Ob Bisonburger oder Eichelsuppe und Corn Ribs: Die Küche der Native Americans ist abwechslungsreich – und kaum verbreitet.

Foto: Thirty Nine Restaurant

Auf einer begrünten Terrasse auf dem Campus der Elite-Uni UC Berkeley stehen Tische und Bänke aus leuchtend rotem Holz des Küstenmammutbaums, dem Wahrzeichen Kaliforniens. Darauf servieren Vincent Medina und Louis Trevino in Entenfett gebratene Steinpilze, eine Suppe aus Eicheln und Algen, Austern aus der Bucht von San Francisco, dazu noch einen Wasserkresse-Salat, angemacht mit geräuchertem Walnussöl. Über alle Speisen sind rote und violette Blütenblätter gestreut. Durstig? Wie wäre es mit einem Sud aus Kalifornischem Salbei oder einem eisgekühlten Hagebuttentee?

Das Café Ohlone ist das erste indigene Restaurant von Berkeley – und nur eines von nicht einmal 20 seiner Art in den gesamten USA. Die Zutaten werden alle in einem Umkreis von 30 Kilometern nachhaltig angebaut und geerntet. Wie man mit ihnen kocht, wissen aber die wenigsten Menschen. In einem Land, in dem man von französischer Fusion bis zu veganem Sushi so ziemlich alles essen kann, fehlt seit Jahrhunderten die echte amerikanische Küche: die der Native Americans.

Lebendige Kultur

In Kalifornien sind indigene Menschen praktisch unsichtbar, erzählt Trevino, Mitte dreißig, kurze schwarze Haare und stets eine Kette aus Holzperlen und Muscheln um den Hals. Als er zur Highschool ging, lernte er im Geschichtsunterricht, dass er nicht existierte. Der deutsch-amerikanische Anthropologe Alfred Kroeber erklärte 1925 Trevinos Volk der Ohlone, die Ureinwohnerinnen und -einwohner der San Francisco Bay Area, für ausgestorben. Begründung: Ihre DNA sei zu sehr mit nichtindigenen Genen vermischt.

"Aber wir sind nicht ausgestorben", sagt Trevino, "unsere Kultur ist genauso lebendig wie wir selbst." Seit fast 100 Jahren kämpfen die Ohlone, die aus acht miteinander verbundenen Substämmen bestehen, darum, dass sie von der Regierung wieder offiziell anerkannt werden und damit auch Anspruch auf eigenes Land und den Schutz ihrer Bräuche und Sprachen haben.

Corn Ribs gibt es im Thirty Nine Restaurant zu essen.
Foto: Thirty Nine Restaurant

Eine DNA-Untersuchung aus dem Frühjahr 2022 belegt die Abstammung der Muwekma-Ohlone, der Prozess um die öffentliche Wiederanerkennung zieht sich jedoch. Die Zeit ist knapp. Laut dem letzten Zensus der US-amerikanischen Regierung gibt es heute nicht einmal mehr 4000 Ohlone in Kalifornien. Viele müssen ihr historisches Land verlassen, weil die Bucht von San Francisco, Heimat des Silicon Valley, einer der teuersten Orte der USA ist und man sich die Miete dort schlicht nicht mehr leisten kann.

Unterdrückte Küche

"Wir dachten", sagt Trevinos Partner Vincent Medina, "wenn wir nur einen Raum erschaffen könnten, indem wir unsere Geschichte erzählen können, dann könnten wir dort nicht nur für unsere politischen Rechte streiten, sondern auch dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft sichtbar sind und eine Heimat haben. Am besten kann man mit den Menschen ins Gespräch kommen, wenn man mit ihnen zusammen isst."

Gemeinsam gründeten Medina und Trevino 2017 Mak-‘amham, was in der Ohlone-Sprache Chochenyo so viel wie "unser Essen" bedeutet. Daraus entstand das Café Ohlone. Seit Herbst 2022 hat es ein festes Zuhause auf dem Campus von Berkeley gefunden. Ausgerechnet also an dem Ort, an dem der Gemeinde am meisten Schmerz zugefügt wurde. Nicht nur Kroebers Klassifizierung wurde in den Mauern des Anthropologie-Instituts von Berkeley ausgesprochen, die Universität grub gegen den Willen der Gemeinde auch tausende Skelette verstorbener Ohlone aus, um sie anthropologisch zu untersuchen. Bis heute hat die UC Berkeley und das zu ihr gehörende Hearst-Museum nur ein Fünftel von 500.000 gestohlenen indigenen Artefakten an die betreffenden Stämme zurückgegeben.

Rezepte aus dem Museum

"Als das Museum uns Räumlichkeiten zur Verfügung stellte, gingen wir zu unseren Ältesten und fragten sie, wie sie sich damit fühlten", erzählt Vincent Medina. "Sie sagten: Es ist genau wie mit dem kranken Körper. Will man ihn heilen, muss man dorthin gehen, wo die Quelle des Schmerzes ist, und die Krankheit an ihrer Wurzel behandeln. Das ist unser Ziel: einen Ort zu haben, an dem wir heilen können."

