Lagerfeuerromantik unter bärtigen Eigenbrötlern: Alessandro Borghi (li.) und Luca Marinelli in "Acht Berge".

Foto: Polyfilm

Kein schlechtes Kompliment unter Männern, sich wechselseitig für die vielen Haare im Gesicht zu loben. "Ein schöner Bart", sagt Bruno (Alessandro Borghi) zu Pietro (Luca Marinelli), als sich die beiden nach 15 Jahre wiedersehen. Und dieser erwidert dem Freund aus der Kindheit, dass seiner noch viel eindrucksvoller sei: "una barba vera", ein echter Bart.

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Das mag nur eine kurze Szene sein, doch sie verrät einiges darüber, worum es in Acht Berge (Le otto montagne) von Felix van Groeningen und Charlotte Vandermeersch geht. Um eine innere Verbundenheit zwischen Männern zum Beispiel, die sich auch der Liebe zu einem Ort verdankt. Und um die Frage, welcher der beiden Freunde "authentischer" ist: Wer wurde seinen eigenen Wunschvorstellungen gerecht – oder weniger untreu? Die "Barma drola", eine ruinöse Berghütte mit grandiosem Ausblick, die Pietro von seinem Vater vererbt wurde, ist der zentrale Schauplatz des Films. Dort werden diese Fragen immer wieder aufs Neue abgeglichen.

Elegisch, romantisch

Vor allem bleibt Acht Berge jedoch die Geschichte einer Männerfreundschaft, die soziale Unterschiede und Abstände hinter sich lässt. Bruno ist aus dem kleinen Dorf nahe den Alpen nie herausgekommen, er ist verschlossener als Pietro; der hat sich wiederum bisher vor allem durch seinen Widerstand zu seinem Vater definiert. Ihre Bande wirkt wie ein unzeitgemäßer, ja romantischer Gegenentwurf zur Gegenwart. Beiden Figuren geht es stärker um individuelles Glücksstreben und nicht um etwas so Profanes wie einen Beruf. Die Perspektive der Abkehr von gängigen bürgerlichen Modellen erklärt wohl auch den Erfolg des Romans von Pietro Cognetti, der zum Bestseller wurde.

Kunstvoll aufgeraut

Das belgische Regiepaar hat sich in seiner nuancierten Filmadaption auf die Essenz des Buches konzentriert. Die Bilder sind in Kontrast zur majestätischen Landschaft zwar im klassischen, eng gefassten Academy-Format gehalten, wirken aber dennoch auf kunstvoll aufgeraute Weise stilisiert. Folk-Songs des schwedischen Singer-Songwriters Daniel Norgren sind als weitere Stimmungsverstärker eingesetzt und betonen die Gefühlswelt der Brüderschaft. Kitschig wirkt das nicht, aber etwas ausgesucht.

Acht Freunde schildert die über Kreuz laufenden Lebenswege der Freunde ohne unbotmäßige Hast. Während sich Pietro als Nepal-Reisender von seinen inneren Dämonen befreit und seine Stimme findet, wie es Bruno einmal nennt, steht diesem selbst irgendwann seine eigene Beharrlichkeit im Wege. Borghi und Marinelli sind die zwei größten Stützen des Films: Ihre Charaktere wirken gerade in den stillen Momenten nach. (Dominik Kamalzadeh, 27.12.2022)