Im Gastblog zeigt Rechtsanwältin Theresa Kamp, welche Maßnahmen vom Gericht angeordnet werden können, wenn diese dem Kindeswohl dienen.

Gerade in Verfahren rund um Obsorge oder Kontaktrecht können die Wogen zwischen Eltern hochgehen. Leider kommt es gerade bei Streitigkeiten um die gemeinsamen Kinder teilweise dazu, dass der Konflikt auch vor Gericht zu eskalieren droht. Abgesehen davon, dass es kaum etwas gibt, was einem näher geht als das eigene Kind, rühren familienrechtliche Konflikte auch oft an eigenen Themen der Eltern, die vielleicht durch Erfahrungen in der Vergangenheit begründet sind.

Speziell in hochstrittigen Verfahren, wo es unter anderem um die Beurteilung der Bindungstoleranz oder Erziehungsfähigkeit eines Elternteils geht, wird teilweise eine psychotherapeutische Begleitung der Eltern oder von belasteten Kindern als empfehlenswert erachtet. Keine Seltenheit ist auch, dass sich im Streit befindliche Eltern gegenseitig das Gefühl haben, der anderen Person würde professionelle Hilfe guttun. Rechtlich stellt sich die Frage, ob das Gericht aber eine Form von Therapie oder Beratung einer Person überhaupt anordnen darf.

Gerichtlich angeordnete Erziehungsberatung?

In pflegschaftsgerichtlichen Verfahren, also wenn es um Fragen der Obsorge oder des Kontaktrechts – früher Besuchsrecht – geht, wird das Kindeswohl in den Fokus gerückt. Das ist auch wichtig und richtig, damit Kinder nicht Gefahr laufen, zwischen möglicherweise im Streit verfangenen Eltern aufgerieben zu werden. Im Zusammenhang mit einem Obsorge- oder Kontaktrechtsverfahren hat das Gericht zunächst die zur Sicherung des Kindeswohls erforderlichen unterstützenden Maßnahmen anzuordnen. Soweit dadurch nicht berücksichtswürdige Interessen einer Partei unzumutbar beeinträchtigt werden.

Zur Förderung des Kindeswohls kann das Gericht gewisse Formen der Beratung anordnen.

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Gesetzlich hat das Gericht sehr wohl die Möglichkeit, Eltern zu verpflichten, an einer Familien-, Eltern-oder Erziehungsberatung teilzunehmen. Bei einer derartigen "Erziehungsberatung" geht es einerseits darum, dass die Eltern ihre Kommunikationsbasis verbessern können, und andererseits auch darum, dass die Eltern Verständnis für die Entwicklung, Bedürfnisse und Sorgen ihrer Kinder entwickeln. All das kann helfen, das Kindeswohl zu fördern. Nicht zuletzt, weil Kinder die Konflikte der Eltern auch mitbekommen und darunter leiden. Nicht selten geraten Kinder zwischen die Fronten und in einen Loyalitätskonflikt.

Durch eine derartige Elternberatung soll im besten Fall eine Entlastung und Unterstützung der Kinder erreicht werden. Oftmals kann es durch eine Erziehungsberatung, die vielleicht im Umfang von einigen Stunden aufgetragen wird, zu einer tatsächlichen Verbesserung der Gesprächsbasis der Eltern kommen. In vielen Fällen wird, gerade wenn die Situation zwischen den Eltern sehr verfahren ist, damit begonnen, dass jeder Elternteil einzeln Erziehungsberatung absolviert. Das Ziel ist aber natürlich, letztlich gemeinsame Gespräche führen zu können. Außerdem ist es möglich, die Eltern zur Teilnahme an einem Erstgespräch über Mediation oder über ein Schlichtungsverfahren zu verpflichten. Ist der Auftrag zur Teilnahme an einer derartigen Erziehungsberatung hinreichend klar und eindeutig formuliert, ist diese Teilnahme auch vollstreckbar. Das bedeutet, dass sie unter bestimmten Umständen auch zwangsweise durchsetzbar ist.

Antiaggressionstraining

Gewalt gegen Kinder ist verboten und grundsätzlich abzulehnen. Dazu gehört auch die früher noch anerkannte "gsunde Watschn". Übt ein Elternteil Gewalt gegen die Kinder aus, kann das dazu führen, dass er die Obsorge verliert. Neigt ein Elternteil zu Aggression, kann dieser zu einem Anti-Gewalt-Training oder Antiaggressionstraining verpflichtet werden.

Anordnung einer Psychotherapie oder Familientherapie?

Gerichtliche Verpflichtung beziehungsweise Anordnung zur Beratung oder Schulung im Zusammenhang mit Gewalt oder Aggression oder auch zur Eltern-Erziehungsberatung ist möglich. Allerdings gibt es Grenzen. Zwangstherapiert wird auch in familienrechtlichen Verfahren niemand. Die Verpflichtung zur Teilnahme an einer psychotherapeutischen Behandlung, einer Familientherapie oder auch einer vergleichbaren Maßnahme ist unzulässig. Das bedeutet, es wird klar zwischen Beratung und Therapie, die dazu führen soll, Symptome zu mildern oder Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern, unterschieden. Das entspricht auch dem Psychotherapiegesetz, wonach Therapie freiwillig sein muss.

Die gerichtliche Anordnung einer Psychotherapie oder Familientherapie wird als unverhältnismäßiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Verfahrensparteien wahrgenommen. Dem zuständigen Gericht soll durch die genannten Beratungen und Trainings zwar die Möglichkeit eingeräumt werden, elterliche Kompetenzen zu stärken – im Sinne des Kindeswohls. Die Anordnungen dürfen aber die Parteien nicht unzumutbar beeinträchtigen. Oftmals ist es ein Spannungsverhältnis. (Theresa Kamp, 14.2.2023)