In den katholischen Missionen, in denen die meisten indigenen Menschen zur Zeit des spanischen Kolonialismus gesperrt wurden, später in den englischen und amerikanischen Reservaten, wurde die traditionelle Küche und Ernährung der Native Americans unterdrückt. Durch die Massenumsiedlung wurden viele Gemeinden von ihren traditionellen Jagdgründen abgetrennt, wo sie Wild erlegten oder Mais und Wildreis anbauten. Stattdessen bekamen sie Rationen mit Milchprodukten, Gluten und raffiniertem Zucker zugeteilt, alles Dinge, die ihnen vor der europäischen Kolonialisierung fremd waren.

Um die indigene Küche in den USA zu reetablieren, sammeln Vincent Medina und Louis Trevino überall im Land Rezepte, durchsuchen die Museumsarchive, schreiben die Erinnerungen ihrer Ältesten nieder und verbinden sich mit anderen indigenen Köchen und Köchinnen im Land.

Bisonburger und Kürbisstampf

Eine davon ist Loretta Barrett Oden. Die Angehörige der Potawatomi Nation betreibt das Restaurant Thirty Nine im First Americans Museum in Oklahoma City. Der Name bezieht sich auf die Anzahl der indigenen Stämme, die ursprünglich in Oklahoma lebten. Im Restaurant verfolgt die Köchin jedoch einen panamerikanischen Ansatz: Auf ihrer Speisekarte findet man neben Gerichten wie Bisonburger und Kürbisstampf auch Lebensmittel der indigenen Völker Mittel- und Südamerikas, die eine sehr ähnliche Leidensgeschichte mit den First Nations der USA und Kanada teilen und durch die geografische Nähe auch teilweise einen ähnlichen Speisezettel besitzen.

Schon in den 90ern gründete Oden das erste indigene Café in Santa Fe. "Damals rief ich direkt bei den gelben Seiten an und sagte ihnen: Ihr müsst eine Kategorie für Native American Food ergänzen!", erzählt sie lachend am Telefon. Heute macht alle sechs Monate ein neues Restaurant für Native American Cuisine auf. Gemeinsam organisieren sie sich in zahlreichen Netzwerken für die Ernährungssouveränität von Native Americans: zum Beispiel im Intertribal Agriculture Council oder in der Native American Food Sovereignty Alliance.

Gegen die "Essenswüsten"

Oden glaubt daran: der Aufstieg von indigenen landwirtschaftlichen Organisationen und Restaurants, von denen seit etwa fünf Jahren immer mehr gegründet werden, ist unerlässlich für den Kampf für Gerechtigkeit, aber auch für Gesundheit. "Viele indigene Menschen in den Reservaten, aber auch generell arme Menschen in den USA ernähren sich unglaublich schlecht", sagt Oden.

Auch in Städten gebe es "Food Deserts", in denen die Menschen keinen Zugang zu frischem und regionalem Essen haben oder es sich einfach nicht leisten können. Dabei wäre eine regionale und nachhaltige Ernährung laut Oden nicht nur billiger, sondern auch gesünder.

Dass von Ernährungsunsicherheit überproportional Native Americans betroffen sind, hat auch die US-amerikanische Regierung mittlerweile erkannt. 2021 gründete das Landwirtschaftsministerium die Indigenous Food Sovereignty Initiative, in der in Zusammenarbeit mit indigenen Organisationen sowohl an der Etablierung von Native-American-Anbaumethoden als auch an der Verbreitung und Konservierung von traditionellen Nahrungsmitteln und Rezepten gearbeitet wird.

Nachhaltiges Vorbild

"Wir hoffen, den Menschen näherbringen zu können, dass zu nachhaltigem Essen zuallererst die Beziehung zur Umwelt gehört", sagt Vincent Medina vom Café Ohlone. "Wir bedanken uns bei den Pflanzen und Tieren, die wir essen. Wir ernten nie mehr, als wir brauchen. Aber auch das Legen von kontrollierten Feuern, die große Brände verhindern, gehört zu unseren Traditionen. Auch dadurch, dass indigene Menschen diese Praxis nicht mehr großflächig ausüben dürfen, und durch den Anbau von Monokulturen in der Landwirtschaft haben wir apokalyptische Wildfeuer und Wasserknappheit in Kalifornien."

Eine der Zutaten, die man an der Westküste statt der Unmengen an wasserfressenden Avocado essen könnte, die in den Cafés von L.A. und San Francisco so beliebt ist, ist die Eichel, das Herz der Ohlone-Küche, sagt Medina. Die Baumfrüchte werden so lange eingekocht, bis sie zu einem süßen Gelee werden, das die Konsistenz von Nutella hat. Aus Eichelmehl kann man Brot, Suppen oder auch Tacos herstellen. Eine echte panamerikanische Köstlichkeit. (Morgane Llanque, 27.12.2022)