eben eine derartige Mietwohnung, müssen sich die Eheleute über das weitere Schicksal der Ehewohnung einigen.

Unterliegt die Mietwohnung nicht dem Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG), bindet eine Einigung im Rahmen einer Scheidung grundsätzlich die Eheleute, nicht aber automatisch in einem ersten Schritt den Vermieter oder die Vermieterin. Daher macht es Sinn, auch das Einverständnis des Vermieters oder der Vermieterin einzuholen. Waren bislang beide Mieter, könnte zum Beispiel eine Person aus dem Vertrag aussteigen und die verbleibende Partei die Wohnung hinkünftig allein mieten. Auch denkbar wäre etwa ein Wechsel der Vertragspartnerin, sollte nur ein Eheteil Mieterin gewesen sein. Für den Fall, dass die Mietwohnung dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegt, bietet sich unter Umständen auch die Möglichkeit, dass der die Wohnung verlassende Teil seine Stellung im Sinne einer Vertragsübernahme überträgt.

Streitige Scheidung?

Gelingt eine einvernehmliche Scheidung nicht und kommt es zur streitigen Scheidung beziehungsweise nach der streitigen Scheidung zum Aufteilungsverfahren, müssen Gerichte entscheiden, wer die Ehewohnung beziehungsweise Mietwohnung "behalten" darf. Das zuständige Gericht kann beispielsweise einen Mieterwechsel anordnen und entscheiden, dass etwa ein Ehegatte anstatt der anderen Person die Wohnung nun weiter mietet. Außerdem ist es möglich, dass das Gericht anordnet, die bisher gemeinsam gemietete Wohnung werde in Zukunft nur noch von einer Person gemietet. Die Gerichtsentscheidung kann also die Person des Vertragspartners ändern beziehungsweise einen Mieter oder eine Mieterin aus dem Mietvertrag streichen. Dabei ist das Gericht nicht an anderslautende Vertragsbestimmungen oder auch an die Zustimmung des Vermieters oder der Vermieterin gebunden. Nicht möglich ist es aber, dass das Gericht den Vertrag an sich ändert oder dem in der Wohnung verbleibenden Eheteil ein besseres Recht einräumt als das, das zuvor vertraglich bestanden hat.

Was bezieht das Gericht in seine Entscheidung ein?

Ganz grundsätzlich ist es Ziel einer nachehelichen Vermögensaufteilung, die Früchte des gemeinsamen familiären Wirtschaftens partnerschaftlich aufzuteilen und Gerechtigkeit zu schaffen. Die Ehewohnung ist regelmäßig demjenigen zu überlassen, der darauf mehr angewiesen ist. Auch wo die gemeinsamen Kinder bleiben beziehungsweise wohnen, ist dabei zu berücksichtigen, aber auch, wer wie viel beigetragen hat. (Theresa Kamp, 17.1.2023)