Bereits am Donnerstag protestierten etliche Menschen in Kabul.

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Kabul – Die radikal-islamischen Taliban in Afghanistan schränken die Rechte von Frauen weiter ein. Mitarbeiterinnen aller nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen sollen bis auf weiteres von ihrer Arbeit suspendiert werden. Das forderte das Wirtschaftsministerium des Landes am Samstag in einem Schreiben. Grund dafür sei, dass die Frauen die Vorschriften der Taliban-Führung in Bezug auf das Tragen eines Hijabs, also zumindest eines Kopftuchs, nicht einhielten.

Komme eine Organisation dieser Anordnung nicht nach, werde ihre Lizenz entzogen, hieß es in dem Schreiben. Ob die Anordnung auch für Organisationen der Vereinten Nationen gilt, die in Afghanistan stark vertreten sind, blieb laut internationalen Beobachtern zunächst offen.

Zwei internationale NGOs bestätigten den Erhaltung der Mitteilung des Ministeriums. "Wir setzen alle unsere Aktivitäten ab Sonntag aus", sagte ein hochrangiger Mitarbeiter einer internationalen humanitären NGO. Es werde in Kürze ein Treffen der Leitungen mehrerer NGOs geben, um über das weitere Vorgehen zu beraten. In Afghanistan sind auch nach der Rückkehr zur Macht der Taliban im August 2021 weiterhin dutzende Nichtregierungsorganisationen aktiv, viele ihrer Mitarbeitenden sind Frauen.

US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich am Samstagabend (Ortszeit) auf Twitter "zutiefst besorgt". Dieses Verbot für Frauen werde die Versorgung mit humanitärer Hilfe in Afghanistan durcheinanderbringen. "Frauen spielen bei humanitären Hilfsaktionen weltweit eine zentrale Rolle", so Blinken. Eine solche Entscheidung könnte verheerende Folgen für die Menschen in Afghanistan haben.

Kritik

Die Europäische Union verurteile das jüngste Verbot der Taliban aufs Schärfste, twitterte EU-Kommissionssprecherin Nabila Massrali in der Nacht zum Sonntag. Es handle sich um einen "klaren Bruch humanitärer Grundsätze". Die EU bewerte derzeit den Einfluss, den das Verbot auf seine Hilfe für Afghanistan haben werde.

Die Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) regierte mit Bestürzung auf das Verbot der Taliban. Mehr als 3000 Frauen arbeiteten für die Organisation in dem Land. "Unsere Mitarbeiterinnen sind entscheidend für die Auslieferung von humanitärer Hilfe in Afghanistan", twitterte die Organisation.

Seit ihrer Machtübernahme im August 2021 haben die Islamisten die Frauenrechte in Afghanistan massiv eingeschränkt. Viele Frauen durften nicht mehr zu ihren Arbeitsplätzen zurückkehren. Mädchen und Frauen sind mittlerweile vom öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen. Am Dienstag haben die Taliban Frauen von allen Hochschulen verbannt. Frauen, die für ihre Rechte protestierten, wurden in der Vergangenheit immer wieder, teils auch über mehrere Wochen, festgehalten.

Wasserwerfereinsatz in Herat

In der westafghanischen Stadt Herat demonstrierten unterdessen Dutzende Frauen gegen ihre Verbannung von den Universitäten des Landes. Mit Parolen wie "Bildung ist unser Recht" seien sie in Kleingruppen auf die Straße gegangen, sagte eine Demonstrantin. Die Frauen versammelten sich demnach vor dem Büro des Provinzgouverneurs. Die Taliban hätten die Proteste dann mit Wasserwerfern und Schlagstöcken aufgelöst, hieß es weiter.

Videos in sozialen Netzwerken zeigten ein Feuerwehrauto, das die Demonstrantinnen mit einer Flüssigkeit besprühte. In der Hauptstadt Kabul zeigten die Taliban am Samstag erhöhte Militärpräsenz. Auch dort hatten am Donnerstag Dutzende Frauen gegen das kürzlich verhängte Universitätsverbot demonstriert. Berichten zufolge wird seitdem mindestens eine der Frauen vermisst. (APA, dpa, 24.12.2022)